Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 14.09.2006; Aktenzeichen 1 B 830/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 14. September 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.
1. Die Beschwerde möchte rechtsgrundsätzlich geklärt wissen, inwieweit substantielle Einschränkungen der im Grundgesetz verankerten Eigentumsrechte sowie des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch einfache Festlegungen im Bebauungsplan zulässig sind und inwieweit gegebenenfalls erkannte erhebliche Eingriffe in diese Eigentumsrechte zumindest zwingend unter bestimmten Voraussetzungen nach Befreiungsmöglichkeiten von den Festsetzungen des Bebauungsplanes verlangen. Diese Fragen sind, soweit sie sich überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Weise klären lassen, nicht in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftig. Sie lassen sich auf der Grundlage des Gesetzes und der Rechtsprechung zum Abwägungsgebot im Bauplanungsrecht (§ 1 Abs. 7 BauGB) ohne weiteres beantworten.
Bebauungspläne, die im Einklang mit dem Baugesetzbuch erlassen werden, bestimmen Inhalt und Schranken des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Das gilt auch dann, wenn ein Bebauungsplan die bisherige Rechtslage zum Nachteil bestimmter Grundeigentümer ändert. Das private Grundeigentum gehört deshalb selbstverständlich in hervorgehobener Weise zu den abwägungserheblichen privaten Belangen (Urteil vom 21. März 2002 – BVerwG 4 CN 14.00 – BVerwGE 116, 144, 148 m.w.N.). Das Abwägungsgebot ist eine Ausformung des im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Gemeinde darf daher Eigentumsbelange nicht unnötig und damit unverhältnismäßig gegenüber anderen privaten oder öffentlichen Belangen zurücksetzen. Mit welchem Gewicht Eigentumsbelange in die planerische Abwägung einzustellen sind, hängt von der jeweiligen städtebaulichen Situation und der Planungskonzeption der Gemeinde ab. Danach richtet sich, welchen abwägungserheblichen Belangen “nach Lage der Dinge” der Vorrang einzuräumen ist. Die Beschwerde wirft keine Rechtsfragen auf, die dem beschließenden Senat in einem Revisionsverfahren Anlass geben könnten, diese Grundsätze in einer über die Besonderheiten des vorliegenden Falles hinausreichenden, allgemeingültigen Weise fortzuentwickeln.
Im Übrigen geht die Beschwerde, soweit sie anregt, die Grenzen einer Beschränkung der grundrechtlichen Eigentumsfreiheit unter besonders gelagerten Bedingungen – Dresdner Elbhang – konkret zu definieren, von tatsächlichen Voraussetzungen aus, die das Oberverwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Das Berufungsgericht ist ausdrücklich der Befürchtung der Klägerin entgegengetreten, die im Bebauungsplan festgelegten Bebauungsmöglichkeiten ließen eine weitere wirtschaftliche Nutzung des Altbaus, der traditionell als Pension genutzt worden sei, nicht mehr zu und führten mangels anderer Nutzungsmöglichkeiten dazu, dass eine Nutzung insgesamt unterbleiben müsse. Das Berufungsgericht führt hierzu aus, das Denkmal “Villa Alexa” könne als Pension unter Ausnutzung der Bettenzahl in der Villa bzw. durch Vermietung zu Wohnzwecken erhalten werden. Die Klägerin habe substantiell in keiner Weise nachgewiesen oder glaubhaft gemacht, dass eine rentable Nutzung des Objekts ohne den Anbau nicht möglich sei. Diese tatsächlichen Feststellungen wären für das Revisionsgericht bindend, da die Beschwerde insoweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben hat (§ 137 Abs. 2 VwGO).
Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe keinen Anlass gesehen, über die Möglichkeiten einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes nachzudenken, die “zumindest noch ein Mindestmaß an sinnvoller, wirtschaftlich vertretbarer Nutzung des Eigentums ermöglichen würden”, ist vor diesem tatsächlichen Hintergrund verfehlt. Im Übrigen hat das Berufungsgericht ausführlich begründet, dass nach seiner Ansicht die Befreiungstatbestände des § 31 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BauGB hier nicht erfüllt sind. Fragen von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung wirft die Beschwerde zu dieser Vorschrift nicht auf.
Höchstrichterlich geklärt ist ferner, dass das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG), auch bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) zur Geltung kommt und in der gemeindlichen Bauleitplanung zu beachten ist (BVerfG, Beschluss vom 12. Januar 1967 – 1 BvR 169/63 – BVerfGE 21, 73, 82 ff.). Die Eigentumsgarantie gebietet, dass die privaten Belange der betroffenen Grundeigentümer nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt werden dürfen. Auch insoweit zeigt die Beschwerde keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf auf. Das gilt zunächst für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der Bedeutung des Denkmalschutzes in der Bebauungsplanung. Zu den Belangen, welche die Gemeinde bei der Aufstellung von Bauleitplänen zu berücksichtigen hat, gehören nach § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB auch die Belange des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes. Diese Belange können es je nach den tatsächlichen Gegebenheiten in der konkreten Planungssituation rechtfertigen, Grundstücke, deren Gebäude unter Denkmalschutz stehen, aus städtebaulichen Gründen besonderen Beschränkungen zu unterwerfen (Urteil vom 18. Mai 2001 – BVerwG 4 CN 4.00 – BVerwGE 114, 247, 249 ff.).
Soweit die Beschwerde die im Bebauungsplan festgesetzten überbaubaren Grundstücksflächen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB) unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung innerhalb und außerhalb des Plangebietes problematisiert, beschränkt sie sich in der Sache auf eine einzelfallbezogene Kritik der vorinstanzlichen Sachverhaltswürdigung, ohne Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung aufzuwerfen. Im Übrigen verletzt es den Grundsatz der Gleichbehandlung nicht, wenn eine Gemeinde sich bei der grundstückbezogenen Festsetzung von Baugrenzen (Baufenster) – wie hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts – von der vorrangigen Zielvorstellung leiten lässt, den historischen denkmalgeschützten Baubestand einschließlich seiner weitläufigen Gärten und der darin befindlichen Landschaftselemente (wie z.B. Stützmauern und Freitreppen) zu erhalten.
2. Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage nach der Abgrenzung einer zulässigen von einer unzulässigen Negativplanung und der Bedeutung subjektiver Abgrenzungselemente lässt ebenfalls keinen revisionsgerichtlichen Klärungsbedarf erkennen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass Festsetzungen in einem Bebauungsplan eine unzulässige “Negativplanung” darstellen und § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verletzen, wenn sie nicht der städtebaulichen Gestaltung, sondern der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind (Urteil vom 17. September 2003 – BVerwG 4 C 14.01 – BVerwGE 119, 25, 31). Ein Verstoß gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB liegt insbesondere dann vor, wenn eine planerische Festsetzung nicht den städtebaulichen Absichten der Gemeinde entspricht, sondern nur vorgeschoben wird, um eine unerwünschte bauliche Nutzung an Ort und Stelle zu verhindern (Beschlüsse vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 NB 8.90 – NVwZ 1991, 875 und vom 16. März 2001 – BVerwG 4 BN 15.01 – NVwZ-RR 2002, 8). Eine Festsetzung, die städtebaulich nicht gerechtfertigt ist, sondern auf sachfremden Motiven beruht, verfehlt ihren gestaltenden Auftrag und ist deshalb unwirksam. Kein Fall der unzulässigen “Negativplanung” liegt vor, wenn eine Gemeinde zur Verwirklichung ihrer städtebaulichen Ziele Festsetzungen trifft, durch die bestimmte Nutzungen ganz oder teilweise ausgeschlossen oder beschränkt werden und sich damit im Ergebnis “negativ” auf die Nutzung des Grundeigentums auswirken (vgl. Beschluss vom 18. Dezember 1990 – BVerwG 4 NB 8.90 – a.a.O. S. 875).
Entgegen der Beschwerde würde der vorliegende Fall dem beschließenden Senat in einem Revisionsverfahren keinen Anlass zur Fortentwicklung dieser Grundsätze geben. Die nach Ansicht der Beschwerde zu entscheidende Rechtsfrage, “unter welchen Umständen konkret von einer zulässigen bzw. unzulässigen Negativplanung” auszugehen sei, entzieht sich einer verallgemeinerungsfähigen Klärung. In der Sache greift die Beschwerde mit ihrer Grundsatzrüge die Feststellung des Berufungsgerichts an, ein Anhaltspunkt dafür, dass die umstrittene Planung nur vorgeschoben worden sei, um eine bestimmte Nutzung zu verhindern, bestehe nicht (UA S. 9 f.). Angriffe gegen die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung sind nicht geeignet, die rechtsgrundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache aufzuzeigen.
3. Die zu § 34 BauGB aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Das Berufungsgericht hat sein Urteil selbstständig tragend auf zwei Gründe gestützt: Das Vorhaben der Klägerin sei bauplanungsrechtlich unzulässig, weil ihm der wirksame Bebauungsplan Nr. 141 E entgegenstehe. Das Vorhaben wäre auch im Fall der Unwirksamkeit des Bebauungsplans nicht genehmigungsfähig, weil es sich nicht in die nähere Umgebung einfüge und deshalb nach § 34 Abs. 1 BauGB unzulässig wäre. Ist eine Entscheidung – wie hier – auf mehrere, jeweils für sich selbstständig tragfähige Gründe gestützt worden, kann eine Beschwerde nach § 132 Abs. 2 VwGO nur Erfolg haben, wenn der Zulassungsgrund bei jedem der tragenden Urteilsgründe zulässig vorgetragen und gegeben ist (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26; stRspr). Soweit die Beschwerde Grundsatzrügen zur Wirksamkeit des Bebauungsplans Nr. 141 E und zum Vorliegen einer Befreiungssituation (§ 31 Abs. 2 BauGB) erhebt, ist ein Grund für die Zulassung der Revision – wie oben ausgeführt wurde – nicht gegeben. Auf die Grundsatzrüge der Beschwerde zur vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung des § 34 Abs. 1 BauGB ist deshalb nicht einzugehen. Diese Rügen könnten der Beschwerde selbst dann nicht zum Erfolg verhelfen, wenn sie – dafür ist hier im Übrigen nichts ersichtlich – begründet wären.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 1690517 |
BauR 2007, 667 |
BBB 2007, 63 |
BRS-ID 2007, 6 |