Verfahrensgang
VG Chemnitz (Aktenzeichen 2 K 248/98) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 17. Dezember 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 400 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin beansprucht, daß frühere Unternehmensgrundstücke, die ihren ehemaligen Mitgesellschaftern oder deren Rechtsnachfolgern zurückübertragen worden sind, auch an sie restituiert werden. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil die Klägerin aus dem Unternehmen noch vor dessen Enteignung freiwillig ausgeschieden sei, so daß sie die Herausgabe ehemaligen Geschäftsvermögens nach § 6 Abs. 6 a Satz 1 des Vermögensgesetzes – VermG – unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt verlangen könne.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat keinen Erfolg.
Die von ihr als grundsätzlich bezeichnete Frage,
ob die Verordnung des Ministerrates der DDR über die Erhebung eines Zuschlages zur Einkommensteuer auf Einkünfte nichttätiger Gesellschafter vom 15.12.1970 eine im Zusammenhang mit dem Beschluß des Präsidiums des Ministerrates vom 09.02.1972 stehende Regelung im Sinne des § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG darstelle, wenn die Verordnung vom 15.12.1970 nur scheinbar freiwillig zur Kündigung von Geschäftsanteilen geführt habe,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, weil ihre Verneinung auf der Hand liegt.
Die Regelung des § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG beschränkt sich ausdrücklich auf Vermögenswerte, die „auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 9. Februar 1972 und im Zusammenhang stehender Regelungen in Volkseigentum übergeleitet wurden”. Unter diese Regelungen fällt die in Rede stehende Verordnung vom 15. Dezember 1970 (GBl II, S. 712) offenkundig nicht; denn es handelt sich um eine bereits früher erlassene steuerrechtliche Vorschrift, die nicht der Umsetzung des genannten Ministerratsbeschlusses diente, sondern darauf ausgerichtet war, die Gewinne nichttätiger Gesellschafter zu beschneiden. Daß die zunehmenden Benachteiligungen privater Gesellschafter und ihrer Mitglieder im Vorfeld dieses Ministerratsbeschlusses nicht von § 1 Abs. 1 Buchst. d VermG erfaßt werden, verdeutlicht auch die Regelung des § 6 Abs. 5 c Satz 1 VermG; denn sie ordnet die erzwungene Einräumung einer staatlichen Beteiligung, die der Enteignung nach dem Ministerratsbeschluß regelmäßig vorausging, nicht diesem Schädigungstatbestand, sondern dem des § 1 Abs. 3 VermG zu.
Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man die von der Klägerin gestellte Frage unter dem Blickwinkel des allein rechtlich in Betracht kommenden Schädigungstatbestandes stellt, mit anderen Worten dahin versteht, ob die durch den Erlaß der erwähnten Verordnung veranlaßte Aufgabe von Gesellschaftsanteilen als Schädigungsmaßnahme im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG anzusehen ist. Diese Frage ginge bereits daran vorbei, daß nach dem eigenen Vortrag der Klägerin (S. 4 ihrer Beschwerdebegründung) nicht der Zuschlag zur Einkommensteuer als solcher, sondern die durch die Gesellschafter beschlossene Erhöhung der Kapitaleinlagen, der sie sich nicht anschließen wollte und die daher zu einer von ihr nicht akzeptierten Verringerung ihres prozentualen Gesellschaftsanteils geführt hätte, zur Aufgabe ihrer Gesellschafterstellung geführt hat. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, daß die Verordnung vom 15. Dezember 1970 oder ihre Anwendung machtmißbräuchlichen Charakter im Sinne des § 1 Abs. 3 VermG hatte. Die Höhe des mit ihr eingeführten Zuschlages zur Einkommensteuer auf Einkünfte nichttätiger Gesellschafter ergab sich nach § 2 der Verordnung aus der Differenz zwischen dem nach Abzug der Einkommensteuer verbleibenden Einkommen aus der Gewinnbeteiligung und 5 % des jeweils am 1. Januar des betreffenden Jahres vorhandenen Gesellschafteranteils bzw. der Gesellschaftereinlage; weggesteuert wurde demnach der Gewinn, der 5 % des Gesellschafteranteils überstieg. Nach § 3 der Verordnung gab es eine Befreiungsmöglichkeit für Gesellschafter, die aus Altersgründen oder infolge Invalidität nicht mehr berufstätig waren. Gegenstand und Zielrichtung der Verordnung entsprachen den seinerzeitigen ideologischen Grundvorstellungen, ohne einen darüber hinausgehenden diskriminierenden Charakter aufzuweisen. Es ist auch weder vorgetragen worden noch ersichtlich, daß die Vorschriften der Verordnung in manipulativer Weise zu konfiskatorischen Zwecken eingesetzt wurden.
Die weitere von der Klägerin als grundsätzlich bezeichnete Frage,
ob die Mißachtung einer angeordneten Nacherbfolge hinsichtlich des gesamten Betriebsvermögens sowie gleichzeitig eingebrachter Darlehensbeträge einer Minderjährigen eine Maßnahme im Sinne des § 1 VermG darstelle, wenn im Rahmen der Überleitung der Vermögenswerte in Volkseigentum auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrats vom 09.02.1972 keine Entschädigungsleistung geflossen sei,
knüpft an einen Sachverhalt an, zu dem entsprechende Feststellungen im Urteil des Verwaltungsgerichts fehlen. Schon aus diesem Grunde scheidet eine Zulassung wegen rechtsgrundsätzlicher Bedeutung aus. Abgesehen davon sind die Ausführungen in der Beschwerdebegründung auch in der Sache nicht nachvollziehbar. Der Nacherbfall war mit dem Tode des Vaters der Klägerin eingetreten; den ihr dadurch zugewachsenen Gesellschafteranteil hat die Klägerin jedoch gekündigt. Schon aus diesem Grunde kann von einer „Mißachtung einer angeordneten Nacherbfolge” offenkundig keine Rede sein. Aus dem von der Klägerin mit der Klageschrift vorgelegten Erbauseinandersetzungsvertrag ergibt sich zudem, daß der der Klägerin als Erbin nach ihrer Großmutter zugewachsene Anteil am Betriebsvermögen in ein Darlehen umgewandelt wurde. Dementsprechend hat zu keiner Zeit ein Entzug von Gesellschaftsanteilen der Klägerin stattgefunden, der im Rahmen der Rückgabe des Unternehmens bzw. seiner Reste wiedergutzumachen wäre (vgl. § 6 Abs. 6 Satz 4 VermG). Daß die Klägerin wegen ihres in die Gesellschaft eingebrachten Darlehens nicht entschädigt worden ist, ist im Rahmen der hier vorliegenden Restitution von Unternehmensresten ersichtlich ohne Belang.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei hat der Senat – wie offenbar schon das Verwaltungsgericht – berücksichtigt, daß sich der Wert der umstrittenen Grundstücke, der nach den Angaben der Klägerin nach Abzug von Rückzahlungs- und Ablösungsbeträgen etwa 745 000 DM betrug und von dem sie 3/8 beansprucht, sich infolge der Investitionen der Beigeladenen in Höhe von 400 000 DM inzwischen beträchtlich erhöht haben dürfte.
Unterschriften
Dr. Franßen, Dr. Bardenhewer, Kley
Fundstellen