Verfahrensgang

OVG des Saarlandes (Aktenzeichen 2 N 10/99)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 15. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass die Revision zuzulassen ist.

1. Die von der Antragsgegnerin als grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bezeichnete Frage, ob die Lösung eines Konflikts, den ein Bebauungsplan unbewältigt lässt, späterem Verwaltungshandeln überlassen werden kann, wenn die Gemeinde im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange eine Stellungnahme der zuständigen Fachbehörde eingeholt hat und die Lösung des Konflikts nach dieser Stellungnahme gesichert erschien, führt nicht zur Zulassung der Revision. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die Gemeinde im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB von einer abschließenden Konfliktbewältigung im Bebauungsplan Abstand nehmen darf, wenn die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen auf der Stufe der Verwirklichung der Planung sichergestellt ist (vgl. z.B. Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 4 CN 7.97BauR 1999, 359 ≪360≫; Beschluss vom 14. Juli 1994 – BVerwG 4 NB 25.94 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 75, m.w.N.). Ob eine Konfliktbewältigung durch späteres Handeln gesichert oder wenigstens wahrscheinlich ist, hat die Gemeinde prognostisch zu beurteilen. Von der Verpflichtung, den Abwägungsvorgang in eigener Verantwortung vorzunehmen, wird sie durch Stellungnahmen von Beteiligten des Planfeststellungsverfahrens grundsätzlich nicht entbunden (Beschluss vom 14. August 1989 – BVerwG 4 NB 24.88 – DVBl 1989, 1105 ≪1106≫). Ob und in welchem Umfang ausnahmsweise etwas anderes gilt, ist von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängig und entzieht sich einer abstrakten Klärung.

Die Rüge, die angefochtene Entscheidung weiche von dem Urteil des Senats vom 8. Oktober 1998 (a.a.O.) und von dem Beschluss des Senats vom 28. August 1987 – BVerwG 4 N 1.86 – (BRS 47 Nr. 3) ab, ist unzulässig, weil sie den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt. Der Revisionszulassungsgrund der Abweichung (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nur vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz zu einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Widerspruch tritt (vgl. Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – NVwZ-RR 1996, 712). Der Tatbestand der Divergenz muss in der Beschwerdebegründung nicht nur durch Angabe der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Darlegung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze bezeichnet werden. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Sie arbeitet keinen Rechtssatz aus dem Berufungsurteil heraus, der von einem Rechtssatz aus den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Dies wäre auch gar nicht möglich; denn eine Abweichung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor.

Das Normenkontrollgericht hat ausgeführt, der Satzungsgeber sei dann, wenn – wie für die Regelung des Straßenverkehrs – das Bauplanungsrecht keine geeigneten Festsetzungsmöglichkeiten zur Verfügung stelle, prinzipiell befugt, die Konfliktlösung künftigem Verwaltungshandeln zu überlassen (UA S. 25). Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die Durchführung der als notwendig erkannten Maßnahmen zur Konfliktbewältigung bei der Umsetzung der Planung hinreichend sichergestellt sei. Diese Rechtsauffassung entspricht derjenigen des Senats im Urteil vom 8. Oktober 1998. Dies stellt auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede. Indem sie geltend macht, die zuständigen Fachbehörden, das Landesamt für Straßenwesen und die Straßenverkehrsstelle N., hätten die Wirksamkeit verkehrsrechtlicher Anordnungen zur Konfliktlösung bestätigt, rügt sie der Sache nach eine fehlerhafte Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Ein Subsumtionsfehler ist indes nicht mit einer Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gleichzusetzen.

Ein Rechtssatz, der zu der Aussage im Beschluss vom 28. August 1987 (a.a.O.) in Widerspruch stünde, ein Bebauungsplan, der ein Vorhaben mit hohem Verkehrsaufkommen zulasse und zugleich Festsetzungen treffe, die straßenbauliche und verkehrslenkende Maßnahmen zur Vermeidung von unzumutbarem Verkehrslärm für die Umgebung ermöglichten, sei nicht schon deshalb abwägungsfehlerhaft, weil er die Durchführung der Maßnahmen künftigem Verwaltungshandeln überlasse, ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Die Vorinstanz erkennt in Übereinstimmung mit dem Beschluss vielmehr an, dass die Konfliktlösung späterem Verwaltungshandeln vorbehalten bleiben dürfe. Es hält nur die dafür erforderlichen Voraussetzungen, die Sicherstellung der notwendigen Maßnahmen zur Konfliktbewältigung, nicht für gegeben. Mit einem Angriff gegen diese tatrichterliche Würdigung wird eine Divergenz nicht dargetan.

2. Die Frage, ob einem Planbetroffenen, der der beabsichtigten Planung im Vorfeld zugestimmt, ihr im Planaufstellungsverfahren jedoch widersprochen hat, die Arglisteinrede entgegengehalten werden kann und ihm deshalb in einem Normenkontrollverfahren das Sachbescheidungsinteresse fehlt, rechtfertigt die Zulassung der Grundsatzrevision ebenfalls nicht. Die Vorinstanz hat richtig erkannt, dass die Befugnis, ein Normenkontrollverfahren zu beantragen, wie jede andere Ausübung prozessualer Rechte den Geboten von Treu und Glauben unterliegt und daher im Einzelfall verwirkt sein kann (BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1989 – BVerwG 4 NB 14.89 – BRS 49 Nr. 42). Ob sie die Voraussetzungen der Verwirkung des Antragsrechts vorliegend zu Recht mit der Begründung verneint hat, das seinerzeit von den Antragstellern gebilligte Planungskonzept unterscheide sich maßgeblich von der nunmehr umstrittenen Planung (UA S. 16), beurteilt sich nach den konkreten Gegebenheiten und führt nicht auf eine fallübergreifende Rechtsfrage.

Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, das Normenkontollgericht hätte die Umstände, die für die Frage der Verwirkung des Antragsrechts der Antragsteller bedeutsam sind, gemäß § 86 Abs. 1 VwGO näher aufklären müssen, erhebt sie eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Diese ist unzulässig, weil sie erstmals im Schriftsatz vom 15. November 2001 und damit außerhalb der Frist des § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO geltend gemacht worden ist.

3. Die Verfahrensrüge, mit der die Antragsgegnerin bemängelt, das Normenkontollgericht habe zu Unrecht nicht geklärt, ob der durch die Planung aufgeworfene Konflikt mit dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Straßenverkehrs durch die Einbeziehung der Parkplatzausfahrt in die Signalsteuerung der benachbarten Kreuzung gelöst werden könne, ist ebenfalls unzulässig. Das Vorbringen der Antragsgegnerin entspricht nicht dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Nr. 3 VwGO. Die Beschwerde zeigt nicht auf, welche von ihr für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen (Beweismittel) für das vorinstanzliche Gericht in Betracht gekommen, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und in welcher Weise sich ein derartiges Beweisergebnis auf das Entscheidungsergebnis ausgewirkt hätte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328).

Die Aufklärungsrüge ist unabhängig von der fehlenden schlüssigen Darlegung eines Aufklärungsmangels auch unbegründet. Ein solcher Mangel besteht nur, wenn eine nähere Aufklärung des Sachverhaltes auf der Grundlage der vom Normenkontrollgericht zugrunde gelegten Beurteilung der materiellrechtlichen Rechtslage erforderlich gewesen war. Das ist hier nach Maßgabe der Gründe der angegriffenen Entscheidung nicht der Fall. Das Normenkontrollgericht hat eine weitere Aufklärung des Sachverhalts mit der Begründung abgelehnt, eine Heilung des Planungsmangels der Nichtbewältigung der verkehrlichen Konfliktlage im ergänzenden Verfahren nach § 215 a BauGB komme nicht in Betracht, da durch ihn nicht nur die festgesetzte und nach Lage der Dinge bei den örtlichen Gegebenheiten allein in Betracht kommende Anbindung der geplanten Park- und Stellplätze an das übrige öffentliche Verkehrsnetz, sondern zugleich auch die gesamte planerische Konzeption in Frage gestellt werde. Für die angegriffene Entscheidung war mithin nicht erheblich, ob die Problematik der Sicherheit des Straßenverkehrs durch eine Einbeziehung der Parkplatzausfahrt in die Signalsteuerung der benachbarten Kreuzung entschärft werden kann. Das gegen diese Ansicht gerichtete Beschwerdevorbringen betrifft demgemäß keine Frage der Sachverhaltsaufklärung, sondern wendet sich gegen den materiellrechtlichen Rechtsstandpunkt der Vorinstanz, der in seinem rechtlichen Ausgangspunkt mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 8. Oktober 1998, a.a.O.) übereinstimmt.

Allerdings ist zweifelhaft, weshalb die Ergänzung der Planung durch eine Einbeziehung der Parkplatzausfahrt in die Signalsteuerung der benachbarten Kreuzung die Grundzüge der Planung berühren sollte. Es kommt auch nicht darauf an, ob das Normenkontrollgericht von der Möglichkeit der Konfliktlösung durch diese Ergänzung überzeugt ist. Ein Bebauungsplan ist schon dann für unwirksam zu erklären, wenn die konkrete Möglichkeit der Fehlerbehebung in einem ergänzenden Verfahren besteht. Eine Wahrscheinlichkeitsprognose über eine (voraussichtliche) Bestätigung des angegriffenen Bebauungsplans in einem ergänzenden Verfahren ist nicht anzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 19.94 – BVerwGE 100, 370 ≪373≫). Insoweit kann die Revision aber schon deshalb nicht zugelassen werden, weil die Beschwerde hierzu keine Rüge nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 VwGO erhoben hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Paetow, Lemmel, Gatz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI671906

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