Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen zur Reichweite des Berufsgeheimnisses der Finanzaufsichtsbehörde. Finanzaufsicht. BaFin. Berufsgeheimnis. Verschwiegenheitspflicht. Geheimhaltung. Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Wettbewerbsrelevanz. Insolvenz. aufsichtsrechtliches Geheimnis. richtlinienkonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zur Klärung von Fragen der Reichweite des Berufsgeheimnisses (Verschwiegenheitspflicht) der Finanzaufsichtsbehörde.
Normenkette
IFG § 3 Nr. 4; KWG § 9 Abs. 1; RL 2004/39/EG Art. 54
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Entscheidung vom 29.11.2013; Aktenzeichen 6 A 1293/13) |
VG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 12.03.2008; Aktenzeichen 7 E 5426/06) |
Tenor
Das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird ausgesetzt.
Der Gerichtshof der Europäischen Union wird um Klärung folgender Fragen im Wege der Vorabentscheidung gemäß Art. 267 AEUV gebeten:
1.
- Fallen unter den Begriff der „vertraulichen Informationen” im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2004/39/EG) und damit unter das Berufsgeheimnis nach Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/39/EG unabhängig von weiteren Voraussetzungen alle unternehmensbezogenen Angaben, die das beaufsichtigte Unternehmen an die Aufsichtsbehörde übermittelt hat?
Erfasst das „aufsichtsrechtliche Geheimnis” als Teil des Berufsgeheimnisses im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/39/EG unabhängig von weiteren Voraussetzungen alle in den Akten enthaltenen Äußerungen der Aufsichtsbehörde einschließlich ihrer Korrespondenz mit anderen Stellen?
Wenn die Fragen a) oder b) zu verneinen sein sollten:
Ist die Bestimmung über das Berufsgeheimnis in Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39/EG so auszulegen, dass bei der Qualifikation der Informationen als vertraulich
aa) es darauf ankommt, ob Informationen ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis fallen oder der Zugang zu den Informationen das Geheimhaltungsinteresse konkret und tatsächlich beeinträchtigen könnte, oder
bb) sonstige Umstände zu berücksichtigen sind, bei deren Vorliegen die Informationen unter das Berufsgeheimnis fallen, oder
cc) sich die Aufsichtsbehörde hinsichtlich der in ihren Akten enthaltenen unternehmensbezogenen Angaben des beaufsichtigten Instituts und der darauf bezogenen Schriftstücke der Aufsichtsbehörde auf eine widerlegliche Vermutung berufen kann, dass insoweit Geschäfts- oder aufsichtsrechtliche Geheimnisse betroffen sind?
2. Ist der Begriff der „vertraulichen Informationen” im Sinne von Art. 54 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2004/39/EG so auszulegen, dass es für die Qualifizierung einer von der Aufsichtsbehörde übermittelten unternehmensbezogenen Angabe als schutzwürdiges Geschäftsgeheimnis bzw. als ansonsten schutzwürdige Information allein auf den Zeitpunkt der Übermittlung an die Aufsichtsbehörde ankommt?
Wenn Frage 2 zu verneinen ist:
3. Ist bei der Frage, ob eine unternehmensbezogene Angabe ungeachtet von Veränderungen des wirtschaftlichen Umfeldes als Geschäftsgeheimnis zu schützen ist und folglich unter das Berufsgeheimnis gemäß Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Richtlinie 2004/39/EG fällt, in generalisierender Weise eine zeitliche Schranke – etwa von fünf Jahren – anzunehmen, nach deren Überschreitung in widerleglicher Weise vermutet wird, dass eine Angabe ihren wirtschaftlichen Wert verloren hat? Gilt Entsprechendes für das aufsichtsrechtliche Geheimnis?
Tatbestand
I
Rz. 1
Der Kläger begehrt Zugang zu Unterlagen der beklagten Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die im Zusammenhang mit der Aufsicht über die P. K. GmbH angefallen sind.
Rz. 2
Der Kläger zählt zum Kreis der durch betrügerische Machenschaften der P. K. GmbH geschädigten Anleger. Über das Vermögen des Unternehmens wurde im Jahr 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet, nachdem sich herausgestellt hatte, dass das Finanzierungsmodell auf einem Schneeballsystem beruhte. Den auf § 1 IFG gestützten Antrag des Klägers auf Einsicht in das der Beklagten vorliegende Gutachten einer Sonderprüfung und in Berichte der Wirtschaftsprüfer sowie interne Stellungnahmen, Berichte und Korrespondenzen in Bezug auf das Unternehmen lehnte die Beklagte ab. Auf die nach erfolglosem Widerspruch erhobene Klage verpflichtete das Verwaltungsgericht die Beklagte mit Urteil vom 12. März 2008, dem Kläger die begehrte Akteneinsicht in die Unterlagen zu gewähren, soweit diese neben den Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen der P. K. GmbH keine Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse Dritter enthielten. Insoweit und hinsichtlich von Unterlagen, die im Zusammenhang mit der britischen Finanzaufsichtsbehörde FSA standen, wurde die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren, in dem der Kläger sein ursprüngliches Klagebegehren weiter verfolgte und die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage zur Gänze erstrebte, forderte der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 28. April 2010 die Vorlage der Akten, um das Vorliegen der von der Beklagten geltend gemachten Versagungsgründe zu überprüfen. Das Bundesministerium der Finanzen als oberste Aufsichtsbehörde verweigerte die Aktenvorlage mit Sperrerklärung vom 26. Juli 2010. Auf Antrag des Klägers stellte der Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO mit Beschluss vom 12. Januar 2012 fest, dass die Verweigerung der Vorlage rechtswidrig ist. Mit Beschluss vom 5. April 2013 (20 F 4.12) wies der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts die hiergegen gerichteten Beschwerden der Beklagten und des Bundesministeriums der Finanzen zurück: Es fehle an der ordnungsgemäßen Darlegung eines Weigerungsgrunds nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. In einem Parallelverfahren, in dem das Bundesministerium der Finanzen unter dem 24. Oktober 2011 eine detailliertere, auf die einzelnen Aktenbestandteile bezogene Sperrerklärung vorgelegt hatte, stellte der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 5. April 2013 (20 F 7.12) auf die Beschwerde der dortigen Klägerin unter Änderung des Beschlusses des Fachsenats des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. März 2012 fest, dass die Verweigerung der Aktenvorlage nicht insgesamt, sondern lediglich teilweise rechtswidrig war.
Rz. 3
Mit Urteil vom 29. November 2013 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufungen des Klägers und der Beklagten zurückgewiesen und den Tenor des verwaltungsgerichtlichen Urteils unter Berücksichtigung des Beschlusses des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren 20 F 7.12 neu gefasst. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt: Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zugang zu den bezeichneten Unterlagen nach § 1 Abs. 1 IFG zu. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei der Informationszugang nicht in genereller Weise nach § 9 KWG in Verbindung mit § 3 Nr. 4 IFG zu versagen. § 9 KWG sei keine dem Geheimnisschutz dienende Vorschrift, sondern lediglich eine besondere Verschwiegenheitspflicht. Schutzwürdig seien vielmehr die einzelnen im konkreten Einzelfall zu ermittelnden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie personenbezogene Daten Dritter nach § 5 Abs. 1 IFG. Solche schutzwürdigen Daten habe die Beklagte weder im Verfahren der Hauptsache noch im in-camera-Verfahren ausreichend vorgetragen, sondern lediglich pauschal geltend gemacht. Dies reiche nicht aus, um den Anspruch des Klägers zu verneinen. Auch aus dem Unionsrecht ergebe sich nichts anderes; es fordere keine absolute Pflicht zur Verschwiegenheit für die Aufsichtsbehörde, die in jedem Fall einen Ausschluss von der Pflicht zur Gewährung von Akteneinsicht zur Folge hätte. Schließlich stünden dem Anspruch des Klägers Rechte der P. K. GmbH als Insolvenzschuldnerin oder des im Verfahren beigeladenen Insolvenzverwalters nicht entgegen.
Rz. 4
Die Beklagte hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage erstrebt.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 5
Die maßgeblichen Vorschriften des Unionsrechts finden sich in der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. L 145, S. 1).
Rz. 6
Art. 54 „Berufsgeheimnis”) der Richtlinie 2004/39/EG bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständigen Behörden, alle Personen, die für diese … tätig sind oder waren, sowie die von den zuständigen Behörden beauftragten Wirtschaftsprüfer und Sachverständigen dem Berufsgeheimnis unterliegen. Diese dürfen vertrauliche Informationen, die sie in ihrer beruflichen Eigenschaft erhalten, an keine Person oder Behörde weitergeben, es sei denn in zusammengefasster oder allgemeiner Form, so dass die einzelnen Wertpapierfirmen, Marktbetreiber, geregelten Märkte oder anderen Personen nicht zu erkennen sind; davon unberührt bleiben Fälle, die unter das Strafrecht oder andere Bestimmungen dieser Richtlinie fallen.
(2) Wurde gegen eine Wertpapierfirma … durch Gerichtsbeschluss das Konkursverfahren eröffnet oder ihre Zwangsabwicklung eingeleitet, so dürfen vertrauliche Informationen, die sich nicht auf Dritte beziehen, in zivil- oder handelsrechtlichen Verfahren weitergegeben werden, sofern dies für das betreffende Verfahren erforderlich ist.
(3) Unbeschadet der Fälle, die unter das Strafrecht fallen, dürfen die zuständigen Behörden … vertrauliche Informationen, die sie gemäß dieser Richtlinie erhalten, nur zur Wahrnehmung ihrer Verantwortlichkeiten und Aufgaben … verwenden. Gibt die zuständige Behörde oder andere Behörde, Stelle oder Person, die die Information übermittelt, jedoch ihre Zustimmung, so darf die Behörde, die die Information erhält, diese für andere Zwecke verwenden.
(4) Vertrauliche Informationen, die gemäß dieser Richtlinie empfangen, ausgetauscht oder übermittelt werden, unterliegen den Vorschriften dieses Artikels über das Berufsgeheimnis. Dieser Artikel steht dem allerdings nicht entgegen, dass die zuständigen Behörden … vertrauliche Informationen mit Zustimmung der die Informationen übermittelnden zuständigen Behörde oder anderen Behörden, Stellen und sonstigen juristischen oder natürlichen Personen austauschen oder solche übermitteln.
(5) Dieser Artikel steht dem Austausch oder der Übermittlung vertraulicher Informationen, die nicht von der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats empfangen wurden, durch die zuständigen Behörden im Einklang mit dem jeweils maßgebenden nationalen Recht nicht entgegen.”
Rz. 7
Die einschlägigen Vorschriften des deutschen Rechts finden sich im Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG) vom 5. September 2005 (BGBl. I S. 2722) zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 6 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154) und im Gesetz über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG) vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2776) in der Fassung des Gesetzes vom 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 1981).
Rz. 8
In § 1 Abs. 1 IFG heißt es:
„Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.”
Rz. 9
§ 3 IFG „Schutz von besonderen öffentlichen Belangen”) bestimmt in Nr. 4:
„Der Anspruch auf Informationszugang besteht nicht,
…
4. wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift oder durch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum materiellen und organisatorischen Schutz von Verschlusssachen geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt.”
Rz. 10
§ 9 KWG „Verschwiegenheitspflicht”) sieht in Abs. 1 vor:
„Die bei der Bundesanstalt beschäftigten … Personen …, soweit sie zur Durchführung dieses Gesetzes tätig werden, dürfen die ihnen bei ihrer Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt, insbesondere Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse, nicht unbefugt offenbaren oder verwerten, auch wenn sie nicht mehr im Dienst sind oder ihre Tätigkeit beendet ist. …”
III
Rz. 11
Gemäß Art. 267 AEUV ist unter Aussetzung des Revisionsverfahrens eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen, weil die Entscheidung des Senats über die Revision der Beklagten von der Beantwortung der dem Gerichtshof gestellten Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2004/39/EG abhängt. Sie sind durch das Urteil des Gerichtshofs vom 12. November 2014 in der Rechtssache – C-140/13 [ECLI:EU:C:2014:2362], Altmann u.a. – nicht geklärt.
Rz. 12
Der Senat kann bereits bei Anwendung des nationalen Rechts feststellen, dass das angefochtene Urteil auf einer Verletzung revisiblen Rechts beruht. Dabei ist angesichts einer insoweit hinreichend geklärten Rechtslage eine unionsrechtskonforme erweiternde Auslegung des § 9 Abs. 1 KWG zugrunde zu legen. Ausgehend hiervon fehlt es für eine abschließende Entscheidung über das Klagebegehren an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen, so dass das Verfahren zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist (1.).
Rz. 13
Ob das dem zugrunde liegende Verständnis des § 9 Abs. 1 KWG mit den unionsrechtlichen Vorgaben zur Gänze übereinstimmt oder ob in einem weiteren Umfang eine richtlinienkonforme Auslegung geboten ist, in deren Folge entweder dem Senat eine abschließende Entscheidung über das Klagebegehren möglich ist oder jedenfalls der Verwaltungsgerichtshof nach Zurückverweisung die Berufung nach anderen rechtlichen Maßstäben zu prüfen hätte, kann ohne Vorabentscheidung des Gerichtshofs nicht festgestellt werden (2.).
Rz. 14
1. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs greifen die Einwände der Beklagten gegen den begehrten Informationszugang in dem noch streitigen Umfang nicht durch. Mit Ausnahme der Ausführungen zu § 3 Nr. 4 IFG ist das jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rz. 15
Nach § 3 Nr. 4 IFG besteht der Anspruch auf Informationszugang unter anderem dann nicht, wenn die Information einer durch Rechtsvorschrift geregelten Geheimhaltungs- oder Vertraulichkeitspflicht oder einem Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnis unterliegt. Zu den hierdurch in Bezug genommenen Vorschriften zählt auch § 9 Abs. 1 KWG in seinem gesamten Anwendungsbereich (BVerwG, Urteile vom 24. Mai 2011 – 7 C 6.10 – Buchholz 400 IFG Nr. 4 = juris Rn. 14 und vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 – Buchholz 404 IFG Nr. 13 = juris Rn. 40). Das verkennt der Verwaltungsgerichtshof, der sich zu Unrecht an der zur prozessrechtlichen Vorschrift des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergangenen Rechtsprechung des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts orientiert und im Anschluss daran den Geheimnisschutz auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sowie auf personenbezogene Daten Dritter beschränkt (BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 2011 – 20 F 21.10 – Buchholz 310 § 99 VwGO Nr. 64 = juris Rn. 12). Damit fasst der Verwaltungsgerichtshof im Ergebnis den von § 9 Abs. 1 KWG vermittelten Schutz in zweifacher Hinsicht zu eng.
Rz. 16
a) § 9 Abs. 1 KWG bezieht sich seinem Wortlaut nach auf Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des beaufsichtigten Instituts bzw. eines Dritten liegt. Ob ein solches legitimes Geheimhaltungsinteresse besteht, ist durch Abwägung aller Umstände nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. Bruchwitz, in: Just u.a., WpHG, 2015, § 8 Rn. 7; Beck, in: Schwark/Zimmer, Kapitalmarktrechts-Kommentar, 4. Aufl. 2010, § 8 WpHG Rn. 8; Möllers/Wenninger, in: Kölner Kommentar zu WpHG, 2. Aufl. 2014, § 8 Rn. 23). Unter den geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen werden die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nur beispielhaft erwähnt. Diese umfassen alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge, die nicht offenkundig sind, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat; Betriebsgeheimnisse betreffen im Wesentlichen technisches Wissen, Geschäftsgeheimnisse vornehmlich kaufmännisches Wissen (vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 14. März 2006 – 1 BvR 2087/03 [ECLI:DE:BVerfG:2006:rs20060314.1bvr208703] – BVerfGE 115, 205 ≪230 f.≫).
Rz. 17
Der Verwaltungsgerichtshof geht zutreffend davon aus, dass in diesem Sinne schützenswerte Geschäftsgeheimnisse auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen können. Allerdings hat nach seiner Ansicht weder die Beklagte noch die Beigeladene dargelegt, dass auch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Interesse an der Geheimhaltung unternehmensbezogener Angaben der P. K. GmbH gegeben ist. Für ein schutzwürdiges Interesse hat er unter Bezugnahme auf den Beschluss des Fachsenats des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. April 2013 – 20 F 4.12 – eine fortdauernde Wettbewerbsrelevanz der Angaben verlangt. Diese hat er verneint, weil weder eine Sanierung noch eine Fortführung des insolventen Unternehmens geplant sei (VGH UA Rn. 86)
Rz. 18
Mit dieser Argumentation durfte der Verwaltungsgerichtshof das Vorliegen geheimhaltungsbedürftiger Angaben im Sinne von § 9 Abs. 1 KWG nicht verneinen. Nach der Rechtsprechung des Senats zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen besteht ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse, wenn die Offenlegung der Information geeignet ist, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen den Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Unternehmens nachteilig zu beeinflussen (BVerwG, Urteil vom 24. September 2009 – 7 C 2.09 – BVerwGE 135, 34 Rn. 50 m.w.N.). Ob die Wettbewerbsrelevanz der Angaben hiernach notwendige Voraussetzung für die Anerkennung eines Geschäftsgeheimnisses ist oder ob sie nur für den typischen Fall des werbenden Unternehmens ein berechtigtes Geheimhaltungsinteresse begründet, kann dahinstehen. Denn wenn der Schutz des Geschäftsgeheimnisses nicht einschlägig sein sollte, kann die Geheimhaltung der Angaben aus anderen Gründen im Interesse des beaufsichtigten Instituts bzw. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Interesse der Insolvenzmasse und somit der Insolvenzgläubiger liegen. Der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs. 1 KWG unterliegen nicht nur Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sondern allgemein Tatsachen, deren Geheimhaltung im Interesse des Instituts oder eines Dritten liegt. Ein Geheimhaltungsinteresse kann auch bestehen, wenn die Angaben – wie von der Beigeladenen u.a. für Informationen zu Vertriebswegen und Kundendaten geltend gemacht – vermögenswertes Wissen darstellen, das zugunsten der Insolvenzmasse und damit der Insolvenzgläubiger verwertet werden kann.
Rz. 19
b) § 9 Abs. 1 KWG schützt des Weiteren – über seinen Wortlaut hinaus – Angaben und Informationen, deren Geheimhaltung allein im Interesse der Beklagten liegt.
Rz. 20
Das in Art. 54 Abs. 1 der Richtlinie 2004/39/EG geregelte Berufsgeheimnis erstreckt sich auch auf die Unterlagen, die dem so genannten „aufsichtsrechtlichen Geheimnis”, d.h. den schützenswerten Angaben über interne Vorgänge der Aufsichtsbehörde (siehe Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen vom 4. September 2014 im Verfahren – C-140/13 – Rn. 38), zuzurechnen sind. Dies folgt aus dem von der Richtlinie verfolgten Ziel einer wirksamen Überwachung der Tätigkeit von Wertpapierunternehmen, was auch den Schutz der Geheimhaltungsinteressen der zuständigen Behörden bedingt (vgl. EuGH, Urteile vom 11. Dezember 1985 – C-110/84 [ECLI:EU:C:1985:495], Gemeente Hillegom / Hillenius – Rn. 27 und vom 12. November 2014 – C-140/13 – Rn. 31). Dieses Verständnis des bereichsspezifisch geregelten Berufsgeheimnisses deckt sich mit der in Art. 339 AEUV enthaltenen allgemeinen Bestimmung über das Berufsgeheimnis, das sich als allgemeiner Grundsatz auch auf interne Vorgänge der verpflichteten Behörde bezieht (vgl. EuG, Urteil vom 13. März 2008 – T-43/03 [ECLI:EU:T:2008:74], Maison de l' Europe Avignon Méditerranée / Kommission – Rn. 40; Jaeckel, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, AEUV Art. 339 Rn. 16 ff.; Brühann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Bd. IV AEUV Art. 339 Rn. 11 f.). Angesichts dieser unionsrechtlichen Rechtslage ist als Ergebnis einer richtlinienkonformen Auslegung, zu der der nationale Richter gemäß Art. 288 Abs. 3 AEUV nach Maßgabe methodengerechter Rechtsfindung verpflichtet ist (EuGH, Urteile vom 5. Oktober 2004 – C-397/01 bis 403/01 [ECLI:EU:C:2004:584], Pfeiffer u.a. – Rn. 113 f. und vom 19. Januar 2010 – C-555/07 [ECLI:EU:C:2010:21], Kücükdeveci – Rn. 48; BGH, Urteile vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11 – BGHZ 201, 101 Rn. 20 ff. und vom 26. November 2008 – VIII ZR 200/05 – BGHZ 179, 27 Rn. 21 ff.; BVerwG, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 6 C 10.13 – BVerwGE 150, 74 Rn. 52 ff.), eine teleologische Extension der Verschwiegenheitspflicht geboten. Der Verwaltungsgerichtshof hat eine solche richtlinienkonforme Auslegung des § 9 Abs. 1 KWG nicht vorgenommen.
Rz. 21
Geht man von der dargelegten Reichweite der Verschwiegenheitspflicht nach § 9 Abs. 1 KWG aus, kann der Senat über die Sache nicht abschließend entscheiden. Er kann ohne eine weitere Aufklärung des Sachverhalts insbesondere nicht davon ausgehen, dass der gesamte streitige Inhalt der Aufsichtsakte der Geheimhaltung unterliegt. Es muss vielmehr geprüft werden, ob und gegebenenfalls inwieweit die Beklagte anhand einer Umschreibung des Inhalts der streitigen Aktenbestandteile in nachvollziehbarer Weise Umstände vorgetragen hat, die auch für den Antragsteller, der die Informationen gerade nicht kennt, den Schluss zulassen, dass ein berechtigtes Interesse – sei es des Beigeladenen oder der Beklagten selbst – an der Geheimhaltung besteht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. November 2014 – 7 C 18.12 – Buchholz 404 IFG Nr. 13 = juris Rn. 19). Die hierfür erforderlichen tatsächlichen Feststellungen hat der Verwaltungsgerichtshof nicht getroffen. Er müsste dies nach Zurückverweisung der Sache nachholen. Er könnte zunächst von der Anlage zur Sperrerklärung des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. Oktober 2011 ausgehen; die Beklagte hätte zu erwägen, inwieweit sie die dortigen Inhaltsangaben – gegebenenfalls auch im Zusammenwirken mit dem Beigeladenen – weiter präzisiert.
Rz. 22
2. Die Auslegung der Vorschrift über das Berufsgeheimnis in Art. 54 der Richtlinie 2004/39/EG wirft indessen weitere Fragen auf, die einer Klärung durch den Gerichtshof vorbehalten sind; denn deren Beantwortung ist nicht in dem Sinne offenkundig, dass nach der acte-clair-Doktrin für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – C-283/81 [ECLI:EU:C:1982:335], CILFIT – Rn. 16).
Rz. 23
a) Der Senat könnte selbst abschließend über das Klagebegehren entscheiden, wenn § 9 Abs. 1 KWG unionsrechtskonform in einem Sinne auszulegen wäre, der die Reichweite der Geheimhaltungspflicht weit zieht und die dementsprechende Zuordnung der Aktenbestandteile schon nach äußeren und als solchen ohne Schwierigkeiten feststellbaren Merkmalen ermöglicht. Das wäre der Fall, wenn die Fragen 1 a) und b) zu bejahen sind.
Rz. 24
Ein solches Verständnis der vertraulichen Informationen und des Berufsgeheimnisses, das sich maßgeblich nach der Herkunft der Angaben richtet und die betreffenden unternehmensbezogenen Informationen nicht weiter nach ihrem Inhalt und den – insbesondere wirtschaftlichen – Auswirkungen einer Offenlegung bewertet und zuordnet, ist – soweit ersichtlich – in der bisherigen Rechtsprechung zum unionsrechtlichen Begriff des Berufsgeheimnisses nicht angelegt.
Rz. 25
Nach der in wettbewerbsrechtlichen Verfahren ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichts fallen Informationen ihrem Wesen nach unter das Berufsgeheimnis und sind somit gegen eine Offenlegung geschützt, wenn sie – erstens – nur einer beschränkten Zahl von Personen bekannt sind, – zweitens – durch ihre Offenlegung dem Auskunftgeber oder Dritten ein ernsthafter Nachteil entstehen kann und – drittens – die Interessen, die durch die Offenlegung der Informationen verletzt werden, objektiv schützenswert sind (siehe etwa EuG, Urteile vom 30. Mai 2006 – T-198/03 [ECLI:EU:T:2006:136], Bank Austria Creditanstalt / Kommission – Rn. 71 und vom 28. Januar 2015 – T-341/12 [ECLI:EU:T:2015:51], Evonik Degussa / Kommission – Rn. 94). Hiernach werden Geschäftsinterna, die der Aufsichtsbehörde übermittelt werden, nicht bereits als solche und ohne Weiteres als Berufsgeheimnis geschützt. Aufgrund der Besonderheiten der Finanzmarktaufsicht, die in spezifischer Weise auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den beaufsichtigten Instituten und den Aufsichtsbehörden angewiesen ist, könnte auf das Erfordernis eines durch die Offenlegung entstehenden Nachteils und ein objektiv schützenswertes Interesse zu verzichten sein. Dem Berufsgeheimnis unterläge dann vielmehr all das, was der Aufsichtsbehörde vertraulich „unter dem Siegel der Verschwiegenheit”) mitgeteilt wird, während es auf weitere Voraussetzungen, insbesondere eine inhaltliche Bewertung der Information und ihrer Bedeutung für das beaufsichtigte Institut nicht ankäme. Ein solches Verständnis, das auf die Modalitäten der Informationsweitergabe seitens des beaufsichtigten Instituts abstellt, führte zu einer umfassenden Verschwiegenheitsverpflichtung, deren praktische Umsetzung nicht von gegebenenfalls nur schwer zu erfüllenden Darlegungsanforderungen abhinge.
Rz. 26
Hinsichtlich des „aufsichtsrechtlichen Geheimnisses”, das die spezifischen Geheimhaltungsinteressen der Aufsichtsbehörde schützt, stellen sich entsprechende Auslegungsfragen. Nach den Ausführungen des Generalanwalts Jääskinen in den Schlussanträgen in der Rechtssache – C-140/13 – Rn. 38 gehören hierzu etwa „die von den zuständigen Behörden angewandten Überwachungsmethoden, die Korrespondenz und der Informationsaustausch der verschiedenen zuständigen Behörden untereinander sowie zwischen ihnen und den beaufsichtigten Unternehmen und alle sonstigen nicht-öffentlichen Informationen über den Stand der beaufsichtigten Märkte und die dort ablaufenden Transaktionen”. Das mag den Schluss nahe legen, dass die Informationen, die dem „aufsichtsrechtlichen Geheimnis” zuzurechnen sind, allein durch ihre Herkunft und den Verfahrensbezug gekennzeichnet sind, während es auf weitere Voraussetzungen nicht ankommt.
Rz. 27
b) Falls die Richtlinie 2004/39/EG sich mit derart zurückgenommenen Kriterien für die Feststellung der vom Berufsgeheimnis erfassten Aktenbestandteile nicht begnügen sollte, bedarf der Klärung, welche Anforderungen an die Feststellung eines Berufsgeheimnisses sich aus der Richtlinie ergeben, die der Verwaltungsgerichtshof nach Zurückverweisung der Sache bei seiner Entscheidung zu beachten hätte. Hierauf bezieht sich die Frage 1 c) mit ihren Unterfragen aa) bis cc).
Rz. 28
Die Fragen 1 c) aa) und bb) zielen auf inhaltliche Voraussetzungen für die Annahme einer dem Berufsgeheimnis unterfallenden Information. Es bedarf der Klärung, ob die oben (III. 2. a) aufgezeigten allgemeinen Grundsätze auch hier Geltung beanspruchen, sie gegebenenfalls zu modifizieren sind, und insbesondere nachvollziehbar darzulegen ist, dass ein fortbestehendes schutzwürdiges Geheimhaltungsinteresse durch den Informationszugang im konkreten Fall Nachteile erleidet (siehe hierzu EuGH, Urteile vom 29. Juni 2010 – C-139/07 P [ECLI:EU:C:2010:376], Kommission / Technische Glaswerke Ilmenau – Rn. 53, vom 28. Juni 2012 – C-404/10 P [ECLI:EU:C:2012:393], Kommission / Éditions Odile Jacob – Rn. 116 und vom 16. Juli 2015 – C-612/13 P [ECLI:EU:C:2015:486], ClientEarth / Kommission – Rn. 68).
Rz. 29
Die Frage 1 c) cc) nach eventuell gegebenen Nachweiserleichterungen stellt sich angesichts einer nunmehr gefestigten Rechtsprechung in jedenfalls ähnlichen Konstellationen. Der Gerichtshof hat im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten um den Zugang zu Dokumenten auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145, S. 43) in Bezug auf Vorschriften des Beihilferechts und des Wettbewerbsrechts über das Berufsgeheimnis entschieden, dass eine allgemeine Vermutung bestehe, wonach die Verbreitung des Schriftverkehrs zwischen der Kommission und den Unternehmen in solchen Verfahren grundsätzlich den Schutz von Untersuchungstätigkeiten sowie den Schutz der geschäftlichen Interessen der an einem solchen Verfahren beteiligten Unternehmen beeinträchtige (EuGH, Urteile vom 29. Juni 2010 – C-139/07 P – Rn. 54, 61 und vom 28. Juni 2012 – C-404/10 P – Rn. 116 f., 123; siehe auch Urteil vom 16. Juli 2015 – C-612/13 P – Rn. 77). Diese Rechtsprechung gibt Anlass zur Prüfung, ob eine entsprechende Vermutungsregel auch auf dem Gebiet der Finanzaufsicht Platz greift.
Rz. 30
c) Die Fragen 2 und 3 betreffen die zeitliche Dimension des Schutzes vertraulicher Informationen durch das Berufsgeheimnis. Sie stellen sich unabhängig davon, wie die Frage 1 zu beantworten ist.
Rz. 31
Die Schutzwürdigkeit vertraulicher Informationen dürfte in der Regel mit der Zeit abnehmen. So hängt es vom jeweils aktuellen geschäftlichen Umfeld ab, ob der Informationszugang mit wirtschaftlichen Nachteilen für das Unternehmen verbunden ist. Folglich können Angaben, wenn sie als veraltet anzusehen sind, schon vor Einstellung des Geschäftsbetriebs ihre Bedeutung verlieren. Davon geht auch der Generalanwalt Jääskinen in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache – C-140/13 – Rn. 43) aus. Allerdings könnten auch insoweit die Besonderheiten der Finanzmarktaufsicht Anlass für eine abweichende Bewertung sein, die allein auf die anfangs, d.h. bei Übermittlung der Informationen an die Aufsichtsbehörde, gegebene Qualifizierung als Geschäftsgeheimnis abstellt (Frage 2). Ausführungen des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 12. November 2014 – C-140/13 – Rn. 31) könnten in diesem Sinn verstanden werden.
Rz. 32
Sind demgegenüber Änderungen in den Verhältnissen durch den Zeitablauf und deren Auswirkungen auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Informationen zu berücksichtigen, ist zu erwägen, ob in generalisierender Weise vermutet werden kann, dass nach gewisser Zeit die notwendige Aktualität einer Angabe, die ihr den fortdauernden wirtschaftlichen Wert im Wettbewerb vermittelt, entfallen ist (Frage 3). Solche Überlegungen können sich gegebenenfalls an Regelungen orientieren, wie sie etwa der „Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Art. 81 und 82 EG-Vertrag, Art. 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004” (ABl. EU C 325, S. 7 vom 22. Dezember 2005) in Nr. 23 zugrunde liegen, und die von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts gebilligt worden sind (siehe etwa EuG, Urteil vom 28. Januar 2015 – T-341/12 – Rn. 84 und Beschluss vom 22. Februar 2005 – T-383/03 [ECLI:EU:T:2005:57], Hynix Semiconductor / Rat – Rn. 60). Dort wird davon ausgegangen, dass Angaben, die geheim oder vertraulich waren, aber mindestens fünf Jahre alt sind und daher nicht mehr als aktuell anzusehen sind, weder geheim noch vertraulich sind, wenn nicht ausnahmsweise der Betroffene nachweist, dass sie trotzdem ein noch wesentlicher Bestandteil seiner eigenen oder der wirtschaftlichen Stellung eines Dritten sind.
Unterschriften
Dr. Philipp, Schipper, Brandt, Dr. Keller, Dr. Schemmer
Fundstellen
Haufe-Index 8889030 |
ZD 2016, 344 |