Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Urteil vom 31.03.2014; Aktenzeichen 4 Bf 106/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 31. März 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 101 129 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdevorbringen ergibt nicht, dass die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen wäre.
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; siehe auch Beschluss vom 1. Februar 2011 – BVerwG 7 B 45.10 – juris Rn. 15). Daran fehlt es hier.
Die Klägerin hält zunächst die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob das bundesverfassungsrechtliche Rechtsstaatsgebot als unverzichtbare Mindestanforderung für eine wirksame Ausfertigung von Rechtsnormen verlangt, dass eine von dem Ausfertigungsorgan unterzeichnete Urkunde als Originalurkunde hergestellt wird, um auf diese Weise die Funktion der Ausfertigung, d.h. die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber beschlossenen sicherzustellen, wenn das Landesrecht keine konkretisierenden Vorschriften über die Ausfertigung von Rechtsnormen, insbesondere von Rechtsverordnungen vorsieht.
Diese Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, denn sie ist auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ohne Weiteres zu verneinen. Die Anforderungen an die Ausfertigung von Landesrecht ergeben sich bei Fehlen einfachgesetzlicher Vorschriften des Bundesrechts für den jeweiligen Rechtsbereich in erster Linie aus landesrechtlichen und damit irrevisiblen Vorschriften. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf Bebauungspläne entschieden und gilt auch für sonstiges Landesrecht (vgl. Beschluss vom 16. Mai 1991 – BVerwG 4 NB 26.90 – BVerwGE 88, 204 ≪208≫ = Buchholz 406.11 § 12 BBauG/BauGB Nr. 18). Dass Art. 82 Abs. 1 GG dabei keinen allgemein gültigen Maßstab für Normausfertigungen enthält, ist ebenfalls geklärt (vgl. Urteil vom 26. September 2001 – BVerwG 6 C 5.01, 1 C 19.00 – juris Rn. 17). Allerdings muss nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des Rechtsstaats im Sinne des Grundgesetzes entsprechen. Das danach in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG für die Länder geltende Rechtsstaatsprinzip enthält zwar keine in allen Einzelheiten bestimmten Gebote und Verbote. Es bedarf der Konkretisierung durch die verfassungsrechtlich zuständigen Organe. Dabei müssen aber fundamentale Elemente des Rechtsstaats und die Rechtsstaatlichkeit im Ganzen gewahrt bleiben. Das Rechtsstaatsgebot verlangt die Identität der anzuwendenden Norm und ihres Inhalts mit dem vom Normgeber Beschlossenen (sog. „Identitätsfunktion”, „Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion”; vgl. Urteile vom 1. Juli 2010 – BVerwG 4 C 4.08 – BVerwGE 137, 247 Rn. 13 = Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 381 und vom 5. Februar 2009 – BVerwG 7 CN 1.08 – Buchholz 406.400 § 23 BNatSchG 2002 Nr. 1 Rn. 23, Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O., vom 9. Mai 1996 – BVerwG 4 B 60.96 – Buchholz 406.11 § 12 BauGB Nr. 21 = juris Rn. 3 und vom 27. Januar 1998 – BVerwG 4 NB 3.97 – Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 24 S. 16 = juris Rn. 16), nicht jedoch die Bestätigung der Legalität des Normsetzungsverfahrens („Legalitätsfunktion”; vgl. Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O. S. 208 f., vom 27. Januar 1998 a.a.O. und vom 25. Juli 2000 – BVerwG 6 B 38.00 – Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 399 = juris Rn. 3; Urteil vom 16. Dezember 1993 – BVerwG 4 C 22.92 – Buchholz 406.11 § 29 BauGB Nr. 52 S. 20 f. = juris Rn. 18). Aus dieser Beurkundungs- und Gewährleistungsfunktion folgt, dass geprüft werden muss, ob die zu verkündende Fassung der Rechtsnorm mit der vom Normgeber beschlossenen Fassung der Norm übereinstimmt; es muss erkennbar sein, dass der Normgeber die ihm obliegende Prüfung vorgenommen hat (Urteil vom 1. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15). Die Identität des Normtextes mit dem vom Normgeber Beschlossenen wird dabei durch seine Ausfertigung bestätigt (Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O., vom 27. Januar 1998 a.a.O., vom 25. Juli 2000 a.a.O. und vom 21. Dezember 2011 – BVerwG 8 B 72.11 – Buchholz 430.3 Kammerbeiträge Nr. 33 Rn. 6). Folglich genügt etwa das bloße Herstellen einer gedruckten Fassung einer Rechtsnorm als Ausfertigung nicht (Urteil vom 1. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15). Weiteres, insbesondere zu Art und Weise der Prüfung und ihrer Beurkundung, also – so ist zu ergänzen – des (geeigneten) Nachweises, dass diese Identitätsprüfung stattgefunden hat, gibt das Bundesrecht, insbesondere das Bundesverfassungsrecht, indessen nicht vor (Urteile vom 1. Juli 2010 a.a.O. Rn. 15 und vom 16. Dezember 1993 a.a.O.; Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O. S. 209, vom 9. Mai 1996 a.a.O. und vom 27. Januar 1998 a.a.O.). So verlangt es z.B. nicht, dass ausdrücklich der Begriff „ausgefertigt” oder „Ausfertigung” verwendet wird (Beschluss vom 27. Oktober 1998 – BVerwG 4 BN 46.98 – Buchholz 406.11 § 10 BauGB Nr. 40 = juris Rn. 5). Es lässt – auch hinsichtlich des jeweiligen Normtypus – zudem Unterschiede zu, denn die Regeln über Art, Inhalt und Umfang der Ausfertigung gehören grundsätzlich dem (irrevisiblen) Landesrecht an (s.o. sowie Urteil vom 16. Dezember 1993 a.a.O., Beschluss vom 16. Mai 1991 a.a.O.). Bundesrecht „wacht” lediglich darüber, ob das Landesrecht überhaupt eine angemessene Kontrolle der Authentizität ermöglicht. Näheres entscheidet aber abschließend der Landesgesetzgeber (Beschluss vom 8. Mai 1995 – BVerwG 4 NB 16.95 – NVwZ 1996, 372, insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 406.11 § 244 BauGB Nr. 1 = juris Rn. 6). Das gilt auch für die Frage, ob vom Normgeber eine Urschrift hergestellt und auf dieser durch Unterschrift bestätigt werden muss, dass der Inhalt der Urkunde so vom Normgeber beschlossen worden ist. Insofern hat der Senat bereits betont, dass es jedenfalls vor dem Hintergrund des bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsgebots auch ausreichend sein kann, dass der Satzungsbeschluss schriftlich fixiert und vom Bürgermeister unterschrieben ist, also gerade keine einheitliche (Original-)Urkunde hergestellt wird (Beschlüsse vom 16. Mai 1991 a.a.O. S. 209 und vom 27. Oktober 1998 a.a.O.). Einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Die von der Beschwerde weiter aufgeworfene Frage,
ob § 154 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 154 Abs. 3 Satz 1 BauGB als Rechtsgrundlage für die Festsetzung von sanierungsrechtlichen Ausgleichsbeträgen mit dem Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als der Rechtssicherheit dienendes Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkelt im Sinne von Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar ist, wenn es der (Landes-)Gesetzgeber versäumt hat, neben einer Verjährungsregelung eine absolute gesetzliche zeitliche Obergrenze festzulegen, um sicherzustellen, dass Ausgleichsbeträge für sanierungsbedingte Erhöhungen des Bodenwertes eines Grundstücks nicht zeitlich unbegrenzt nach Erlangung der sanierungsbedingten Erhöhungen des Bodenwertes festgesetzt werden können,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend – keine Feststellungen dazu getroffen hat, wann die Sanierungsmaßnahmen tatsächlich abgeschlossen worden sind; aufgrund der Zurückverweisung des Rechtsstreits wird das Verwaltungsgericht dieser Frage gegebenenfalls nachzugehen haben. Unabhängig davon hat der Senat in seinen Urteilen vom 20. März 2014 – BVerwG 4 C 11.13 u.a. – (zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen) die Frage rechtsgrundsätzlich geklärt.
2. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Die Klägerin legt nicht dar, dass das angefochtene Urteil vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) abweicht.
Zur Darlegung des Zulassungsgrundes der Divergenz ist gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderlich, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 und vom 13. Juli 1999 – BVerwG 8 B 166.99 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 9). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
Die Klägerin entnimmt dem Urteil vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) den Rechtssatz, „Beurkundung” in diesem Sinne bedeute als unverzichtbare Mindestanforderung an eine Ausfertigung, dass eine vom Ausfertigungsorgan unterzeichnete Urkunde als Originalurkunde hergestellt werden müsse und nur so eine wirksame Ausfertigung einer Rechtsnorm vorgenommen werden könne. Wie oben unter 1. ausgeführt, hat der Senat einen solchen Rechtssatz in der Entscheidung nicht aufgestellt. Auch im Übrigen kann nicht festgestellt werden, dass das Oberverwaltungsgericht dem genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts die Gefolgschaft verweigert hätte (vgl. UA S. 11 ff.). Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch das zur Anwendung gelangte Normsetzungsverfahren, das der ständigen Praxis des Senats der Beklagten beim Erlass von Rechtsverordnungen entspreche, sei hinreichend gewährleistet worden, dass der in der Ausgabe des Hamburgischen Gesetz- und Verordnungsblatts vom 19. April 1982 (S. 69) veröffentlichte Normtext dem Normsetzungsbeschluss des Senats der Beklagten vom 6. April 1982 entsprochen habe (UA S. 14 unten). Dabei sei das Normsetzungsverfahren in seiner Gesamtheit – von der Vorbereitung der Beschlussfassung über die Beschlussfassung durch den Senat der Beklagten, die Protokollierung dieser Beschlussfassung, das anschließende Herstellen einer konsolidierten Textfassung bis hin zu dem Anbringen des Vermerks „Gegeben in der Versammlung des Senats (…)” – in den Blick zu nehmen. Denn dass der verfassungsrechtlich gebotene „Ausfertigungsmindeststandard” gewährleistet sei, erschließe sich gerade aufgrund einer Gesamtschau des Normsetzungsverfahrens (UA S. 15).
Soweit die Beschwerde dem Oberverwaltungsgericht (sinngemäß) eine fehlerhafte Subsumtion des Urteils vom 1. Juli 2010 (a.a.O.) vorhält, ist dies für die Beurteilung der Divergenzrüge ohne Belang, denn der Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ist nicht erfüllt, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – NJW 1997, 3328 = Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Decker
Fundstellen