Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 08.05.2014; Aktenzeichen VG 1 K 1865/13) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 8. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Ihre Zulassungsrügen greifen nicht durch. Dies gilt sowohl im Hinblick auf die geltend gemachte Divergenz (1.), mit der die Beschwerde die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit der Klage angreift, als auch im Hinblick auf die Grundsatzrüge (2.), mit der sie sich gegen die Begründung wendet, mit der das Verwaltungsgericht die Klage „überdies” als unbegründet angesehen hat.
1. Die Revision ist nicht wegen Divergenz gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Eine die Revision nach dieser Vorschrift eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14). Dem genügt das Vorbringen der Beschwerde nicht.
a) Das gilt zunächst, soweit die Beschwerde geltend macht, das Verwaltungsgericht sei von dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Januar 1989 – 9 C 44.87 – (BVerwGE 81, 164) abgewichen. In diesem Urteil sei – zusammengefasst – folgender Rechtssatz aufgestellt worden: „Ein Rechtsschutzinteresse ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger aus seinem Begehr im Falle der Ausurteilung keinen weiteren, über das Begehr hinausgehenden tatsächlichen Nutzen haben wird. Ein Rechtsschutzinteresse entfällt nur dann, wenn das Begehr auch anders als mit Urteil erreicht werden kann” (Beschwerdebegründung S. 5).
Einen solchen Rechtssatz hat das Bundesverwaltungsgericht in der zitierten Entscheidung nicht in der vom Kläger verfassten Weise aufgestellt. Es hat zum einen allgemein – auch in Form eines Leitsatzes – formuliert: „Das Rechtsschutzinteresse für eine Leistungsklage einschließlich der verwaltungsgerichtlichen Verpflichtungsklage, mit welcher der Kläger Verurteilung zur Leistung an sich selbst begehrt, folgt regelmäßig bereits daraus, dass in der Person des Klägers der vermeintliche Inhaber des behaupteten materiellen Anspruchs um Rechtsschutz nachsucht” (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 – 9 C 44.87 – BVerwGE 81, 164 Leitsatz 1 und S. 165). Zum anderen hat es im Hinblick auf das im konkreten Fall in Rede stehende Rechtsschutzinteresse für eine Klage auf Anerkennung als Asylberechtigter ausgeführt: „Da das Rechtsschutzinteresse sich aus der rechtlichen und nicht aus der faktischen Wirkung des angestrebten Urteils herleitet, hat es keine Bedeutung, wie groß oder gering die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Kläger künftig von einer erstrittenen Anerkennung als Asylberechtigter tatsächlich Nutzen haben wird” (BVerwG, Urteil vom 17. Januar 1989 – 9 C 44.87 – BVerwGE 81, 164 ≪167≫).
Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass sich dem soeben genannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts bei wertender Betrachtung der von der Beschwerde formulierte Rechtssatz entnehmen lässt, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Denn die Beschwerde zeigt jedenfalls nicht schlüssig auf, dass das Verwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz gebildet hat, welcher demjenigen, den das Bundesverwaltungsgericht (sinngemäß) formuliert haben soll, entgegensteht. Das Verwaltungsgericht hat nämlich weder ausdrücklich noch der Sache nach den ihm von der Beschwerde (Beschwerdebegründung S. 4) zugeschriebenen Rechtssatz aufgestellt, dass ein Rechtsschutzbedürfnis zu verneinen sei, „wenn der Kläger aus seinem Begehr im Falle der Ausurteilung keinen weiteren, über das Begehr hinausgehenden tatsächlichen Nutzen haben wird.” Vielmehr hat das Verwaltungsgericht das Rechtsschutzbedürfnis für die Klage auf förmliche Zustellung der in Rede stehenden Bescheide mit einzelfallbezogenen Erwägungen abgelehnt. Es hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils das Fehlen des Rechtsschutzbedürfnisses damit begründet, es sei „auch und insbesondere unter Berücksichtigung des klägerischen Vortrags nicht erkennbar, ob und wie eine nunmehrige förmliche Zustellung der benannten Bescheide an sie ihren Rechtskreis zu erweitern” vermöchte (UA S. 5). Das Verwaltungsgericht hat daher auch nicht – wie die Beschwerde meint – auf den „tatsächlichen Nutzen” der Entscheidung, sondern darauf abgestellt, dass das von der Klägerin begehrte Urteil ihren Rechtskreis nicht erweitern könne. Insoweit ist im rechtlichen Ansatz auch ein Auffassungsunterschied zur Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht dargetan.
Dabei kommt es im Rahmen der Prüfung der Divergenzrüge nicht darauf an, ob die vorgenannte Aussage des Verwaltungsgerichts in verallgemeinerter Form eine zutreffende Umschreibung für die Anforderungen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses darstellen könnte. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Beschwerde eine Rechtssatzdivergenz hat aufzeigen können. Dies ist indes – wie oben dargelegt – hier nicht der Fall. Der erforderlichen Darlegung einer Rechtssatzdivergenz dient es auch nicht, soweit sich die Beschwerde gegen die inhaltliche Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht vertretenen rechtlichen Ansatzes wenden möchte. Selbst wenn das Verwaltungsgericht die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts unzutreffend angewandt und das Rechtsschutzbedürfnis fehlerhaft abgelehnt haben sollte, erlaubte es dieser Umstand als solcher nicht, die Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Denn das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung eines Rechtssatzes, den das betreffende Gericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt den Zulässigkeitsanforderungen nicht (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 – 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. August 2014 – 4 BN 9.14 – juris Rn. 8 f.).
b) An einer im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichenden Bezeichnung einer Divergenz im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO fehlt es auch, soweit die Beschwerde weiter geltend macht, die „Handhabung” des Verwaltungsgerichts, die Klage „als unzulässig und überdies als unbegründet” abzuweisen, widerspreche dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. April 1957 – 4 C 52.56 – (BVerwGE 5, 37), weil das Bundesverwaltungsgericht in diesem Urteil – was zutrifft – ausgeführt habe, dass im Verwaltungsstreitverfahren ein prozessabweisendes Urteil nicht zugleich noch die Klage aus sachlichen Gründen abweisen könne (Beschwerdebegründung S. 5).
Zwar hat das Verwaltungsgericht diese in dem genannten Urteil wie auch sonst in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts formulierte Vorgabe (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 – 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 ≪312≫ m.w.N.) nicht beachtet, indem es sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit der Klage verneint hat. Allerdings kann – wie dargelegt – allein eine einzelfallbezogene fehlerhafte Anwendung eines in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts formulierten Rechtssatzes nicht zur Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) führen. Maßgeblich hierfür ist vielmehr, ob in der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein abstrakter Rechtssatz aufgestellt und von der Beschwerde bezeichnet worden ist, der von jenem des Bundesverwaltungsgerichts abweicht. Dies ist jedoch nicht der Fall. Einen solchen abweichenden Rechtssatz hat die Beschwerde weder bezeichnet noch ist er sonst ersichtlich.
c) Die von der Beschwerde erhobene Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO), mit der sie sich gegen den Teil der Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts wendet, mit dem dieses das für die Klage erforderliche Rechtsschutzbedürfnis verneint hat, lässt sich auch nicht in eine Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) umdeuten. Dagegen spricht die in Gliederung und Text eindeutige Fassung der Beschwerdeschrift (S. 3), wo es ausschließlich und unmissverständlich heißt: „Hinsichtlich des vom Verwaltungsgericht Potsdam verneinten Rechtsschutzbedürfnisses wird die Divergenzrüge erhoben.” Aus diesem Grunde verbietet sich auch eine Umdeutung in eine Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Eine solche würde überdies daran scheitern, dass die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen einer Verpflichtungsklage das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis fehlt, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt sind (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Oktober 1989 – 1 C 18.87 – BVerwGE 84, 11 ≪12≫ und vom 29. April 2004 – 3 C 25.03 – BVerwGE 121, 1 ≪3≫) und ein weitergehender Klärungsbedarf von der Beschwerde nicht aufgezeigt worden wäre.
2. Die Revision ist auch nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Mit der Grundsatzrüge wendet sich die Beschwerde gegen die sachlichrechtliche Begründung des Verwaltungsgerichts, auf Grund derer es die Klage als unbegründet angesehen hat. Dies macht die Beschwerde unmissverständlich durch ihre Ausführungen (auf S. 6 der Beschwerdeschrift) deutlich, wo es heißt: „Wenn das Verwaltungsgericht Potsdam richtigerweise das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin bejaht hätte, stellen sich eine Reihe entscheidungserheblicher, rechtlich nicht geklärter Fragen, hinsichtlich derer die nachfolgende Grundsatzrüge erhoben wird.” Der Senat kann offenlassen, ob das Vorbringen der Beschwerde zu den von ihr aufgeworfenen und für rechtsgrundsätzlich bedeutsam gehaltenen fünf Fragen (Beschwerdebegründung S. 6 ff.) den Anforderungen an die Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) einer Grundsatzbedeutung genügt; und zwar unabhängig davon, ob die sachlich-rechtlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage als tragend (b) oder als nicht tragend (a) anzusehen sind. Denn darauf kommt es nach keiner Betrachtungsweise an.
a) Dies gilt zunächst, wenn angenommen wird, dass die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit das angefochtene Urteil nicht tragen. Für diese Annahme spricht, dass wegen der Verschiedenheit der Rechtskraftwirkung einer Prozess- und einer Sachabweisung eine Klage oder ein Normenkontrollantrag nicht zugleich aus prozessrechtlichen und aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen werden darf (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 – 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 ≪312≫ m.w.N.). Aus diesem Grund ist eine von der Vorinstanz der Prozessabweisung beigegebene Sachbeurteilung bei der Bestimmung des maßgeblichen Urteilsinhalts grundsätzlich als nicht geschrieben zu behandeln (BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2000 – 7 C 3.00 – BVerwGE 111, 306 ≪312≫ m.w.N.; Beschlüsse vom 9. Oktober 2006 – 6 BN 1.06 – juris Rn. 6 und – 6 BN 2.06 – juris Rn. 6). Legt man dies im vorliegenden Fall zu Grunde, so haben die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Begründetheit der Klage bei der Prüfung, ob die Revision zuzulassen ist, außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Oktober 2006 – 6 BN 1.06 – juris Rn. 6 und – 6 BN 2.06 – juris Rn. 6). Die Grundsatzrüge kann dann schon aus diesem Grunde nicht zur Zulassung der Revision führen.
b) Im Ergebnis nicht anders verhält es sich, wenn davon ausgegangen wird, dass es auch in einem Fall, in dem – wie hier – eine Klage sowohl aus prozessrechtlichen als auch aus sachlich-rechtlichen Gründen abgewiesen worden ist, denkbar erscheint, dass die sachlich-rechtlichen Ausführungen zur Begründetheit eine Bindungswirkung entfalten können, die in nachfolgenden Verfahren zu beachten ist, und deshalb die Abweisung der Klage (auch) als unbegründet eine Bewertung dahin ermöglicht, dass sie als selbständig tragend gemeint und anzusehen ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 11. November 1991 – 4 B 190.91 – juris Rn. 4 ≪insoweit nicht abgedruckt in: Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 237≫ und vom 2. November 2011 – 3 B 54.11 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 96 Rn. 6). Geht man unter Zugrundelegung dieser Annahme davon aus, dass nicht nur die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit der Klage, sondern auch diejenigen zu ihrer Begründetheit als selbständig tragend anzusehen sind (vgl. Beschluss vom 11. November 1991 – 4 B 190.91 – juris Rn. 4), so kann dies im vorliegenden Fall ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision wegen Grundsatzbedeutung führen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann in Fällen, in denen ein Urteil auf mehrere die Entscheidung selbständig tragende Begründungen gestützt ist, die Revision gegen dieses Urteil nur zugelassen werden, wenn dargelegt wird, dass hinsichtlich jedes dieser tragenden Gründe ein Zulassungsgrund vorliegt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 17. April 1985 – 3 B 26.85 – Buchholz 451.90 EWG-Recht Nr. 53, vom 24. Mai 2007 – 4 BN 16.07 u.a. – BauR 2007, 2041 und vom 2. Dezember 2008 – 5 B 60.08 – juris Rn. 3). Diese Anforderung ist hier nicht erfüllt. Denn gegen die (hier angenommen selbständig tragenden) Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur mangelnden Zulässigkeit der Klage hat die Beschwerde – wie oben dargelegt – keine durchgreifenden Zulassungsgründe dargetan.
3. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 47 Abs. 1 und 3 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Vormeier, Dr. Störmer, Dr. Fleuß
Fundstellen