Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 09.10.2007; Aktenzeichen 1 LB 6/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos.
1. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Die Beschwerde möchte grundsätzlich geklärt wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Nachbar einen Rechtsanspruch auf Erlass einer bauordnungsrechtlichen Anordnung hat. Vor dem Hintergrund des vorliegenden Streitfalls zielt diese Frage auf die Klärung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines nachbarrechtlichen Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten auf der Grundlage des § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO. Unter welchen Voraussetzungen einem Grundstückseigentümer ein Anspruch auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände in der Nachbarschaft zusteht, beurteilt sich somit nach einer Vorschrift des irrevisiblen Landesrechts. Fragen zur Auslegung und Anwendung von Landesrecht sind in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Das Vorbringen der Beschwerde, mit seiner Auslegung und Anwendung des § 89 Abs. 1 Satz 1 NBauO verletze das Berufungsgericht das Eigentumsgrundrecht (Art. 14 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG), den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Die Verletzung von Bundesrecht bei der Auslegung und Anwendung von Landesrecht vermag die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt. Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die Beschwerde am Maßstab des Bundesrechts die Auslegung von Landesrecht durch das Berufungsgericht anzweifelt (Beschluss vom 11. März 1998 – BVerwG 8 BN 6.97 – NVwZ 1998, 952; stRspr). Eine revisionsgerichtlich klärungsbedürftige Frage des Bundesrechts wirft die Beschwerde nicht auf.
2. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.
2.1 § 86 Abs. 2 VwGO ist nicht verletzt. Das Berufungsgericht hat den in der mündlichen Verhandlung vom 9. Oktober 2007 gestellten Hauptbeweisantrag der Klägerin, “zu der Lärm- und Geruchssituation Sachverständigengutachten einzuholen”, ausweislich der Sitzungsniederschrift durch Beschluss, der näher begründet worden ist, abgelehnt. Darin liegt entgegen dem Beschwerdevorbringen auch keine Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beweisantrag ist unsubstantiiert. Er ist so unbestimmt, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann. Beweisanträgen, die erst der Beschaffung beweiserheblicher Tatsachen dienen sollen, indem pauschale, in ihrer Beweiserheblichkeit nicht einmal durch Anhaltspunkte näher belegte Beweisthemen zu ihrem Gegenstand gemacht werden, braucht ein Tatsachengericht nicht stattzugeben. Ein solcher Fall liegt hier vor. Dem trägt die Begründung des Berufungsgerichts, mit der es den Beweisantrag ausweislich der Sitzungsniederschrift abgelehnt hat, ausreichend Rechnung. Die Klägerin selbst hat hieraus noch in der mündlichen Verhandlung am 9. Oktober 2007 rechtliche Folgerungen gezogen, indem sie das Beweisthema in den ersten beiden ihrer hilfsweise gestellten Beweisanträge konkretisiert hat.
2.2 Das Berufungsgericht hat auch den Antrag, Beweis darüber zu erheben, dass die Immissionen, welche vom Grundstück der Beigeladenen ausgehen, die für Mischgebiete geltenden Werte übersteigen, nicht verfahrensfehlerhaft abgelehnt. Die Ausführungen auf S. 8 der Urteilsabschrift verletzen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht. Das Berufungsgericht hat eine weitere Sachverhaltsaufklärung in der von der Klägerin bezeichneten Richtung entscheidungstragend mit der Erwägung abgelehnt, dass der Gebietscharakter entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dem eines allgemeinen Wohngebiets oder eines Mischgebiets entspreche; es handele sich vielmehr um eine Gemengelage, die keinem der Gebietstypen nach den §§ 2 bis 9 BauNVO eindeutig zugeordnet werden könne, aber jedenfalls starke Gewerbeanteile aufweise (UA S. 8 ff.). In der Sache verneint das Berufungsgericht damit die Entscheidungserheblichkeit der mit dem vorgenannten Antrag unter Beweis gestellten Tatsache. Das rechtfertigt die Ablehnung des Beweisantrages. Die Kritik der Beschwerde an den Ausführungen der Vorinstanz zur Darlegungslast der Klägerin und zur Schallpegelmessung des Gewerbeaufsichtsamtes ist daher nicht geeignet, der Aufklärungsrüge zum Erfolg zu verhelfen. Von einer weiteren Erörterung des Beschwerdevorbringens sieht der Senat ab, da sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
2.3 Erfolglos bleibt schließlich die Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO), das Berufungsgericht habe den Gebietscharakter ohne Durchführung einer Ortsbesichtigung nur anhand von Plänen und Internetluftbildern festgelegt.
Lichtbilder und Lagepläne sind im Rahmen von § 86 Abs. 1 VwGO unbedenklich verwertbar, wenn sie die Örtlichkeiten in ihren für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Merkmalen so eindeutig ausweisen, dass sich der mit einer Ortsbesichtigung erreichbare Zweck mit ihrer Hilfe ebenso zuverlässig erfüllen lässt. Ist dies der Fall, so bedarf es unter dem Gesichtspunkt des Untersuchungsgrundsatzes keiner Durchführung einer Ortsbesichtigung. Das gilt dann nicht, wenn ein Beteiligter geltend macht, dass die Lichtbilder in Bezug auf bestimmte, für die Entscheidung wesentliche Merkmale keine Aussagekraft besitzen, und dies zutreffen kann (Urteil vom 14. November 1991 – BVerwG 4 C 1.91 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 236 = NVwZ-RR 1992, 227; stRspr).
Die vorinstanzliche Sachverhaltsaufklärung steht in Einklang mit diesen Grundsätzen. Die Beschwerde legt nicht dar, dass die vom Berufungsgericht verwerteten Luftbilder, die den Beteiligten zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung übersandt worden sind, keine verlässliche Grundlage zur Bestimmung des Gebietscharakters bilden. Die Beschwerde setzt sich auch nicht mit der Erwägung des Berufungsgerichts auseinander, eine Begehung des hier maßgeblichen Straßengevierts würde zwar weitere Details z.B. in Bezug auf Nutzungsanteile innerhalb einzelner Gebäudeteile oder die Geräuschsituation bestimmter Nutzungen erbringen; insgesamt erlaube jedoch gerade die durch die aktuellen Luftbilder vermittelte zusammenhängende “Draufsicht” auf das Quartier einen besseren Überblick über die Gesamtsituation als die Fußgängerperspektive (UA S. 9).
Soweit die Beschwerde geltend macht, die Einstufung des Gebietscharakters durch das Berufungsgericht sei “schlechterdings nicht haltbar”, greift sie die vorinstanzliche Sachverhaltswürdigung an. Mit derartigen Angriffen kann ein Verfahrensmangel i.S.d. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich nicht aufgezeigt werden. Fehler in der Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind – wenn sie denn vorlägen, wofür hier nichts spricht – revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem materiellen Recht zuzurechnen. Die von der Beschwerde gerügten Mängel bei der Sachverhaltswürdigung betreffen nicht den Verfahrensablauf, sondern die inhaltliche Richtigkeit der vorinstanzlichen Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Paetow, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Bumke
Fundstellen