Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 21.08.2008; Aktenzeichen 3 C 408/08.N) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers zu 1 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. August 2008 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller zu 1 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf die Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
1.1 Die Beschwerde möchte die Frage des Verhältnisses der in die Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB einzustellenden Belange für die Fälle grundsätzlich geklärt wissen, in denen eine Gemeinde aufgrund ihres eigenen bisherigen Tuns im Rahmen der Mitwirkung bei bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der künftigen Erschließung der Baugrundstücke geschaffen hat (S. 5 der Beschwerdebegründung). Diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht davon ausgegangen, dass die Antragsgegnerin bei den Antragstellern einen Vertrauenstatbestand hinsichtlich der künftigen Erschließung der Baugrundstücke geschaffen hat. Er hat sich vielmehr die Auffassung der Antragsgegnerin (S. 6 des Schriftsatzes vom 17. April 2008, GA Bl. 102) zu eigen gemacht (UA S. 9), dass die Antragsteller sich nicht darauf hätten verlassen können, dass ihre bisherige Grundstückszufahrt bei der Planung der Erschließung des Gebiets in ihrer jetzigen Form bestehen bleibe.
Die Frage, ob und inwieweit eine Gemeinde in ihrer Planungsfreiheit dahingehend gebunden ist, der Planung eine bestimmte Erschließung zugrunde zu legen, wenn sie dieser Erschließung im Rahmen der Mitwirkung im Baugenehmigungsverfahren zugestimmt hat (S. 5 der Beschwerdebegründung), ist einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich. Das gilt auch für die sich anschließenden Fragen, die das genannte Problem lediglich mit anderen Worten umschreiben. Inwieweit eine Gemeinde durch ihre Mitwirkung im Baugenehmigungsverfahren ein schutzwürdiges Vertrauen der Grundstückseigentümer darauf begründet, dass ihr Grundstück nicht abweichend von der Baugenehmigung überplant wird, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsanspruch, auf die die Beschwerde sich beruft, führt im vorliegenden Zusammenhang schon deshalb nicht weiter, weil der streitgegenständliche Bebauungsplan gerade die Grundlage für eine ordnungsgemäße Erschließung schaffen soll und der Antragsteller zu 1 selbst nicht geltend macht, dass sich die Antragsgegnerin weigere, die im Bebauungsplan vorgesehenen Erschließungsanlagen auch tatsächlich herzustellen.
1.2 Die Frage, ob und ggf. wann ein Einwender in einem Bebauungsplanverfahren einen Anspruch auf Mitteilung über die Entscheidung des Gemeinderats über die von ihm erhobenen Einwendungen hat und welche Bedeutung einem Verstoß zukommt (S. 10 der Beschwerdebegründung), ist, soweit entscheidungserheblich, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt.
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB sind die fristgemäß abgegebenen Stellungnahmen zu prüfen; das Ergebnis ist mitzuteilen. In seinem Beschluss vom 11. November 2002 – BVerwG 4 BN 52.02 – (BRS 65 Nr. 48) hat der Senat dargelegt, dass diese Vorschrift eine ähnliche Funktion wie § 9 Abs. 8 BauGB erfüllt; in der Begründung, die dem Bebauungsplan beizufügen ist, sind die Ziele, Zwecke und wesentlichen Auswirkungen des Bebauungsplans darzulegen; § 3 Abs. 2 Satz 4 BauGB ergänzt diese Regelung dahin, dass Beteiligte, die Anregungen vorgebracht haben, darüber unterrichtet werden, ob und wie sich die Gemeinde mit ihrem Vorbringen auseinandergesetzt hat; dagegen ist es nicht Sinn der Vorschrift den planerischen Entscheidungsprozess offenzuhalten und über § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGB hinaus weitere Mitwirkungsmöglichkeiten zu eröffnen; das Ergebnis der Prüfung kann auch noch nach Inkrafttreten des Bebauungsplans mitgeteilt werden. Die Mitteilung ist mithin nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit des Bebauungsplans (Gaentzsch, in: Berliner Kommentar zum Baugesetzbuch, § 3 Rn. 24 – Stand: 12/2005; Krautzberger, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, § 3 Rn. 66 – Stand: März 2007; Schrödter, BauGB, 7. Aufl. 2006, § 3 Rn. 41; Jäde, in: Jäde/Dirnberger/Weiss, BauGB, 5. Aufl. 2007, § 3 Rn. 35; Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 10. Aufl. 2007, § 3 Rn. 19). Die Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Personen, die eine Stellungnahme zum Bebauungsplanentwurf abgegeben haben, einen gerichtlich selbständig durchsetzbaren Anspruch auf Mitteilung des Ergebnisses haben, würde sich nicht stellen, da ein solcher Anspruch nicht im Rahmen des Normenkontrollverfahrens geltend gemacht werden könnte.
2. Die Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch.
Die Beschwerde macht geltend, dass das angefochtene Urteil, soweit es nach Darlegung des Prüfungsmaßstabes zur Begründung dafür, dass hier ein Abwägungsfehler nicht vorliege, auf den anwaltlichen Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 17. April 2008 ab S. 5 Bezug nimmt und ergänzend lediglich auf zwei dort nicht angesprochene Punkte eingeht, nicht mit Gründen versehen sei. Darin liege gemäß § 138 Nr. 6 VwGO ein absoluter Revisionsgrund.
Der behauptete Verfahrensmangel liegt nicht vor. Nicht mit Gründen versehen im Sinne des § 138 Nr. 6 VwGO ist eine Entscheidung nur, wenn die Entscheidungsgründe ihre Funktion, die Beteiligten über die dem Urteil zugrundeliegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten und dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung auf ihre inhaltliche Richtigkeit in prozessrechtlicher und materiellrechtlicher Hinsicht zu ermöglichen, nicht mehr erfüllen (Urteil vom 28. November 2002 – BVerwG 2 C 25.01 – BVerwGE 117, 228 ≪230≫; Beschluss vom 9. Juni 2008 – BVerwG 10 B 149.07 – juris). Auch eine Bezugnahme kann diesen Zweck erfüllen, sofern die Beteiligten das in Bezug genommene Schriftstück kennen oder von ihm ohne Schwierigkeiten Kenntnis nehmen können und sofern sich für sie und das Rechtsmittelgericht aus einer Zusammenschau der Ausführungen in der Bezug nehmenden Entscheidung und dem in Bezug genommenen Schriftstück die für die richterliche Überzeugung maßgeblichen Gründe mit hinreichender Klarheit ergeben (Beschlüsse vom 3. April 1990 – BVerwG 9 CB 5.90 – Buchholz 310 § 117 VwGO Nr. 31 und vom 3. Januar 2006 – BVerwG 10 B 17.05 – juris). Entgegen der Auffassung der Beschwerde ergibt sich aus § 117 Abs. 5 und § 130b Satz 2 VwGO keine andere Beurteilung. Dass diese Vorschriften Bezugnahmen der Urteilsgründe in bestimmten Fallgestaltungen ausdrücklich zulassen, rechtfertigt nicht den Schluss, in allen anderen Fällen seien Verweisungen unzulässig; bei den genannten Regelungen handelt es sich vielmehr lediglich um spezielle Ausprägungen schon früher anerkannter allgemeiner Grundsätze (Beschluss vom 3. Januar 2006 a.a.O.). Würden § 117 Abs. 5 und § 130b Satz 2 VwGO die Bezugnahmen in den Entscheidungsgründen auf andere Schriftstücke abschließend regeln, dürfte ein Gericht beispielsweise entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschlüsse vom 27. Mai 1988 – BVerwG 9 CB 19.88 – Buchholz 402.25 § 32 AsylVfG Nr. 6 und vom 3. Januar 2006 a.a.O.) auch nicht auf die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen einer in einem anderen Verfahren ergangenen Entscheidung Bezug nehmen.
Ob das Urteil des Bundessozialgerichts vom 15. November 1988 – 4/11a RA 20/87 – (NJW 1989, 1758), auf das sich die Beschwerde beruft, dahin zu verstehen ist, dass nach dem Sozialgerichtsgesetz eine Bezugnahme auf Schriftsätze der Beteiligten auch dann unzulässig ist, wenn sich die tragenden Erwägungen aus einer Zusammenschau der Entscheidungsgründe selbst und den in Bezug genommenen Schriftstücken mit hinreichender Klarheit ergeben, kann dahinstehen; im zu entscheidenden Fall ließ die Bezugnahme keine zuverlässige Nachprüfung der für das Landessozialgericht maßgeblichen Gründe durch das Bundessozialgericht zu. Jedenfalls verhält sich das Urteil nicht zu den Anforderungen an die Entscheidungsgründe eines verwaltungsgerichtlichen Urteils.
Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren erlaubt der Gesetzgeber in § 117 Abs. 5 VwGO ausdrücklich die Bezugnahme auf die Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids, wenn das Gericht dieser folgt. Dies hält der Gesetzgeber für angemessen und der Gegenseite zumutbar, obwohl diese Bescheide den Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Prüfung bilden. Dieser Wertung entspricht es, wenn im Normenkontrollverfahren auf die Gründe verwiesen wird, die zur Begründung des Erlasses eines Bebauungsplans formuliert worden sind oder diese in einem Anwaltsschriftsatz in konzentrierter Form wiedergeben. Allerdings sollte ein Normenkontrollgericht nur in besonders geeigneten Fällen auf Schriftsätze der Beteiligten Bezug nehmen. Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO); die Gründe, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen und die in dem Urteil anzugeben sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO), sollte ein Gericht, insbesondere soweit es um die Würdigung des Sachverhalts im konkreten Einzelfall geht, grundsätzlich in eigene Worte fassen.
Gemessen an den dargelegten Anforderungen ist das angefochtene Urteil mit Gründen versehen. Den Beteiligten ist der Schriftsatz der Antragsgegnerin, auf den das Urteil Bezug nimmt, bekannt. Er befindet sich in den Akten und liegt mithin auch dem Rechtsmittelgericht vor. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schriftsatz dargelegt, aus welchen Gründen die von den Antragstellern geltend gemachten Abwägungsfehler nach ihrer Auffassung nicht vorliegen. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich diese Ausführungen ausdrücklich zu eigen gemacht. Dass unklar bleibt, aus welchen Gründen er den Normenkontrollantrag abgelehnt hat, macht die Beschwerde selbst nicht geltend. Sie rügt, dass sich der Verwaltungsgerichthof durch die Bezugnahme auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin auch die Aussage, dass die erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig seien, ohne eigene Prüfung zu eigen gemacht habe; es erscheine zweifelhaft, ob er den Vortrag der Antragsteller überhaupt mit seiner Zielrichtung zur Kenntnis genommen und nicht gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen habe. Der Verwaltungsgerichtshof hat indessen lediglich auf die Ausführungen im Schriftsatz der Antragsgegnerin ab S. 5 Bezug genommen. Die auf S. 4 des Schriftsatzes enthaltene Aussage, dass die erteilten Baugenehmigungen rechtswidrig seien, hat er nicht zum Gegenstand der Entscheidungsgründe gemacht. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat er seine Entscheidung auch nicht darauf gestützt, dass die vorhandene Bebauung bei der Abwägung ohne Bedeutung habe bleiben können. Er ist vielmehr dem Vortrag der Antragsgegnerin gefolgt, dass sie die bestehende Erschließungssituation, die Grundstückszufahrten der bebauten Grundstücke und die Ausrichtung der vorhandenen Garagengebäude entlang des Waldwegs erkannt und bei ihrer Abwägung berücksichtigt habe (S. 5 f. des Schriftsatzes). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt darin nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen
Haufe-Index 2090748 |
BauR 2009, 609 |
ZfBR 2009, 274 |
BBB 2009, 43 |
BRS-ID 2009, 1 |