Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 26.11.2021; Aktenzeichen 12 A 96/21.D) |
VG Dresden (Entscheidung vom 14.12.2020; Aktenzeichen 10 K 5180/17.D) |
Tenor
Das Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. November 2021 wird aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 69 BDG und § 133 Abs. 6 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen ist. Die Voraussetzungen der Verfahrensrüge des § 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegen vor. Das Berufungsgericht hat gegen § 58 Abs. 1 BDG und § 3 BDG und § 86 Abs. 1 sowie § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen.
Rz. 2
1. Der 1974 geborene Beklagte stand bis zu seiner Zurruhesetzung wegen Dienstunfähigkeit zum Ablauf des 31. Dezember 2014 als Regierungsoberinspektor (Besoldungsgruppe A 10 BBesO) im Dienst der Klägerin und wurde in der Bundeswehrverwaltung verwendet. Ab dem 24. Februar 2014 blieb der Beklagte dem Dienst aufgrund von Erkrankungen fern. Mitte Juni 2014 stellte die Klägerin für insgesamt 23 Tage den Verlust der Dienstbezüge wegen schuldhaften Fernbleibens vom Dienst ohne Genehmigung fest. Diesen Bescheid hob die Klägerin Ende September 2014 mit der Begründung wieder auf, die verspätete Vorlage von Dienstunfähigkeitsbescheinigungen könne dem Beklagten nicht vorgeworfen werden, weil er infolge seiner Erkrankung nicht schuldfähig gewesen sei.
Rz. 3
Vor seiner Zurruhesetzung war der Beklagte mehrfach vom ärztlichen Dienst der Bundeswehr untersucht worden. Im Hinblick auf eine für erforderlich gehaltene stationäre Therapie teilte die Bundeswehr dem Beklagten mit, dass der ärztliche Dienst einen Therapieplatz organisiert und auch die Kostenübernahme gesichert habe. Er sei jedoch aufgrund von § 46 Abs. 4 BBG zur Mitwirkung an der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit verpflichtet und müsse deshalb die Übernahme der Kosten für den Klinikaufenthalt bei der Bundeswehr sowie bei der Beihilfestelle beantragen. Stelle der Beklagte die Anträge nicht, sei von Dienstunfähigkeit auszugehen, sodass das Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand einzuleiten sei. Ende September 2014 beantragte der Beklagte selbst seine Versetzung in den vorzeitigen Ruhestand. In Unkenntnis dieses Schreibens leitete die Bundeswehr das Zurruhesetzungsverfahren ein. Die Vertrauensärztin der Bundeswehr hielt den Beklagten aufgrund aller gesundheitlichen Umstände für dienstunfähig. Eine anderweitige oder eingeschränkte Verwendung komme nicht in Betracht, zumal die notwendigen Therapien nicht berufsbegleitend erfolgen könnten; eine Nachuntersuchung biete sich in zwei Jahren an. Mit Verfügung vom 2. Dezember 2014 versetzte die Klägerin den Beklagten mit Ablauf des 31. Dezember 2014 in den Ruhestand. Zugleich wies die Bundeswehr den Beklagten darauf hin, er sei verpflichtet, zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit an geeigneten und zumutbaren gesundheitlichen sowie beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen.
Rz. 4
Bereits mit Schreiben vom 30. Januar 2015 wies die Klägerin den Beklagten erneut auf seine Verpflichtung zur Gesunderhaltung sowie auf die disziplinarrechtlichen Folgen der Verletzung dieser Pflicht hin. Dem Beklagten wurde aufgegeben, bis 30. April 2015 eine geeignete Therapie zu beginnen und den Therapiebeginn bis 15. Mai 2015 nachzuweisen. Hiergegen erhob der Beklagte mit der Begründung Widerspruch, die Anordnung sei unbestimmt. Aufgrund seiner langen Krankheitsgeschichte sei für ihn nicht erkennbar, welche Therapie als geeignet anzusehen sei. Mit Schreiben vom 25. Februar 2015 wies die Bundeswehr den Beklagten erneut auf seine Verpflichtung zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit hin, wiederholte die Auflagen zum Antritt einer Therapie (30. April 2015) sowie zum Nachweis des Therapiebeginns (15. Mai 2015) und erinnerte an mögliche disziplinarrechtliche Folgen. Eine Therapie trat der Beklagte nicht an. Am 20. Juli 2015 leitete die Klägerin das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein. Mit Schreiben vom 22. Juli 2015 unterrichtete die Klägerin den Beklagten über die Einleitung des Disziplinarverfahrens und hörte ihn an.
Rz. 5
Auf die am 7. Juli 2017 erhobene Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht dem Beklagten das Ruhegehalt aberkannt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe im angeschuldigten Zeitraum ab der Zustellung des Schreibens vom 30. Januar 2015 am 6. Februar 2015 bis zum Eingang der Klageschrift beim Verwaltungsgericht am 7. Juli 2017 nicht an einer geeigneten und zumutbaren gesundheitlichen beruflichen Rehabilitationsmaßnahme zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit teilgenommen. Auf die aus § 46 Abs. 4 BBG folgende Dienstpflicht sei der Kläger von der Bundeswehr mehrfach hingewiesen worden. Der Widerspruch des Beklagten gegen die Therapieauflage habe keine aufschiebende Wirkung gehabt. Die Therapieauflage im Schreiben vom 25. Februar 2015 sei auch hinreichend klar gefasst. Durch die Bezeichnung der geforderten Rehabilitationsmaßnahme und die Angabe einer dafür in Betracht kommenden Einrichtung sei ohne weiteres erkennbar gewesen, welche Therapie der Beklagte bis spätestens 30. April 2015 habe beginnen sollen. Die Therapieauflage vom 25. Februar 2015 sei auch materiell-rechtlich rechtmäßig. Der Beklagte sei bei Erlass dieser Weisung aufgrund seiner langjährigen Medikamentenabhängigkeit dienstunfähig gewesen. Zudem sei eine stationäre Entgiftungs-, Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit des Beklagten geeignet und zumutbar gewesen.
Rz. 6
2. Die Sache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde des Beklagten beimisst (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dabei ist der Senat wegen des Darlegungserfordernisses nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO darauf beschränkt, ausschließlich auf der Grundlage der Beschwerdebegründung zu entscheiden, ob der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache vorliegt. Rechtliche Gesichtspunkte, die der Beklagte nicht vorgetragen hat, können nicht berücksichtigt werden.
Rz. 7
a) Die Beschwerde des Beklagten sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in der Frage,
"ob bei einer § 46 Abs. 4 Satz 1 BBG ausgestaltenden Auflage, die eine zeitliche Komponente enthält, der Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Auflage und dem Endzeitpunkt der Verpflichtung aus der Auflage, oder der Zeitraum zwischen der Bekanntgabe der Auflage und dem durch die Klage bestimmten Zeitpunkt, hier dem Eingang bei Gericht, maßgeblich ist."
Rz. 8
Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie von der Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls abhängt und damit nicht zu einer für die Entscheidung in der Sache erheblichen Rechtsfrage führt, die sich in verallgemeinerungsfähiger Weise beantworten lässt.
Rz. 9
Zunächst machen die weiteren Ausführungen in der Beschwerdebegründung zu dieser Frage unter Verweis auf S. 26 des Berufungsurteils deutlich, dass die Beschwerde die von ihr angesprochenen Erwägungen des Berufungsurteils nicht richtig erfasst hat. Gegenstand dieser Ausführungen des Berufungsgerichts ist die Auslegung der Formulierung der Disziplinarklageschrift, dass der Beklagte "bis heute" keine stationäre Entgiftungs-, Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung durchgeführt hat. Im Hinblick auf § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG, wonach bei einer Disziplinarklage nur die Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden dürfen, die dem Beamten in der Klage als Dienstvergehen zur Last gelegt werden, und der Vorgabe der Darstellung der Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird (§ 52 Abs. 1 Satz 2 BDG), legt das Oberverwaltungsgericht dar, dass "angeschuldigt" hier lediglich der Zeitraum vom 6. Februar 2015 (Zustellung des Schreibens vom 30. Januar 2015) bis zum Eingang der Disziplinarklage beim Verwaltungsgericht am 7. Juli 2017 ist, nicht auch weitergehend der Zeitraum bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung. Gegenstand der aufgeworfenen Frage ist der vom "angeschuldigten Zeitraum" zu trennende Aspekt, auf welchen Zeitraum sich die Verpflichtung des Ruhestandsbeamten zur Durchführung der gesundheitlichen Rehabilitationsmaßnahme erstreckt, deren schuldhafte Verletzung Gegenstand des disziplinarischen Vorwurfs ist.
Rz. 10
Bei einem Ruhestandsbeamten, wie dem Beklagten, ist der Kreis der Dienstvergehen abschließend in § 77 Abs. 2 BBG bestimmt. Nach Satz 1 Nr. 4 gilt es als Dienstvergehen, wenn der Ruhestandsbeamte einer Verpflichtung nach § 46 Abs. 4 BBG schuldhaft nicht nachkommt. Welche Pflichten dem Ruhestandsbeamten im Hinblick auf die Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit im Einzelnen obliegen, hängt von der Konkretisierung der gesundheitlichen Maßnahme durch den Dienstherrn nach § 46 Abs. 4 BBG ab. Auch weil er grundsätzlich die Kosten der Maßnahme zu tragen hat (§ 46 Abs. 4 Satz 4 BBG), kann er die Einrichtung vorgeben, in der die Maßnahme durchgeführt werden soll, und kann auch zeitliche Vorgaben machen. Macht der Dienstherr, wie im Fall des Beklagten, durch die Schreiben der Bundeswehr vom 30. Januar und 25. Februar 2015 zeitliche Vorgaben, sind diese auch für die disziplinarrechtliche Würdigung des Verhaltens maßgeblich. Nach der für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO verbindlichen Auslegung (BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 - 2 C 63.08 - BVerwGE 135, 14 Rn. 9 f. m. w. N.) der beiden Schreiben durch das Oberverwaltungsgericht bildet der Ablauf des 30. April 2015 die zeitliche Grenze, bis zu der der Beklagte eine Therapie zu beginnen hatte. Dementsprechend ist der Zeitraum ab dem 1. Mai 2015 bis zur Klageerhebung für den Tatbestand der schuldhaften Verweigerung der Teilnahme an einer vom Dienstherrn bestimmten gesundheitlichen Rehabilitationsmaßnahme grundsätzlich nicht relevant.
Rz. 11
Die auf die Einzelumstände des Falles bezogenen Ausführungen der Beschwerdebegründung belegen, dass es der Beschwerde mit der aufgeworfenen Frage der Sache nach um die inhaltliche Richtigkeit des angegriffenen Urteils hinsichtlich des zeitlichen Umfangs des dem Beklagten vorzuwerfenden Pflichtenverstoßes geht. Damit kann aber nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründet werden.
Rz. 12
b) Ferner sieht die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache in den Fragen,
"ob eine Anordnung einer Therapie nach § 46 Abs. 4 Satz 1 BBG die Therapiemaßnahme nach Art und Umfang bestimmen muss"
und
"ob die Anordnung der Therapiemaßnahmen mit einer Begründung versehen werden muss, aus der der Betroffene erkennen kann, weshalb die Therapie angeordnet wurde."
Rz. 13
Diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nach § 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil sie mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden können.
Rz. 14
Das Schuldprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten auch im Disziplinarverfahren (BVerfG, Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2004 - 2 BvR 52/02 - BVerfGK 4, 243 ≪257≫). Das Schuldprinzip setzt voraus, dass das Verhalten dem Betroffenen vorwerfbar ist. Bereits unmittelbar aus dem Wortlaut des § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 sowie des § 46 Abs. 4 BBG folgt, dass der Dienstherr die gesundheitliche Rehabilitationsmaßnahme nach Art und Umfang bestimmen muss. Nur wenn dem Ruhestandsbeamten deutlich gemacht worden ist, welche Therapiemaßnahme zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit konkret geboten ist, und ihm der rechtliche Hintergrund der Anordnung erläutert wird, kommt nach dem Schuldprinzip seine disziplinarrechtliche Sanktionierung in Betracht, wenn er der Anordnung keine Folge leistet.
Rz. 15
c) Auch die weitere Frage,
"ob unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der gesundheitlichen Rehabilitationsmaßnahme i. S. d. § 46 Abs. 4 Satz 1 BBG auch deren Erforderlichkeit zu prüfen ist",
hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch sie kann mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.
Rz. 16
Der Gesetzgeber statuiert in § 46 Abs. 4 Satz 1 BBG für Ruhestandsbeamte die Verpflichtung, zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit an geeigneten und zumutbaren gesundheitlichen Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen. Zum Aspekt der Zumutbarkeit gehört auch die Frage, ob es im Hinblick auf die medizinische Ursache der Dienstunfähigkeit des Ruhestandsbeamten eine Form der Behandlung gibt, die zur Überwindung der gesundheitlichen Ursache der Dienstunfähigkeit ebenso geeignet ist, den Beamten jedoch weniger belastet. Ob im konkreten Fall des Beklagten eine solche weniger belastende, aber gleich geeignete Rehabilitationsmaßnahme besteht, betrifft lediglich die Frage der Richtigkeit des Berufungsurteils, begründet aber nicht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
Rz. 17
3. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
Rz. 18
Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des in der Beschwerdebegründung herangezogenen Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 1998 - 1 D 57.96 - nicht erfüllt. Das Berufungsurteil ist nicht rechtssatzmäßig von diesem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts abgewichen.
Rz. 19
Die von der Beschwerde herangezogenen Ausführungen des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Mai 1998 zum dortigen "Anschuldigungspunkt 2" (Rn. 21 bis 31) beziehen sich auf die dem Beamten aufgrund von § 54 Satz 1 BBG in der Fassung der Bekanntmachung vom 27. Februar 1985 (BGBl. I S. 479; nunmehr § 61 Abs. 1 Satz 1 BBG) obliegenden Verpflichtung, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, und dem daraus abgeleiteten Gebot, die beschränkte oder verlorene Arbeitskraft bestmöglich wiederherzustellen und alles zu unterlassen, was die Genesung verzögern könnte. Demgegenüber ist Gegenstand des Berufungsurteils die dem Beklagten vorgeworfene schuldhafte Verletzung der ausdrücklich aus § 46 Abs. 4 Satz 1 BBG folgenden Verpflichtung des Beamten, zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit an geeigneten und zumutbaren gesundheitlichen Rehabilitationsmaßnahmen teilzunehmen.
Rz. 20
Ferner befasst sich das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Mai 1998 mit der Frage, ob konkrete Handlungen des "krankgeschriebenen" aktiven Beamten - Besuch eines Bierfestes und eines Biergartens sowie Fahrstunde auf einem Motorrad - objektiv so erheblich sind, dass die Verzögerung des Heilungsprozesses ernstlich zu besorgen ist. Dagegen geht es im Fall des Beklagten um die Frage, zu welchen aktiven Handlungen ein in den Ruhestand versetzter Beamter verpflichtet ist, die der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit und damit seiner Reaktivierung dienen.
Rz. 21
Auch geht das Berufungsurteil nicht rechtssatzmäßig davon aus, die Annahme einer schuldhaften Verletzung der aus § 46 Abs. 4 Satz 1 BBG folgenden Pflicht setze nicht voraus, dass durch das Verhalten des Ruhestandsbeamten eine Verzögerung des Heilungsprozesses ernstlich zu besorgen ist. Das Berufungsurteil befasst sich - zutreffend - nicht mit der Frage, ob durch das Unterbleiben der geforderten Therapiemaßnahme der Heilungsprozessprozess unter Umständen verzögert wird, sondern mit den rechtlich relevanten Aspekten der Eignung sowie der Zumutbarkeit der konkret dem Beklagten auferlegten Entgiftungs-, Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung (Rn. 68 f.).
Rz. 22
4. Einige der Verfahrensrügen des Beklagten sind begründet (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) und führen zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Rz. 23
a) Begründet ist die der Sache nach erhobene Verfahrensrüge, das Oberverwaltungsgericht habe durch die Annahme, der Beklagte habe durch jahrelange Dauermedikation von Oxycodon und Citalon nach den Feststellungen des ärztlichen Dienstes eine Medikamentenabhängigkeit entwickelt, gegen § 3 BDG und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO und damit zugleich gegen das aus § 3 BDG und § 86 Abs. 1 VwGO abgeleitete Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs verstoßen.
Rz. 24
Nach der für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts setzt die Rechtmäßigkeit der Verpflichtung zur Durchführung der Behandlung in der Anordnung vom 25. Februar 2015 in materiell-rechtlicher Hinsicht voraus, dass der Beklagte im "angeschuldigten Zeitraum" durchgängig dienstunfähig war. Die dauernde Dienstunfähigkeit leitet das Berufungsgericht aus der nach seiner Ansicht erwiesenen langjährigen Medikamentenabhängigkeit des Beklagten ab.
Rz. 25
aa) Ohne Erfolg bleibt die insoweit ausdrücklich erhobene Verfahrensrüge des Beklagten, die entscheidungserhebliche Annahme des Berufungsgerichts, der ärztliche Dienst der Bundeswehr habe beim Beklagten eine Medikamentenabhängigkeit festgestellt, beruhe auf einer unzutreffenden Annahme des Gerichts und verletze damit das rechtliche Gehör des Beklagten.
Rz. 26
Es wird in der Beschwerdebegründung nicht i. S. v. § 69 BDG und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO im Hinblick auf den geltend gemachten Verstoß des Berufungsgerichts gegen das Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) näher bezeichnet, inwieweit das Oberverwaltungsgericht bei seiner Feststellung der Dienstunfähigkeit des Beklagten im Zeitraum vom 6. Februar 2015 bis zum 7. Juli 2017 erhebliches Vorbringen des Beklagten übergangen oder Unterlagen verwendet hat, zu denen sich der Beklagte zuvor nicht hatte äußern können.
Rz. 27
bb) Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung zum Aspekt der Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials hinsichtlich der Frage der Dienstunfähigkeit des Beklagten lässt sich - zugunsten - des Beklagten der Geltendmachung eines Verstoßes gegen § 3 BDG und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zuordnen. Diese Rüge ist begründet.
Rz. 28
Gemäß § 3 BDG und § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Einhaltung der sich daraus ergebenden verfahrensmäßigen Verpflichtungen ist nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter eine aus seiner Sicht fehlerhafte Verwertung des vorliegenden Tatsachenmaterials rügt, aus dem er andere Schlüsse ziehen will als das angefochtene Urteil. Denn damit wird ein (vermeintlicher) Fehler in der Beweiswürdigung angesprochen. Solche Fehler sind revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen und können einen Verfahrensmangel i. S. v. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO deshalb grundsätzlich nicht begründen.
Rz. 29
Eine Ausnahme kommt nur bei Mängeln in Betracht, die allein die Tatsachenfeststellung und nicht auch die Subsumtion unter die materiell-rechtliche Norm betreffen. Das kommt bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht, etwa bei denkfehlerhaften, aus Gründen der Logik schlechterdings unmöglichen oder sonst willkürlichen Schlussfolgerungen von Indizien auf Haupttatsachen (stRspr; vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 ≪273 f.≫; Beschlüsse vom 6. März 2008 - 7 B 13.08 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 und vom 22. Mai 2008 - 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 22 f.). Die Voraussetzungen der Verfahrensrüge der aktenwidrigen Feststellung des Sachverhalts sind hier erfüllt.
Rz. 30
Diese Verfahrensrüge bedingt die schlüssig vorgetragene Behauptung, zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, sodass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf; der Widerspruch muss also "zweifelsfrei" sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338; Beschlüsse vom 19. November 1997 - 4 B 182.97 - Buchholz 406.11 § 153 BauGB Nr. 1 und vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226 f.).
Rz. 31
Die materiell-rechtliche Rechtmäßigkeit der Therapieauflage begründet das Oberverwaltungsgericht mit der auf die langjährige Medikamentenabhängigkeit des Beklagten zurückzuführenden Dienstunfähigkeit. Die Medikamentenabhängigkeit des Beklagten leitet das Berufungsgericht in erster Linie aus entsprechenden Feststellungen des ärztlichen Dienstes der Bundeswehr ab. In der Beschwerdebegründung wird zutreffend dargelegt, dass den schriftlichen Stellungnahmen des ärztlichen Dienstes der Bundeswehr eine solche ausdrückliche Feststellung nicht zu entnehmen ist.
Rz. 32
Zwar führt die Medizinaldirektorin Dr. B. sowohl in ihren handschriftlichen Aufzeichnungen über die Untersuchung des Beklagten vom 13. Januar 2017 (Gesundheitsakte S. 35 f.) als auch in ihrer E-Mail vom 8. Juli 2020 (Gesundheitsakte S. 1) aus, dass sich der Beklagte "durchaus als schmerzmittelabhängig" gesehen habe. Dabei handelt es sich aber lediglich um die Wiedergabe der subjektiven Einschätzung des Beklagten. In der E-Mail vom 8. Juli 2020 (Gesundheitsakte S. 20) erläutert Frau Dr. B. auch ihre vertrauensärztliche Stellungnahme vom 16. Januar 2017 (Gesundheitsakte S. 31 und 33). Sie macht in der E-Mail vom 8. Juli 2020 aber deutlich, in ihrer Stellungnahme vom 13. Januar 2017 selbst nicht von einer Abhängigkeitserkrankung gesprochen zu haben, weil ihr wegen der fehlenden Mitwirkung des Beklagten keine Befunde vorgelegen hätten. Im Anschluss an allgemeine Ausführungen zu den vom Beklagten regelmäßig eingenommenen Medikamenten spricht Frau Dr. B. mehrfach von einem Verdacht auf eine Abhängigkeitserkrankung (Medikamentenmissbrauch).
Rz. 33
cc) Eine "aktenwidrige" Feststellung eines nach Rechtsauffassung des Berufungsgerichts entscheidungserheblichen Umstands begründet nicht nur einen Verstoß gegen den Grundsatz der freien Beweiswürdigung, sondern verletzt zugleich das aus § 3 BDG und § 86 Abs. 1 VwGO folgende Gebot der sachgerechten Ausschöpfung des vorhandenen Prozessstoffs (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2021 - 1 C 30.20 - BVerwGE 173, 37 Rn. 47 und Beschlüsse vom 2. November 1999 - 4 BN 41.99 - UPR 2000, 226 f., vom 31. Mai 2010 - 4 BN 15.10 - Rn. 8, vom 12. Dezember 2019 - 2 B 3.19 - Rn. 12 und vom 10. Februar 2022 - 4 B 20.21 - Rn. 14).
Rz. 34
b) Begründet ist auch die Rüge, das Berufungsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt entgegen § 58 Abs. 1 BDG sowie § 3 BDG und § 86 Abs. 1 sowie § 96 Abs. 1 VwGO unzureichend aufgeklärt.
Rz. 35
aa) Zwar hat der Beklagte in der Berufungsverhandlung keinen unbedingten Beweisantrag gestellt, über den das Gericht nach § 3 BDG und § 86 Abs. 2 VwGO durch einen zu begründenden Beschluss hätte entscheiden müssen. Der Beklagte hatte nach den tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts im Berufungsverfahren lediglich schriftsätzlich die Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu seinem Gesundheitszustand angeregt. Auf diese Beweisanregung bezieht sich der in das Protokoll der Berufungsverhandlung aufgenommene Hinweis des Gerichts, "aus Sicht der berufsrichterlichen Mitglieder" sei "nach dem Ergebnis der Vorberatung die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht angezeigt".
Rz. 36
In der Beschwerdebegründung wird aber dargelegt, dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der weiteren Sachaufklärung zumindest durch die Vernehmung der Ärztinnen des ärztlichen Dienstes der Bundeswehr, die den Beklagten im Verfahren persönlich untersucht und die vom Oberverwaltungsgericht für seine Überzeugungsbildung maßgeblich herangezogenen Berichte erstellt hatten, auch ohne einen darauf bezogenen unbedingten Beweisantrag hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 ≪217 f.≫ und Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n. F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14, vom 29. März 2017 - 2 B 26.16 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 13 Rn. 7 f. und vom 10. Dezember 2020 - 2 B 6.20 - NVwZ-RR 2021, 469 Rn. 7 f.). Insoweit wird in der Beschwerdebegründung zu Recht auf die Ungenauigkeiten des Berufungsgerichts bei der Auswertung der schriftlichen Stellungnahmen der Ärztinnen der Bundeswehr verwiesen.
Rz. 37
bb) Aus § 96 Abs. 1 Satz 1 VwGO, wonach das Gericht Beweis in der mündlichen Verhandlung erhebt, lassen sich auch Maßstäbe für die Auswahl zwischen mehreren zur Verfügung stehenden Beweismitteln entnehmen (materielle Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme). § 96 Abs. 1 VwGO soll sicherstellen, dass das Gericht seiner Entscheidung das in der jeweiligen prozessualen Situation geeignete und erforderliche Beweismittel zugrunde legt, um dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs, dem Gebot des fairen Verfahrens und insbesondere dem Recht der Verfahrensbeteiligten auf Beweisteilhabe gerecht zu werden. Dagegen lässt sich dem Grundsatz der materiellen Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme allerdings nicht ein abstrakter Vorrang bestimmter - etwa unmittelbarer oder "sachnäherer" - Beweismittel vor anderen - mittelbaren oder weniger "sachnahen" - entnehmen. Vielmehr hängt es von der jeweiligen prozessualen Situation ab, ob ein mittelbares Beweismittel oder ob das unmittelbare Beweismittel zu nutzen ist.
Rz. 38
Die Sachaufklärung soll in einer Art und Weise durchgeführt werden, die zu einer vollständigen und zutreffenden tatsächlichen Entscheidungsgrundlage führt und es zugleich jedem Verfahrensbeteiligten ermöglicht, auf die Ermittlung des Sachverhalts Einfluss zu nehmen. Das Recht eines Verfahrensbeteiligten, im Rahmen eines geordneten Verfahrens an der Sachaufklärung durch das Gericht teilzuhaben, ist unter dem Gesichtspunkt des fairen Verfahrens (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG) geboten, insbesondere wenn aus den vom Gericht ermittelten Tatsachen nachteilige Folgen für diesen Verfahrensbeteiligten gezogen werden können. Ihm muss deshalb die Möglichkeit eingeräumt sein, an der Erhebung von Beweisen mitzuwirken, um sich ein eigenes Bild von den Beweismitteln machen zu können, sein Fragerecht auszuüben und durch eigene Anträge der Beweiserhebung ggf. eine andere Richtung zu geben. Aus dem Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) folgt darüber hinaus, dass der Verfahrensbeteiligte hinreichend Gelegenheit haben muss, sich mit den Ergebnissen der Beweisaufnahme auf der Grundlage eines eigenen unmittelbaren Eindrucks auseinanderzusetzen und ggf. dazu Stellung zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Dezember 2005 - 2 A 4.04 - Buchholz 235.1 § 24 BDG Nr. 1, vom 24. September 2009 - 2 C 80.08 - BVerwGE 135, 24 und vom 28. Juli 2011 - 2 C 28.10 - BVerwGE 140, 199 Rn. 16 ff.).
Rz. 39
Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht ausgehend vom objektiven Gehalt der Stellungnahmen der Ärztinnen des ärztlichen Dienstes der Bundeswehr diese in der Berufungsverhandlung zu der nach seiner Rechtsansicht entscheidungserheblichen Frage einer Betäubungsmittelabhängigkeit des Beklagten anhören müssen. Bei der mündlichen Anhörung der Ärztinnen wäre auch der Frage nachzugehen gewesen, ob die Erkenntnisse über die Wirkungsweise des Opioid-Analgetikums "Oxycodon" in erster Linie auf das im Internet zugängliche Arzneimittelverzeichnis "Gelbe Liste Pharmindex" gestützt werden kann.
Rz. 40
cc) Die in der Beschwerdebegründung angegriffenen Erwägungen des Berufungsgerichts zur Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens (UA S. 30) zum Gesundheitszustand des Beklagten verstoßen durch eine vorweggenommene Beweiswürdigung gegen § 3 BDG und § 86 Abs. 1 VwGO.
Rz. 41
Das Oberverwaltungsgericht hat darauf abgestellt, ein von ihm bestellter Sachverständiger würde hinsichtlich des Gesundheitszustands des Beklagten aller Voraussicht nach nicht zu einem anderen Ergebnis kommen als diejenigen Ärztinnen der Bundeswehr, die den Beklagten persönlich untersucht und die in der Gesundheitsakte befindlichen Stellungnahmen verfasst hatten. Denn der gerichtlich bestellte Sachverständige sei auf die Auswertung der aus der Gesundheitsakte zu entnehmenden Anknüpfungstatsachen beschränkt und es bestehe nach den Umständen des Falls kein greifbarer Ansatzpunkt für eine Fehlerhaftigkeit der Begutachtungen des Beklagten durch den ärztlichen Dienst der Bundeswehr. Neben der Vorwegnahme der Beweiswürdigung ist zu beanstanden, dass nicht dargelegt wird, woraus sich die medizinische Sachkunde des Gerichts ergibt, um die Richtigkeit der Begutachtungen der Gesundheit des Beklagten durch Mitarbeiterinnen des ärztlichen Dienstes der Bundeswehr beurteilen zu können. Ergänzt werden die Überlegungen durch einen hier nicht sachgerechten Hinweis zum höheren Beweiswert der Begutachtungen des ärztlichen Dienstes der Bundeswehr. Denn die Annahme eines höheren Beweiswerts der Beurteilung durch den ärztlichen Dienst wegen dessen größerer Unabhängigkeit und seiner Verpflichtung zur Unparteilichkeit bezieht sich auf die Situation, dass einer solchen Stellungnahme ein vom betroffenen Beamten vorgelegtes privatärztliches Attest entgegensteht.
Rz. 42
dd) Die Aussagen des Berufungsgerichts zur Eignung der dem Beklagten auferlegten stationären Therapie sowie zu den tatsächlichen Voraussetzungen der Bewertung der Zumutbarkeit dieser Entgiftungs-, Entzugs- und Entwöhnungsbehandlung im Hinblick auf eine mögliche Verschlechterung des Gesundheitszustands des Beklagten beruhen ebenfalls auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage (§ 58 Abs. 1 BDG und § 3 BDG und § 86 Abs. 1 VwGO); auch dieser Verfahrensmangel wird in der Beschwerdebegründung entsprechend § 69 BDG und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet.
Rz. 43
Insoweit hat das Oberverwaltungsgericht wiederum (UA S. 31 f.) maßgeblich auf die ergänzende Stellungnahme der Frau Dr. B. des ärztlichen Dienstes vom 8. Juli 2020 (Gesundheitsakte S. 2) abgehoben. In dieser Äußerung hat Frau Dr. B. ihre Aussage zu einer "stationären Behandlung und/oder Rehabilitationsmaßnahme" in ihrer vertrauensärztlichen Stellungnahme vom 16. Januar 2017 (Gesundheitsakte S. 31 und 33) näher erläutert. In dieser Stellungnahme im Anschluss an die Untersuchung des Beklagten vom 13. Januar 2017 hat Frau Dr. B. allerdings auch ausgeführt, zu einer stationären Behandlung und/oder Rehabilitationsmaßnahme "keine fachlich qualifizierte Empfehlung abgeben" zu können, weil ihr "keine fachärztlichen Befunde oder Expertisen vorliegen". Ferner findet sich im Bericht vom 16. Januar 2017 die Aussage, sie habe "die Frage geeigneter notwendiger Therapien und zumutbarer Rehabilitationsmaßnahmen ohne fachärztliche Expertise nicht abschließend klären" können. Zudem hat Frau Medizinaldirektorin W. in ihrer Stellungnahme vom 18. November 2014 (Gesundheitsakte S. 77) über die Untersuchung des Beklagten vom 9. September 2014 vermerkt, dass die bei dem Krankheitsbild des Beklagten notwendige multimodale Stufenbehandlung "z. T. zwingend stationär" ist.
Rz. 44
c) Unbegründet ist die Verfahrensrüge des Beklagten, das Berufungsgericht habe entgegen § 58 Abs. 1 BDG sowie § 3 BDG und § 86 Abs. 1 und § 96 Abs. 1 VwGO die dienstlichen Folgen der Therapieverweigerung durch den Beklagten nicht festgestellt. Denn die dienstlichen Folgen der Haltung des Beklagten sind nach der für das Vorliegen eines Verfahrensfehlers maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts für die Entscheidung unerheblich.
Rz. 45
Die Beschwerdebegründung orientiert sich in Bezug auf die Anforderungen an die Klärung des Sachverhalts ersichtlich an dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juli 1995 - 1 DB 14.95 -. In dessen Rn. 22 ist ausgeführt, im Rahmen der Beweisaufnahme sei auch zu klären, welche nach Zeitpunkt und Ausmaß konkretisierten dienstlichen Folgen durch die Therapieverweigerung eingetreten sind. Dieser Fall betrifft jedoch die Verweigerung einer Therapie durch einen aktiven Beamten. Unmittelbare Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hat die Weigerung des Beklagten, der wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden war, nicht.
Rz. 46
d) Unbegründet ist ferner die Rüge der aktenwidrigen Feststellungen hinsichtlich der Annahme des Oberverwaltungsgerichts zur Schuld des Beklagten, dieser habe nach den mehrfachen Hinweisen der Bundeswehr auf seine gesetzliche Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Wiedererlangung der Dienstfähigkeit zunächst auch Einsicht in die vom ärztlichen Dienst vorgesehene stationäre Stufentherapie gezeigt. Denn insoweit kann sich das Berufungsgericht z. B. auf die Stellungnahme der Frau Dr. B. vom 16. Februar 2015 (Gesundheitsakte S. 61) und auch auf die ergänzende Äußerung der Medizinaldirektorin W. vom 8. Juli 2020 (Gesundheitsakte S. 3) stützen.
Rz. 47
e) Ohne Erfolg bleibt auch die weitere Verfahrensrüge des Beklagten, das Oberverwaltungsgericht habe seinen für den Aspekt des Verschuldens relevanten Sachvortrag übergangen.
Rz. 48
Das Vorbringen, das Oberverwaltungsgericht hätte prüfen müssen, ob der Beklagte erkannt hatte oder hätte erkennen müssen, dass seinem Widerspruch gegen die Therapieauflage keine aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO zukam, zielt auf die Prüfung ab, ob der Beamte den Irrtum über die Rechtsfolgen seines Widerspruchs gegen die "Therapieauflage" hätte vermeiden können. Mit dem damit der Sache nach angesprochenen Aspekt eines möglichen Verbotsirrtums des Beklagten hat sich das Berufungsgericht befasst (Rn. 71 a. E.).
Rz. 49
f) Soweit in der Beschwerdebegründung der Aspekt der "Zustellung" des Schreibens des Bundesamts für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 30. Januar 2015 an den Beklagten angesprochen wird, wird nicht entsprechend § 69 BDG und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bezeichnet, welche Verfahrensnorm verletzt worden sein soll.
Fundstellen
Dokument-Index HI15627335 |