Tenor
Die Beteiligungserklärung des Vertreters des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin ist eine Gemeinde in Nordrhein-Westfalen. Sie beschloß im Juni 1989 Änderungen ihres Flächennutzungsplans. Im April 1991 bat sie die höhere Verwaltungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 BauGB um Genehmigung der Änderungen. Diese wurde versagt. Der eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Die dagegen gerichtete Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab. Hingegen hatte die Berufung der Klägerin teilweise Erfolg. Das Berufungsgericht verpflichtete die beklagte Bezirksregierung, die Änderung des Flächennutzungsplans hinsichtlich bestimmter Flächen zu genehmigen. Im übrigen wurde die Klageabweisung bestätigt. Das Berufungsgericht hat die Revision ohne Einschränkung zugelassen. Es hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, ob der Änderung eines Flächennutzungsplans Festsetzungen einer Landschaftsschutzverordnung entgegenstehen können und dies damit zur Versagung der Genehmigung führen müsse.
Das Berufungsurteil wurde der Klägerin am 3. Februar 1999, der Beklagten am 10. Februar 1999 zugestellt. Die Beklagte hat Revision eingelegt. Mit Schreiben vom 8. April 1999 hat der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht seine Beteiligung am Verfahren erklärt, hilfsweise die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Die übrigen Beteiligten haben sich zu dem Begehren des Vertreters des öffentlichen Interesses nicht geäußert. Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hat sich eine Beteiligung am Verfahren derzeit vorbehalten.
Entscheidungsgründe
II.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen ist im anhängigen Revisionsverfahren nicht beteiligt. Die mit Schriftsatz vom 8. April 1999 erklärte Beteiligung besitzt keine Rechtsgrundlage. Die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht.
1. Der Vertreter des öffentlichen Interesses ist gemäß § 63 Nr. 4 VwGO nur dann am Verfahren beteiligt, wenn er von seiner Beteiligungsbefugnis Gebrauch macht. Unter dieser Voraussetzung ist er auch befugt, alle Rechtsmittel zum Bundesverwaltungsgericht einzulegen oder sich an dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in anderer Weise zu beteiligen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 14. November 1955 – BVerwG Gr. Sen. 2.55 – BVerwGE 2, 321; Beschluß vom 24. Oktober 1966 – BVerwG Gr. Sen. 3.65 – BVerwGE 25, 170 ≪171≫). Von seiner Beteiligungsbefugnis kann der Vertreter des öffentlichen Interesses allerdings grundsätzlich nur bis zum Abschluß des Verfahrens bei dem Gericht Gebrauch machen, bei dem er bestellt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1992 – BVerwG 1 C 38.90 – BVerwGE 90, 337 ≪339≫).
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat bis zum Erlaß des Berufungsurteils nicht erklärt, er wolle sich am Verfahren beteiligen. Er hat mit Schreiben an den Präsidenten des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1993 eine an bestimmte Maßgaben geknüpfte allgemeine Verzichtserklärung über seine Beteiligung an Verwaltungsstreitverfahren abgegeben. Der vorliegende Streitfall wird hiervon erfaßt. Demgemäß hat das Berufungsgericht davon abgesehen, den Vertreter des öffentlichen Interesses von dem anhängigen Verfahren zu unterrichten.
2. Die Erklärung der Beteiligung kann der Vertreter des öffentlichen Interesses nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nach Verkündung oder Zustellung des Berufungsurteils nachholen, wenn die Einlegung des Rechtsmittels beabsichtigt ist und die Rechtsmittelfrist für die anderen Beteiligten noch nicht abgelaufen ist (BVerwG, Urteil vom 29. August 1963 – BVerwG 8 C 59.62 – BVerwGE 16, 265 ≪268≫; Beschluß vom 28. November 1983 – BVerwG 9 B 2597.82 – Buchholz 402.25 § 5 AsylVfG Nr. 83). Nach Ablauf der Rechtsmittelfrist ist es für den Vertreter des öffentlichen Interesses ausgeschlossen, die erstmalige Beteiligung durch das Rechtsmittel der Anschlußrevision zu erreichen. Eine von der Einlegung eines Rechtsmittels unabhängige Beteiligungsmöglichkeit des Vertreters des öffentlichen Interesses besteht nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1992 – a.a.O. S. 339 f.; vgl. ferner BVerwG, Beschluß vom 30. Januar 1997 – BVerwG 4 B 172.96 – NVwZ-RR 1997, 519).
Innerhalb der Revisionsfrist hat der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen gegenüber dem Bundesverwaltungsgericht eine Beteiligung nicht erklärt.
3. Die hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kommt nicht in Betracht. Dahinstehen kann, ob einem Vertreter des öffentlichen Interesses überhaupt die Möglichkeit eröffnet ist, eine Säumnis durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beseitigen. Die von dem Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vorgetragenen Gründe rechtfertigen jedenfalls im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 VwGO keine Wiedereinsetzung.
3.1 Als Grund wird vorgetragen, die verspätete Beteiligung beruhe auf einem Fehler der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts. Diese habe dem Vertreter des öffentlichen Interesse keine Ausfertigung des Berufungsurteils übersandt. Dies hätte jedoch gemäß der erwähnten allgemeinen Erklärung über den Verzicht auf eine Beteiligung vom 22. März 1993 erfolgen müssen.
Dieses Vorbringen ergibt keinen Wiedereinsetzungsgrund. Dabei kann offenbleiben, ob das Vorbringen den Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 VwGO genügt. Der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Ursachen für die geltend gemachte Säumnis selbst gesetzt. Er hat sich durch seine allgemeine Verzichtserklärung dafür entschieden, sich am Verfahren nicht zu beteiligen. Er hat damit bekundet, daß aus seiner Sicht der Streitfall seine Beteiligung “zur Wahrung des öffentlichen Interesses” nicht erfordere. Damit hat er verneint, daß Verfahren der vorliegenden Art ihm Anlaß bieten können, sich selbst über aufgeworfene Rechtsfragen zu informieren und an ihrer sachgerechten Beantwortung mitzuwirken. Vielmehr ergibt seine Verzichtserklärung, daß er es als ausreichend angesehen hat, daß das öffentliche Interesse von der beklagten Bezirksregierung gewahrt wird.
Wenn der Vertreter des öffentlichen Interesses in der vorgelegten allgemeinen Erklärung vom 22. März 1993 das Gericht darum bittet, auch bei Verzicht auf Beteiligung ihm die Urteile, die das Verfahren beenden, formlos zu übersenden, so ist dies ein Wunsch, der auf eine allgemeine Information zielt. Denn anders als bei den Verfahrensbeteiligten wird die Entscheidung nicht förmlich zugestellt, sondern formlos – also nur zur allgemeinen Kenntnis – übersandt. Würde man bei “Mängeln” in dieser Verfahrensweise der Unterrichtung einen hinreichenden Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sehen, dann würde zugunsten des Vertreters des öffentlichen Interesses jene Rechtssicherheit in Zweifel gezogen werden, die den vom Gesetz vorgesehenen Rechtsmittelfristen innewohnt und die jeder andere Verfahrensbeteiligte selbstverständlich zu beachten hat. Damit würde die von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits zugunsten des Vertreters des öffentlichen Interesses ermöglichte nachträgliche Beteiligung innerhalb der Rechtsmittelfrist der anderen Beteiligten nochmals erweitert werden. Dafür fehlt es an einem tragfähigen Grund. Die durch die allgemeine Verzichtserklärung beabsichtigte Verfahrensvereinfachung darf nicht dazu führen, daß die Frage der formellen Rechtskraft mit Unsicherheiten belastet wird, die der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund unweigerlich mit sich bringt. Dem läßt sich nicht entgegenhalten, daß im vorliegenden Fall die Beteiligung nur für ein bereits anhängiges Revisionsverfahren erstrebt wird. Es ist bereits entschieden worden, daß dem Vertreter des öffentlichen Interesses nach Ablauf der Revisionsfrist eine Anschlußrevision versagt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. August 1992 – a.a.O. –). Daran ist festzuhalten.
3.2 Als weiterer Grund wird vorgetragen, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – namentlich der bereits angeführte Beschluß des Senats vom 30. Januar 1997 – sei dem Vertreter des öffentlichen Interesses nicht bekannt gewesen. Damit wird als Grund der Wiedereinsetzung fehlende Rechtskenntnis vorgetragen. Dies stellt indes ganz allgemein keinen Wiedereinsetzungsgrund dar. Daß die entsprechenden Rechtskenntnisse gerade dem Vertreter des öffentlichen Interesses für seine ihm zustehenden Befugnisse ohne weiteres erreichbar waren, braucht hier nicht weiter erörtert zu werden.
Unterschriften
Berkemann, Halama, Rojahn
Fundstellen