Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Beschluss vom 17.11.2006; Aktenzeichen 16b D 05.790) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17. November 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die auf die Revisionszulassungsgründe gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, § 69 BDG gestützte Beschwerde des Beklagten kann keinen Erfolg haben. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich nicht, dass die Berufungsentscheidung auf einer Abweichung von dem Urteil des Senats vom 20. Oktober 2005 – BVerwG 2 C 12.04 – (BVerwGE 124, 252 ≪258 ff.≫) beruht oder der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat dem Beklagten in der Berufungsentscheidung, durch die er dessen erstinstanzlich ausgesprochene Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bestätigt hat, zur Last gelegt, er habe dadurch ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 54 Satz 3, § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG begangen, dass er über einen Zeitraum von mehreren Jahren als Kassierer eines Fischereivereins immer wieder unter Ausnutzung seiner Kontovollmacht unbefugt größere Beträge von dem Vereinskonto abgehoben habe, um damit Aktiengeschäfte zu tätigen. Dadurch habe der Beklagte einen Gesamtschaden von 186 570,55 DM herbeigeführt. Die Gewichtung dieser Verfehlungen auf der Grundlage der festgestellten be- und entlastenden Umstände ergebe, dass der Beklagte als Beamter nicht mehr tragbar sei. Er habe das Ansehen des Berufsbeamtentums in nicht wieder gutzumachender Weise beschädigt. Zwar sei mildernd zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte weder habe bereichern noch den Verein dauerhaft habe schädigen wollen. In einer “verhängnisvollen Spirale” habe er immer weitere Vereinsgelder für seine Börsenspekulationen in der Hoffnung eingesetzt, den immer größer werdenden Schaden irgendwann ausgleichen zu können. Jedoch falle entscheidend ins Gewicht, dass der Beklagte nie daran gedacht habe, sich durch eine Selbstanzeige aus seiner kriminellen Verstrickung zu befreien. Er habe stets darauf vertraut, dass die Vereinskasse nur oberflächlich geprüft werde. Durch den Schadensausgleich nach Aufdeckung seines Vergehens habe er nur seine rechtlichen Verpflichtungen erfüllt.
1. Mit seiner Divergenzrüge macht der Beklagte geltend, in Abweichung von den Anforderungen, die der Senat in dem Urteil vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) für die Maßnahmebemessung gemäß § 13 Abs. 1 und 2 BDG aufgestellt habe, habe der Verwaltungsgerichtshof trotz der festgestellten mildernden Umstände durchgreifende Milderungsgründe nicht für gegeben gehalten. Er habe nicht in die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beklagten eingestellt, dass dieser den Gesamtschaden von über 94 000 € lediglich einen Monat nach der Entdeckung der Taten vollständig zurückgezahlt habe. Schließlich habe der Verwaltungsgerichtshof keine Prognoseentscheidung zum Umfang der vom Beklagten verursachten Vertrauensbeeinträchtigung getroffen.
Ebenso wie der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO soll der Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO die Einheitlichkeit der Rechtsprechung, nicht aber die materielle Richtigkeit verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen im Einzelfall gewährleisten. Daher ist dieser Zulassungsgrund nur gegeben, wenn die Vorinstanz in der angefochtenen Entscheidung einen inhaltlich bestimmten, diese Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, mit dem sie einem Rechtssatz widersprochen hat, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Die Vorinstanz muss einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts ablehnen, weil sie ihn für unrichtig hält. Zwischen beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer Rechtsvorschrift bestehen. Demzufolge liegt eine Divergenz nicht vor, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
In dem Urteil vom 20. Oktober 2005 (a.a.O.) hat der Senat zu dem Bedeutungsgehalt der gesetzlichen Bemessungsregelungen gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG ausgeführt, sie begründeten die Verpflichtung der Verwaltungsgerichte, über die Disziplinarmaßnahme auf Grund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Als maßgebendes Bemessungskriterium sei die Schwere des Dienstvergehens gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG Ausgangspunkt der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme. Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung könnten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere Maßnahme als diejenige geboten sei, die durch die Schwere des Dienstvergehens indiziert werde. Ein zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis führender endgültiger Vertrauensverlust gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 BDG sei anzunehmen, wenn auf Grund der Gesamtwürdigung der bemessungsrelevanten Tatsachen der Schluss gezogen werden müsse, der Beamte werde auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen oder die durch sein Fehlverhalten herbeigeführte Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums sei nicht wieder gutzumachen (vgl. nunmehr auch Urteil vom 3. Mai 2007 – BVerwG 2 C 9.06 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Die Formulierungen in den Gründen der Berufungsentscheidung deuten darauf hin, dass der Verwaltungsgerichtshof den Rechtssätzen des Senats zu § 13 Abs. 1 und 2 BDG nicht widersprochen hat. So heißt es in den Gründen, “die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt neben der Schwere des Dienstvergehens … die umfassende Würdigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten voraus” (Seite 6 des Beschlussabdrucks), “bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände hat der Beamte das Vertrauen … endgültig verloren” (Seite 8) sowie abschließend, “bei Gesamtwürdigung der abzuwägenden Umstände ist eine nicht wieder gutzumachende Ansehensschädigung eingetreten” (Seite 9).
Auch der Beklagte zeigt einen prinzipiellen Auffassungsunterschied zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Senat zu dem Bedeutungsgehalt von § 13 Abs. 1 und 2 BDG nicht auf. Vielmehr rügt er in der Art einer Revisionsbegründung, dass der Verwaltungsgerichtshof die für den Beklagten sprechenden Gesichtspunkte wie den unverzüglichen Ausgleich des hohen Schadens nach Aufdeckung der Veruntreuungen oder seine angespannte psychische Verfassung im Tatzeitraum nicht hat ausreichen lassen, um von der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen. Damit rügt er in der Sache nicht, dass der Verwaltungsgerichtshof seiner Berufungsentscheidung einen generell unzutreffenden rechtlichen Ansatz zugrunde gelegt, sondern dass er die be- und entlastenden Umstände im Einzelfall fehlerhaft gewichtet hat. Der Beklagte setzt der Gesamtwürdigung des Berufungsgerichts und dessen Schlussfolgerung, es sei eine nicht wieder gutzumachende Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums eingetreten, seine eigene, ihm naturgemäß günstigere Würdigung entgegen. Damit verkennt er den Unterschied zwischen einer Nichtzulassungsbeschwerde und einer zugelassenen Revision.
2. Mit der Grundsatzrüge wirft der Beklagte folgende Fragen auf:
“Gibt es einen anerkannten Milderungsgrund der sofortigen Begleichung des Schadens nach Entdeckung der Tat im Falle eines außerdienstlichen Veruntreuungsdeliktes, wenn gerade wegen der sofortigen Schadenswiedergutmachung der Geschädigte auf jegliche weitere Schritte verzichtet, zumal die Schadenswiedergutmachung für den Betroffenen eine erhebliche Anstrengung (kurzfristige Kreditaufnahme etc.) bedeutet hatte oder
gibt es einen anerkannten Milderungsgrund der sofortigen Schadenswiedergutmachung nur dann, wenn sich der Beamte bei der Strafverfolgungsbehörde selbst anzeigt, obwohl der Geschädigte auf Grund der sofortigen Wiedergutmachung auf diese Verfolgung gerade keinen Wert legt.”
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt vor, wenn sich in dem angestrebten Revisionsverfahren eine konkret entscheidungserhebliche Rechtsfrage von weit über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung stellen würde. Die Rechtsfrage muss im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedürfen (stRspr; vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 a.a.O.).
Einen solchen allgemeinen Klärungsbedarf hat der Beklagte nicht dargelegt. Die von ihm angesprochenen “anerkannten Milderungsgründe” sind in der Rechtsprechung des Disziplinarsenats des Bundesverwaltungsgerichts für die Fallgruppe der Zugriffsdelikte, d.h. für die Veruntreuung dienstlich anvertrauter Gelder oder Güter entwickelt worden. In dem Urteil vom 20. Oktober 2005 (a.a.O. S. 262) hat der Senat bestätigt, dass das Vorliegen eines “anerkannten Milderungsgrundes” bei einem Zugriffsdelikt regelmäßig eine noch günstige Persönlichkeitsprognose zulässt und daher unter Geltung des § 13 BDG geeignet sein kann, von der bei Zugriffsdelikten indizierten Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abzusehen.
Der “anerkannte Milderungsgrund” der Wiedergutmachung des Schadens setzt voraus, dass der Beamte den durch seine innerdienstlichen Zugriffshandlungen herbeigeführten Schaden in voller Höhe freiwillig und ohne Furcht vor konkreter Entdeckungsgefahr ausgleicht (stRspr; vgl. Urteil vom 6. September 1994 – BVerwG 1 D 18.94 – BVerwGE 103, 164 ≪168 ff.≫). Dies ist nach Aufdeckung der Pflichtenverstöße naturgemäß nicht mehr möglich.
Demgegenüber werden dem Beklagten keine innerdienstlichen Zugriffshandlungen, sondern außerdienstliche Veruntreuungen zur Last gelegt. Für diese Fallgruppe ist seit jeher anerkannt und bedarf unter Geltung von § 13 Abs. 1 und 2 BDG keiner weiteren revisionsgerichtlichen Klärung, dass die erforderliche Disziplinarmaßnahme ohne Bindung an “anerkannte Milderungsgründe” nach den besonderen Merkmalen des Einzelfalles und der Persönlichkeit des Beamten zu bestimmen ist. Als erschwerende Umstände sind etwa zu berücksichtigen, dass der Beamte eine Vielzahl von Einzelhandlungen über einen längeren Zeitraum vorgenommen hat, eine Vertrauensstellung missbraucht oder einen erheblichen Schaden angerichtet hat. Je gravierender die erschwerenden Umstände zu Buche schlagen, desto gewichtiger müssen die mildernden Umstände sein, um davon ausgehen zu können, dass noch ein Rest an Vertrauen zu dem Beamten vorhanden ist (stRspr, vgl. Urteil vom 24. November 1998 – BVerwG 1 D 36.97 – Buchholz 232 § 54 Satz 3 BBG Nr. 16). Nach den tatsächlichen Feststellungen der Berufungsentscheidung, die der Beklagte nicht mit Verfahrensrügen angegriffen hat, sind die drei angeführten erschwerenden Umstände im vorliegenden Fall allesamt gegeben. Daraus durfte das Gericht auch angesichts der durchaus in Erwägung gezogenen Entlastungsgründe auf eine nicht wieder gutzumachende Ansehensschädigung schließen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 77 Abs. 4 BDG. Gerichtsgebühren werden gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 BDG nicht erhoben.
Unterschriften
Albers, Dr. Müller, Dr. Heitz
Fundstellen