Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Aktenzeichen 8 S 1092/99) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 15. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die auf sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt erfolglos. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich kein Grund für eine Zulassung der Revision.
1. Die Beschwerde rügt mehrere Verfahrensfehler. Ihr Vorbringen ergibt diese jedoch nicht.
1.1 Soweit sie die „aktenwidrige Nichtberücksichtigung” der zwischenzeitlich eingetretenen baulichen Entwicklung behauptet, übersieht sie bereits die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ebenso wie des Verwaltungsgerichtshofs aufgestellten und durch Bezugnahme auf frühere Entscheidungen seinem Beschluss zugrunde gelegten hohen Anforderungen an die Funktionslosigkeit von Bebauungsplänen und legt daher nicht dar, dass die Veränderungen gemessen hieran überhaupt entscheidungserheblich sein könnten.
1.2 Soweit die Beschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, weil der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Verwaltungspraxis der Beklagten eingegangen sei, verkennt sie, dass er sich auf Seite 9 seines Urteils damit befasst hat.
1.3 Die Beschwerde rügt ferner eine aktenwidrige Bewertung des „Ausmaßes der Baulinienüberschreitung”. Insoweit bemängelt sie lediglich, dass das Berufungsgericht zu einer rechtlichen Würdigung gelangt ist, die der Kläger nicht teilt; damit wird kein Verfahrensfehler dargelegt.
1.4 Entsprechendes gilt für die „unrichtige und aktenwidrige Unterstellung der Möglichkeit einer Garagenerstellung mit wesentlich geringerer Baulinienüberschreitung”. Die Beschwerde legt selbst dar (S. 11), der Kläger habe erklärt, dass er derartige vom Gericht und der Beklagten genannte Varianten zur Kenntnis genommen habe. Die unterschiedliche Einschätzung des Klägers und des Verwaltungsgerichtshofs über die Realisierbarkeit dieser Möglichkeiten begründet indes keinen Verfahrensfehler.
1.5 Der Kläger hat weder vor dem Verwaltungsgericht noch vor dem Verwaltungsgerichtshof einen Hilfsantrag gestellt, so dass über einen solchen auch nicht entschieden werden musste.
Gemeint ist insoweit (Beschwerdebegründung Seite 13) ersichtlich eine Ergänzung der Bauvoranfrage mit Schreiben vom 15. Juli 1996. Hierzu enthielt der Bescheid der Beklagten nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts keine Ausführungen (Urteil Seite 4). Weshalb das Berufungsgericht insoweit einen Verfahrensfehler begangen haben könnte, lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht einmal ansatzweise entnehmen.
1.6 Auch soweit die Beschwerde die Behandlung der Frage rügt, ob für die Errichtung der Garagen die Erteilung einer Ausnahme in Betracht kommt, stellt sie der angegriffenen Entscheidung lediglich ihre entgegengesetzte Rechtsauffassung entgegen.
2. Die Rechtssache hat auch nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr der Kläger beimisst.
2.1 Die Frage,
ob die Vorschriften der Reichsgaragenordnung entgegenstehende Regelungen von Ländern und Gemeinden hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit von Bauvorhaben von Garagen verdrängen,
rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie sich in dieser Allgemeinheit im vorliegenden Verfahren nicht stellt und daher in einem Revisionsverfahren auch nicht entscheidungserheblich wäre. Das Berufungsgericht entnimmt § 60 Satz 2 der Reichsgaragenordnung lediglich, dass die Festsetzungen von Baulinien in einem Stadtbauplan nicht außer Kraft gesetzt werden sollten, da diese keine „Vorschriften über den Bau und Betrieb von Garagen” darstellten. Davon abgesehen ist die Reichsgaragenordnung inzwischen mit Wirkung vom 1. Juli 1987 als Bundesrecht außer Kraft getreten. Rechtsfragen, die sich im Zusammenhang mit der Auslegung ausgelaufenen Rechts stellen, rechtfertigen regelmäßig nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 – BVerwG 6 B 35.95 – Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 m.w.N.). Für das Vorliegen einer der Ausnahmesituationen, in denen dennoch eine grundsätzliche Klärung noch in Betracht kommt, ist nichts vorgetragen.
2.2 Soweit der Kläger sich mit der jahrelang vermeintlich fehlerhaften Genehmigungspraxis der Beklagten auseinandersetzt, benennt er keine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, zu deren Klärung ein Revisionsverfahren im vorliegenden Fall beitragen könnte. Im Übrigen unterliegt keinem Zweifel, dass eine Behörde befugt – und möglicherweise auch verpflichtet – sein kann, eine (unterstellt) rechtswidrige Auslegung und Anwendung von Rechtsvorschriften zu beenden, wenn ihr diese Rechtswidrigkeit bewusst wird.
2.3 Soweit die Beschwerde Fragen der Rechtskraft von Normenkontrollentscheidungen aufwirft, unterstellt sie einen Sachverhalt, den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Denn sie meint, Besonderheiten müssten gelten, „wenn für lange Zeit schlechthin untragbare Zustände begründet würden”. Hiervon ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht ausgegangen; im Gegenteil spricht der Wortlaut seiner Begründung dafür, dass seiner Bewertung die Annahme materieller Richtigkeit seines Normenkontrollbeschlusses vom 15. November 1996 zugrunde liegt.
3. Eine Zulassung ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geboten. Eine die Revision nach dieser Vorschrift eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt nicht den Anforderungen einer Divergenzrüge (stRspr, vgl. beispielsweise BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 26).
3.1 Die Beschwerde benennt insoweit das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Juni 1975 – BVerwG 4 C 5.74 – (Buchholz 406.11 § 30 BauGB Nr. 11) und referiert eine Formulierung, wonach ein Bebauungsplan unter bestimmten Voraussetzungen gegen Art. 14 GG verstoßen könne. Der weitere Zusammenhang verdeutlicht aber, dass derartige Voraussetzungen im damals zu entscheidenden Fall gerade nicht vorlagen und somit nicht tragend waren. Im Übrigen ist die Rechtslage seitdem durch die Einfügung von § 12 Abs. 6 BauNVO im Jahre 1977 verändert worden. Davon abgesehen hat der Verwaltungsgerichtshof keinen entgegenstehenden Rechtsgrundsatz aufgestellt. Hierfür hatte er schon deswegen keinen Anlass, da er, wie bereits oben erwähnt, die Möglichkeit, auf dem Grundstück des Klägers eine Garage zu erstellen, bejaht hat.
3.2 Ferner erwähnt die Beschwerde den eine fernstraßenrechtliche Planfeststellung betreffenden Beschluss des Senats vom 26. Juni 1992 – BVerwG 4 B 1-11.92 – (NVwZ 1993, 572 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89 = VBlBW 1992, 458). Sie will offenbar zum Ausdruck bringen, der Verwaltungsgerichtshof sei von der Rechtsprechung zum Abwägungsgebot abgewichen, wie sie für die Aufstellung von Bebauungsplänen heranzuziehen ist. Sie legt jedoch in keiner Weise dar, dass die Vorinstanz einen diesen Grundsätzen widersprechenden Rechtsgrundsatz aufgestellt hätte. Davon abgesehen verkennt sie, dass in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für übergeleitete Pläne andere Grundsätze aufgestellt worden sind (vgl. grundlegend Urteil vom 20. Oktober 1972 – BVerwG 4 C 14.71 – BVerwGE 41, 67) und geht hierauf in keiner Weise ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 14 Abs. 1 und 3, § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Gaentzsch, Rojahn, Jannasch
Fundstellen