Tenor

Dem Kläger, dem Beklagten und der Beigeladenen wird gemäß § 106 Satz 2 VwGO zur Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits folgender Vergleich vorgeschlagen:

Der Beklagte stellt den Kläger durch Zahlung entsprechend dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag klaglos.

Die Gerichtskosten des erledigten Verfahrens trägt der Beklagte; die außergerichtlichen Kosten trägt jeder Beteiligte selbst.

 

Gründe

Die Revision ist nach der den Beteiligten – soweit erschienen – in der mündlichen Verhandlung mitgeteilten Rechtsauffassung des Senats begründet, da dem Kläger der geltend gemachte Kostenerstattungsanspruch nach § 89d SGB VIII F. 1993 zusteht, und zwar ausgehend entweder von einer Zuständigkeit des Klägers nach § 86 Abs. 7 SGB VIII F. 1993 oder – alternativ – von seiner fortdauernden Leistungsverpflichtung nach § 86c SGB VIII.

Die Voraussetzungen des Kostenerstattungsanspruchs nach § 89d SGB VIII F. 1993 liegen vor. Dem in die Bundesrepublik Deutschland unbegleitet eingereisten, in Äthiopien geborenen Hilfeempfänger wurde innerhalb eines Monats nach der Einreise Jugendhilfe gewährt. Durch Entscheidung des Bundesverwaltungsamts vom 23. Oktober 1995 ist der Beklagte als zur Kostenerstattung verpflichteter überörtlicher Träger bestimmt worden. Der Kläger ist auch aktiv legitimiert, da er als örtlicher Jugendhilfeträger in Erfüllung seiner Aufgaben den Vorschriften des Achten Buches Sozialgesetzbuch entsprechend Leistungen erbracht und damit Kosten aufgewendet hat, so dass dem Gebot der Gesetzeskonformität in § 89f SGB VIII genügt ist.

Es kann für die Entscheidung des Falles offen bleiben, ob die örtliche Zuständigkeit des Klägers aus § 86 Abs. 7 SGB VIII F. 1993 folgt. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob diese Vorschrift auch nach dem rechtskräftigen Abschluss eines Asylverfahrens anwendbar ist. Der Anwendungsbereich der Vorschrift hängt von der Auslegung des Begriffs “Asylsuchender” ab. Hierbei kommen zwei verschiedene Interpretationen in Betracht. Zum einen kann der Begriff des Asylsuchenden eng ausgelegt werden, so dass nur für die Dauer des noch nicht rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens die Zuständigkeit sich nach der Zuweisungsentscheidung richtet. Zum anderen kann der Begriff als Oberbegriff verstanden werden, so dass unabhängig von Dauer und Ausgang des Asylverfahrens die Vorschrift auf alle Personen anwendbar ist, die um Asyl nachsuchen bzw. nachgesucht haben. Schließlich ist auch denkbar, dass diesem Tatbestandsmerkmal eine zuständigkeitsbegründende, nicht aber zugleich auch eine zuständigkeitsbeendende Funktion zukommt. Diese Auslegungsfragen, die infolge der Novellierung des § 86 SGB VIII im Jahre 1998 ausgelaufenes Recht betreffen, bedürfen im vorliegenden Streitfall keiner Entscheidung.

Geht man nämlich davon aus, dass der Kläger mit Rechtskraft der Asylversagung nicht mehr nach § 86 Abs. 7 Satz 1 SGB VIII F. 1993 zuständig war, so steht dies einem Kostenerstattungsanspruch des Klägers gleichwohl nicht entgegen. Zwar setzt ein Erstattungsanspruch eine – im Einklang mit dem Gesetz – Aufgabenerfüllung voraus (§ 89f SGB VIII). Der Kläger ist aber, wenn er nicht mehr nach § 86 Abs. 7 SGB VIII F. 1993 zuständig gewesen sein sollte, jedenfalls nach § 86c SGB VIII als bisher zuständiger örtlicher Träger zur Gewährung der Leistung weiter verpflichtet geblieben, weil die dann zuständig gewordene Beigeladene die Leistung (trotz Bitte des Klägers um Übernahme) nicht fortgesetzt hat. Der Kläger hat also die Leistungen, deren Erstattung er verlangt, auch bei Wegfall der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 7 SGB VIII F. 1993 im Einklang mit dem Gesetz erbracht, nämlich aufgrund seiner fortdauernden Leistungsverpflichtung nach § 86c SGB VIII.

Der Kläger, der somit jedenfalls nach § 86c SGB VIII leistungsverpflichtet geblieben war, hat damit nicht nur einen Erstattungsanspruch nach § 89c SGB VIII gegen die nach dem Zuständigkeitswechsel zuständig gewordene Beigeladene, sondern – als rechtmäßig leistender örtlicher Träger – nach § 89d SGB VIII F. 1993 auch direkt gegen den Beklagten. Dem Kläger stehen beide Ansprüche zu. Ein Rangverhältnis zwischen diesen Ansprüchen (ohnehin zugunsten des Anspruchs nach § 89d SGB VIII) ist erst durch den im Streitfall noch nicht anzuwendenden § 89d Abs. 5 SGB VIII F. 1998 eingeführt worden.

Sonach wäre der Klage im Falle einer streitigen Entscheidung stattzugeben.

 

Unterschriften

Dr. Säcker, Schmidt, Dr. Franke, Dr. Brunn, Prof. Dr. Berlit

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1557195

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