Leitsatz (amtlich)
Für das Verständnis der neuen Überwachungsaufgabe der Vertrauenspersonen nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG ist auf die entsprechende Rechtsprechung zu § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG zurückzugreifen.
Verfahrensgang
Truppendienstgericht Nord (Beschluss vom 16.02.2018; Aktenzeichen N 6 SL 11/17 und N 6 RL 5/18) |
Gründe
Rz. 1
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Beschwerdesache (§ 22a Abs. 2 Nr. 1 WBO) liegt nicht vor.
Rz. 2
Die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Rechtsbeschwerde entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. für das Revisionsrecht der VwGO BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - Buchholz 310 § 132 Nr. 18 S. 21 f. sowie für das Rechtsbeschwerderecht der WBO BVerwG, Beschlüsse vom 23. November 2011 - 1 WNB 5.11 - S. 2 und vom 12. April 2018 - 2 WNB 1.18 - Rn. 5, jeweils m.w.N.). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern mit dieser Klärung im angestrebten Rechtsbeschwerdeverfahren zu rechnen ist und hiervon eine Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus zu erwarten steht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 Rn. 16).
Rz. 3
1. Die von dem Antragsteller aufgeworfene Frage,
"Erfordert die Stellung eines Kostenfreistellungsantrags nach § 8 Abs. 4 Satz 1 SBG für Zwecke eines Beschwerdeverfahrens nach § 17 SBG einen gesonderten Antrag oder ist dieser Antrag auch dann wirksam angebracht, wenn er zusammen mit der Beschwerde der für die haushaltswirtschaftliche Bearbeitung des Antrags zuständigen vorgesetzten Dienststelle vorliegt?",
begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil nicht dargelegt oder ersichtlich ist, dass sich diese Rechtsfrage in einem Rechtsbeschwerdeverfahren stellen würde.
Rz. 4
Das Truppendienstgericht hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, soweit er die Kostenfreistellung des Antragstellers bzw. die Kostentragung durch die Dienststelle betrifft, als unzulässig zurückgewiesen, weil der Antrag, auszusprechen, dass die Kosten des Antragstellers nach §§ 17 und 8 Abs. 4 SBG die Dienststelle zu tragen hat, eine unzulässige Antragserweiterung darstelle. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass die Bestimmung des § 91 VwGO über die Klageänderung (einschließlich der Klageerweiterung) im gerichtlichen Antragsverfahren nach der Wehrbeschwerdeordnung nicht anwendbar ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27. Mai 2014 - 1 WB 59.13 - Buchholz 450.1 § 23a WBO Nr. 2 Rn. 30 f.). Eine Änderung oder Erweiterung des Rechtsschutzbegehrens erstmals im gerichtlichen Verfahren ist deshalb unzulässig. Ebenfalls geklärt ist durch den Senat, dass der nächsthöhere Disziplinarvorgesetzte im Verfahren der weiteren Beschwerde grundsätzlich befugt ist, auf Antrag des Beschwerdeführers den Gegenstand des Verfahrens abzuändern oder zu erweitern; Gegenstand der wehrdienstgerichtlichen Kontrolle ist dann der Beschwerdebescheid in der Gestalt der Entscheidung über die weitere Beschwerde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2018 - 1 WRB 1.18 - juris Rn. 21 ff.). Dass eine entsprechende Erweiterung des Verfahrensgegenstandes im Beschwerdeverfahren oder im Verfahren der weiteren Beschwerde stattgefunden hat, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
Rz. 5
Vielmehr wurde nach den Feststellungen des Truppendienstgerichts ein auf § 8 Abs. 4 Satz 1 SBG gestützter Anspruch auf Kostentragung durch die Dienststelle erstmals mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung geltend gemacht und damit unzulässig in das Wehrbeschwerdeverfahren eingeführt.
Rz. 6
2. Auch die von dem Antragsteller als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Fragen,
"Ist für die Beteiligung nach § 30 Abs. 2 SBG und die daran anknüpfenden Unterrichtungsrechte mit Rücksicht auf § 33 Abs. 7 SBG die Vertrauensperson der jeweiligen Wählergruppe ausschließlich zuständig? Unter welchen Voraussetzungen kann dieses Beteiligungsrecht trotz des § 33 Abs. 7 SBG einem Gremium der Vertrauenspersonen zugeordnet werden?"
rechtfertigen nicht die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Die Entscheidungserheblichkeit dieser Zuständigkeitsfrage ist nicht hinreichend dargelegt worden und sie erschließt sich auch im Ergebnis nicht. Ob der Antragsteller eine ausschließliche Zuständigkeit für die Stellungnahme im Anhörungsverfahren nach § 30 Abs. 2 SBG hat oder ob - wie das Truppendienstgericht unter Missachtung des § 33 Abs. 7 Satz 3 SBG ausführt - das Recht zur Stellungnahme auf die Versammlung der Vertrauensperson auf Kommandeursebene übergegangen ist, käme nur zum Tragen, wenn dem Informationsbegehren überhaupt ein Anhörungsverfahren im Sinne des § 30 Abs. 2 SBG zugrunde läge. Gegenstand eines solchen Anhörungsverfahrens ist ein Vorschlag des jeweiligen Einheitsführers für eine leistungsbezogene Besoldung. Der Einheitsführer des Antragstellers hat jedoch bereits im Bescheid vom 8. September 2016 in tatsächlicher Hinsicht ausgeführt, dass ein aktueller Vorschlag für eine leistungsbezogene Besoldung nicht im Raume stehe. Damit, dass dann die für das Anhörungsverfahren in § 21 Satz 1 SBG vorgesehene Unterrichtungspflicht nicht bestehen kann, befasst sich die Beschwerde nicht hinreichend.
Rz. 7
Sie lässt auch die erforderliche Befassung mit dem zeitlichen Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 SBG vermissen. § 30 Abs. 2 SBG wurde durch das Gesetz zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2065) in das insgesamt neugefasste Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz eingefügt und ist nach Art. 3 Abs. 1 dieses Gesetzes am 2. September 2016 in Kraft getreten. Das dort vorgesehene Anhörungsrecht ist - wie § 21 SBG zeigt - eine Form der Beteiligung, die der Maßnahme, auf die sie sich bezieht, zeitlich vorgelagert ist. Die Anhörung ist mit den Teilelementen der Unterrichtung, der Gelegenheit zur Stellungnahme und gegebenenfalls der Erörterung vor und begleitend zu dem Erlass der beabsichtigten Maßnahme durchzuführen; eine nachträgliche oder rückwirkende Form der Beteiligung ist nicht Inhalt des Anhörungsrechts. Wie sich aus dem Beschwerdebescheid des Kommandeurs des Führungsbereichs Berlin vom 6. Oktober 2016 ergibt, hatte dieser das Verfahren über die Vergabe von leistungsbezogenen Besoldungselementen für das Jahr 2016 bereits vor Inkrafttreten des § 30 Abs. 2 SBG und damit gemäß der bis dahin geltenden Rechtslage, die eine Beteiligung insoweit nicht vorsah, abgeschlossen. Eine Anhörung gemäß § 30 Abs. 2 SBG für das Vergabejahr 2016 kam damit schon aus Gründen des zeitlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift nicht in Betracht. Für das Jahr 2017 hatte das Verfahren zur Vergabe von leistungsbezogenen Besoldungselementen im Zeitpunkt der Geltendmachung eines Anhörungsrechts durch den Antragsteller (Schreiben vom 8. September 2016) noch nicht begonnen; eine "beabsichtigte Maßnahme" (§ 21 Satz 1 SBG), über die das zuständige Vertretungsorgan zu unterrichten wäre, lag insoweit (noch) nicht vor.
Rz. 8
3. Die vom Antragsteller aufgeworfene weitere Frage,
"Umfasst die Befugnis, über die Einhaltung der für Soldaten geltenden Schutzvorschriften zu wachen (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG, § 1 Abs. 3 SoldGG), mit Rücksicht auf den Leistungsgrundsatz (Art. 33 Abs. 2 GG) sowie die Benachteiligungsverbote des Art. 3 Abs. 2 und 3 GG auch die Unterrichtung über die Vergabe leistungsbezogener Besoldungselemente an Soldaten der Wählergruppe?",
kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht rechtfertigen. Zum einen bedarf die aufgeworfene Frage keiner Klärung in einem Rechtsbeschwerdeverfahren, weil sich ihre Beantwortung aus dem Gesetz und der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ergibt. Zum anderen wäre sie nicht entscheidungserheblich.
Rz. 9
Auch die allgemeine Überwachungsaufgabe nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG wurde durch das Gesetz zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2065) - mit Inkrafttreten am 2. September 2016 - in das Soldatinnen- und Soldatenbeteiligungsgesetz eingefügt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 18/8298 S. 41) sollen damit der Vertrauensperson ähnliche Rechte zur Seite gestellt werden, wie sie die Personalvertretung nach § 68 BPersVG für sich beanspruchen kann. Während das Gesetz vorher einen aus einer allgemeinen Überwachungsaufgabe folgenden Unterrichtungsanspruch der Vertrauensperson nicht kannte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. April 2016 - 1 WB 29.15 - Buchholz 449.7 § 24 SBG Nr. 1 Rn. 42 ff.), ist nunmehr eine dem § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG entsprechende allgemeine Überwachungsaufgabe geschaffen, an die ein möglicher Unterrichtungsanspruch aus § 20 Abs. 1 Satz 2 SGB anknüpfen kann. Da sich der Gesetzgeber bei der Formulierung der Überwachungsaufgabe der Vertrauenspersonen in § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG bewusst an die entsprechende Regelung im Personalvertretungsrecht angelehnt hat, ist bei der Auslegung dieser Vorschrift auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zum Personalvertretungsrecht zurückzugreifen. Danach kann der Personalrat zur Erfüllung seines in § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG genannten Überwachungsauftrags auch verlangen, dass die Dienststelle ihn über die Gewährung von Leistungszulagen unterrichtet und ihm dabei auch die Namen der Empfänger von Zulagen mitteilt (BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 6 P 15.92 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 14). Gründe dafür, dass die zuständigen Vertrauensleute der Soldaten bei ihrer Überwachung der Gewährung einer gesetzlich vorgesehenen leistungsbezogenen Besoldung zugunsten von Soldatinnen und Soldaten geringere Informationsansprüche haben sollten, sind nicht ersichtlich. Dies wird auch vom Truppendienstgericht im Kern nicht bestritten.
Rz. 10
Das Truppendienstgericht vertritt allerdings die Ansicht, dass der Informationsanspruch in Bezug auf die Gewährung der leistungsbezogenen Besoldung nicht der Vertrauensperson der die Zulage lediglich vorschlagenden Kompanie zustehe. Vielmehr sei für diese Überwachungsaufgabe die Versammlung der Vertrauenspersonen bei der über die Zulage entscheidenden übergeordneten Kommandeursebene (gemeint wohl) nach § 33 Abs. 7 Satz 3 in Verbindung mit § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG zuständig. Der Antragsteller hat zwar diese Rechtsauffassung als unrichtig angegriffen, weil das Soldatenbeteiligungsrecht traditionell anders als das Personalvertretungsrecht nicht vom Prinzip der Stufenvertretung geprägt sei und weil es explizit die Mitwirkung des Vertrauensmanns der Kompanie auch in Fällen vorsehe, in denen die Entscheidung durch eine übergeordnete Ebene falle (§§ 23, 27, 31 SBG). Er hat jedoch die Rechtsbeschwerde nicht auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Zuständigkeitsfrage gestützt, sodass die Zulassung auch nicht im Hinblick darauf erfolge kann.
Rz. 11
Im Ergebnis bedarf die aufgeworfene Zuständigkeitsfrage für den vorliegenden Fall keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass der Antragsteller Auskünfte über leistungsbezogene Besoldungsentscheidungen begehrt, die bereits vor der Einführung des § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG abgeschlossen worden sind. § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG räumt aber den Vertrauenspersonen ebenso wenig wie § 68 Abs. 1 Nr. 2 BPersVG dem Personalrat die Stellung eines der Rechts- und Fachaufsicht vergleichbaren allgemeinen Kontrollorgans ein (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 1993 - 6 P 15.92 - Buchholz 250 § 68 BPersVG Nr. 14 = juris Rn. 14). Vielmehr beschränkt sich nach dem klaren Wortlaut des § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG die Überwachungsaufgabe darauf, dass die zugunsten der Soldatinnen und Soldaten geltenden Gesetze, Verordnungen und Vorschriften durchgeführt werden. Diese Kontrollaufgabe erstreckt sich mithin auf die gegenwärtige und künftige Einhaltung von Schutzvorschriften in laufenden und noch offenen Verfahren. Da es sich bei der Einführung des allgemeinen Aufgabenkatalogs um eine Rechtsänderung für die Zukunft handelt, kann auch ein an die Aufgabenzuweisung anknüpfender Unterrichtungsanspruch nur für die Zukunft zum Tragen kommen. Er erstreckt sich mithin grundsätzlich nicht auf in der Vergangenheit abgeschlossene Sachverhalte, wie hier die bereits vor Inkrafttreten des § 19 Abs. 3 Nr. 2 SBG abgeschlossene Vergabe von leistungsbezogenen Besoldungselementen für das Jahr 2016. Dass die begehrte Unterrichtung über abgeschlossene Vorgänge für die Erfüllung von konkreten aktuellen Kontrollaufgaben erforderlich wäre, legt die Beschwerde nicht hinreichend substanziiert dar.
Rz. 12
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 23a Abs. 2 Satz 1 WBO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
Fundstellen
Dokument-Index HI13298810 |