Verfahrensgang
VG Dresden (Entscheidung vom 04.04.2001; Aktenzeichen 14 K 3502/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 4. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 149 808 EUR (entspricht 293 000 DM) festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die vom Beklagten angeordnete Rückübertragung des Eigentums an einem mit einem Mehrfamilienhaus bebauten Grundstück an ihren Vater, den Beigeladenen. Dieser hatte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 8. November 1989 an die Klägerin verkauft, die im Dezember 1989 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen wurde. Die Klägerin hat sich darauf berufen, dass die Veräußerung durch ihren Vater nicht auf die beabsichtigte Ausreise aus der DDR zurückzuführen sei, sondern hierfür allein familiäre Gründe ausschlaggebend gewesen seien. Davon abgesehen hat sie einen redlichen Erwerb geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Weder rechtfertigt sich die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) noch kommt der Sache die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
1. Die Klägerin rügt als Verfahrensfehler, dass das Verwaltungsgericht die Anforderungen an die Erschütterung eines Anscheinsbeweises verkannt habe. Es sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Anscheinsbeweis erst erschüttert sei, wenn ein alternativer Geschehensablauf nachgewiesen werde. Mit dieser Rüge kann die Klägerin nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erreichen.
Zum einen würde das Urteil des Verwaltungsgerichts nicht auf dem vermeintlichen Verfahrensfehler beruhen. Zwar enthält es den Satz, die Verneinung der Kausalität des staatlichen Veräußerungsdrucks hätte den Nachweis verlangt, dass der Beigeladene das Eigentum an dem Grundstück unabhängig von dem durch seine Ausreiseabsicht hervorgerufenen Druck aufgeben wollte. Wie die weiteren Ausführungen in dem Urteil zeigen, ist das Verwaltungsgericht aber zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anscheinsbeweis erschüttert ist, wenn die ernstliche und nahe liegende Möglichkeit eines vom typischen Sachverhalt abweichenden Geschehens- oder Ursachenverlaufs besteht. Es hat die Erschütterung des Anscheinsbeweises wegen des Fehlens konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte und damit der ernsthaften Möglichkeit verneint, dass der Verkauf des Grundstücks ausschließlich auf andere Gründe als den staatlichen Verkaufsdruck zurückzuführen sei.
Eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO scheidet aber auch deshalb aus, weil die Rüge der Klägerin einen Fehler in der Beweiswürdigung zum Gegenstand hat und derartige Fehler revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen sind (Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ Nr. 26 S. 15 m.w.N.). Demgemäß kann mit einem Verstoß gegen Beweiswürdigungsgrundsätze wie Beweisregeln, die Denkgesetze und die allgemeinen Erfahrungssätze ein Verfahrensmangel nicht begründet werden; zu den Beweiswürdigungsgrundsätzen gehören auch die Regeln des Anscheinsbeweises. Aus diesem Grund greift auch die weitere Rüge der Klägerin nicht durch, dass das Verwaltungsgericht einen Erfahrungssatz zugrunde gelegt habe, der für den vorliegenden Fall nicht gelte. Ebenso wie ein Verstoß der vom Tatsachengericht vorgenommenen Beweiswürdigung gegen einen Erfahrungssatz ist auch die unzutreffende Annahme eines Erfahrungssatzes eine Frage des sachlichen Rechts.
2. Die Rechtssache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
a) Die Klägerin möchte sinngemäß geklärt wissen, ob die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG, dass die Vorschrift auf den Erwerb von einem privaten Verkäufer keine Anwendung findet, mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG gilt der Ausschluss des redlichen Erwerbs beim Abschluss des Rechtsgeschäfts nach dem 18. Oktober 1989 nicht, wenn der Erwerb vor dem 19. Oktober 1989 schriftlich beantragt oder sonst aktenkundig angebahnt worden ist. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Es ist, wie die Beschwerde nicht verkennt, in ständiger Rechtsprechung des Senats geklärt, dass § 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a VermG nur den Erwerb aus staatlicher Hand erfasst (z.B. Urteil vom 29. April 1999 – BVerwG 7 C 24.98 – Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 6; Urteil vom 5. April 2001 – BVerwG 7 C 15.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 16). Das Beschwerdevorbringen gibt keine Veranlassung, diese Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Überprüfung zu unterziehen. Die Auffassung der Beschwerde, dass keine vernünftigen Gesichtspunkte ersichtlich seien, die eine Ungleichbehandlung des Erwerbs aus privater Hand rechtfertigen könnten, geht fehl. Die unterschiedliche Behandlung hat, wie der Senat in den genannten Entscheidungen dargelegt hat, ihren Grund in der besonderen Schutzbedürftigkeit des Erwerbers beim Erwerb aus staatlicher Hand, die beim Erwerb von einem privaten Veräußerer nicht in gleicher Weise besteht. Die besondere Schutzwürdigkeit beruht auf der Abhängigkeit des Erwerbers von der von ihm nicht (mehr) zu beeinflussenden Entscheidung des Staates über seinen Erwerbswunsch. Die Anwendung der Vorschriften über den redlichen Erwerb soll nicht daran scheitern, dass sich der Erwerb wegen eines schwerfälligen Verfahrensablaufs oder wegen Nachlässigkeit der entscheidenden Behörde bis in die Zeit nach dem Stichtag verzögerte. Hinzu kommt Folgendes: Wie sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift ergibt, hatte der Gesetzgeber Erwerbsfälle nach dem Gesetz über den Verkauf volkseigener Gebäude vom 7. März 1990 (GBl DDR I S. 157) im Blick. Das Gesetz zielt mithin auf die Veräußerungen volkseigenen Grund und Bodens, der sich zwar nicht selten in privater Hand befunden hatte, so dass sich für diese Fälle eine mögliche Restitutionslage abzeichnete. Gleichwohl soll hier das Restitutionsinteresse des früheren Eigentümers hinter das Erwerbsinteresse des redlichen Erwerbs trotz des Abschlusses des Rechtsgeschäfts erst nach dem Stichtag zurücktreten, weil der Erwerber sein Erwerbsinteresse zu einem Zeitpunkt bekundet hat, zu dem sich der frühere Eigentümer noch keine konkrete Hoffnung auf Wiederherstellung seiner früheren Rechtsposition machen konnte. Dieser Grund für eine geringere Schutzwürdigkeit des Alteigentümers trifft aber gerade in den Fällen nicht zu, in denen – wie hier – zum Stichtag das Grundstück noch in seinem Eigentum stand (Urteil vom 5. April 2001 – BVerwG 7 C 15.00 – Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 16 m.w.N.).
b) Als klärungsbedürftig sieht die Klägerin ferner an, ob auch Erwerbsvorgänge innerhalb von Familien der Stichtagsregelung des § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG unterfallen. Diese Frage rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision; sie bedarf zu ihrer Klärung nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens. § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG findet nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf die Veräußerung von Privat an Privat Anwendung (z.B. Urteil vom 27. Oktober 1995 – BVerwG 7 C 56.94 – Buchholz 428 § 4 Nr. 24 S. 58 f.; Urteil vom 29. April 1999 – BVerwG 7 C 24.98 – Buchholz 428 § 4 Abs. 2 VermG Nr. 6 S. 18). Für eine Ausnahme der Erwerbsgeschäfte innerhalb einer Familie von der Stichtagsregelung bietet weder der Wortlaut der Vorschrift Raum noch ist eine solche Ausnahme nach dem Sinn und Zweck der Regelung gerechtfertigt. § 4 Abs. 2 Satz 2 VermG kommt nur zur Anwendung, wenn das dem Erwerb zugrunde liegende Rechtsgeschäft „ohne Zustimmung des Berechtigten” abgeschlossen wurde. Beim Erwerb von dem früheren Eigentümer selbst fehlte seine Zustimmung im Sinne dieser Vorschrift, wenn der Verkauf auf einer staatlichen Zwangseinwirkung beruhte, wie es der Fall ist, wenn der Ausreisewillige zur Erlangung der beantragten Ausreisegenehmigung die Veräußerung seines Grundeigentums vornehmen musste (Urteil vom 29. April 1999 – BVerwG 7 C 24.98 – Buchholz a.a.O., S. 19). Dem Familienangehörigen, der sein Grundeigentum unter staatlicher Zwangseinwirkung verkaufen musste, die Restitution zu verweigern, rechtfertigt sich – ebenso wie bei sonstigen Erwerbsgeschäften unter Privaten – nur bei einem redlichen Erwerb des anderen Familienangehörigen. Dann muss sich dieser Familienangehörige auch entgegenhalten lassen, dass ein auf gesetzliche Vorschriften der DDR gestütztes Vertrauen in den Fortbestand der nach dem Stichtag, aber vor In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes erworbenen Rechte nicht bestehen konnte (BVerfGE 101, 239 ≪267≫). Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt die Stichtagsregelung, soweit sie auf den Erwerb innerhalb der Familie Anwendung findet, nicht gegen Art. 6 GG. Die Beschwerde übersieht, dass nicht der Schutz der Familie in Frage steht. Zu klären ist vielmehr allein, wie in dieser vermögensrechtlichen Angelegenheit der Konflikt zweier Familienangehöriger zu lösen ist. Aus Art. 6 GG ergeben sich aber keine Maßstäbe dafür, ob dem Restitutionsinteresse des einen Familienangehörigen oder dem Interesse am Erhalt des Vermögensgegenstandes durch den anderen Familienangehörigen der Vorrang einzuräumen ist. Demgemäß argumentiert die Klägerin auch weniger vom Schutz der Familie her, sondern versucht zu begründen, warum ihr Vertrauen auf die Dauerhaftigkeit des Vertragsschlusses den Vorrang genießen soll; sie macht geltend, das Motiv der Veräußerung durch den Beigeladenen sei ausschließlich die verwandtschaftliche und familiäre Bindung gewesen. Dies hat das Verwaltungsgericht jedoch nicht festgestellt; vielmehr ist es davon ausgegangen, dass die Veräußerung – zumindest auch – auf staatlicher Zwangseinwirkung beruhte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 73 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Neumann
Fundstellen