Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlösauskehranspruch bei investiver Veräußerung. maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung eines Restitutionsausschlussgrundes. faktischer Gemeingebrauch
Leitsatz (amtlich)
Die Prüfung des Rückübertragungsausschlussgrundes gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG im Rahmen eines Erlösauskehranspruchs nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG muss sich am Zeitpunkt der investiven Veräußerung ausrichten (wie Urteil vom 20. Dezember 1999 – BVerwG 7 C 34.98 – VIZ 2000, 345).
Normenkette
VermG § 5 Abs. 1 Buchst. b; InVorG § 16 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
VG Berlin (Entscheidung vom 06.12.2000; Aktenzeichen 16 A 49.95) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 6. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 1 Million DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten ist unbegründet. Der Rechtssache kommt weder grundsätzliche Bedeutung zu (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch leidet das angefochtene Urteil an den gerügten Verfahrensmängeln (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
1. Die Rechtssache ist nicht grundsätzlich bedeutsam, weil die sinngemäß gestellte Frage,
auf welchen Zeitpunkt bei der Prüfung des Rückübertragungsausschlussgrundes gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG im Rahmen eines Erlösauskehranspruchs nach § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG abzustellen ist,
nicht klärungsbedürftig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr – wie auch die Beschwerde nicht verkennt – mit Urteil vom 20. Dezember 1999 – BVerwG 7 C 34.98 – (VIZ 2000, 345) für geltend gemachte Erlösauskehransprüche gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG entschieden, dass „die Prüfung, ob die Rückübertragung bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen war, sich am Zeitpunkt der investiven Veräußerung ausrichten muss”. Zwar lag dieser Entscheidung ein Ausschlussgrund gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG zugrunde, während es im vorliegenden Fall um § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG geht. Dem Wortlaut und dem Gedankengang der Entscheidung ist aber zweifelsfrei zu entnehmen, dass die Aussage für alle Ausschlussgründe des § 5 VermG Geltung beansprucht. Denn das Bundesverwaltungsgericht hat dies aus der Formulierung des § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG („infolge”) gefolgert und zur Bekräftigung auf Scheidmann (VIZ 1996, 517 ≪518≫) verwiesen, der ebenfalls insoweit keine Differenzierung vornimmt. Der Beklagte hält im Übrigen dieses Ergebnis selbst für zwingend.
2. Die Verfahrensrüge greift ebenfalls nicht durch.
a) Das Verwaltungsgericht hat den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) nicht verletzt. Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgericht insoweit vor, es habe den Schriftsatz des Beklagten vom 5. September 2000 mit dem Hinweis auf das erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Dezember 1999 (a.a.O.) nicht zur Kenntnis genommen. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör kann zwar verletzt sein, wenn die Gerichte tatsächliches oder rechtliches Vorbringen eines Beteiligten übergehen. Allerdings muss nicht auf jedes Detail ausdrücklich eingegangen werden. Vielmehr ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht insbesondere den in den Akten dokumentierten schriftsätzlichen Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und ernstlich in Erwägung gezogen hat. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – hierüber durch Replik und Duplik ein Schriftwechsel zwischen den Prozessbeteiligten entstanden ist. Zwar ist dem Beklagten einzuräumen, dass sich das angefochtene Urteil nur sehr knapp und nicht mit der gebotenen Klarheit zu der Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung des Ausschlussgrundes gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG äußert und insbesondere die zitierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht erwähnt (UA S. 9). Der Hinweis in dem angefochtenen Urteil, der Gemeingebrauch sei aufgegeben worden und dies werde durch den Investitionsvorrangbescheid vom 20. August 1998 dokumentiert, belegt aber nicht, dass das Verwaltungsgericht den Rechtsprechungshinweis des Beklagten übergangen hat. Denn die genannte Formulierung steht nicht zwingend im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts, die der Beklagte für sich in Anspruch nimmt. Die Formulierung belegt jedenfalls, dass das Verwaltungsgericht nicht auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sondern wohl auf die Verhältnisse bei Erlass des Investitionsvorrangbescheides – also auf die Lage vor der investiven Veräußerung – abgestellt hat. Im Übrigen hat weder die Beschwerde behauptet noch finden sich entsprechende tatsächliche Feststellungen in dem angefochtenen Urteil, dass der – ohnehin nur faktische – Gemeingebrauch an den streitigen Grundstücken im maßgeblichen Zeitpunkt der investiven Veräußerung noch bestanden hat; angesichts der Umstände des konkreten Falles (– bereits unmittelbar nach der Wende einsetzende Umplanungen im Bereich des Internationalen Handelszentrums in Berlin-Mitte –) lag die für den Ausschlussgrund des § 5 Abs. 1 Buchst. b VermG erforderliche Beibehaltung des – wie erwähnt – allenfalls faktisch geduldeten Gemeingebrauchs auch für eine absehbare Zukunft ohnehin nicht nahe.
b) Das Verwaltungsgericht hat die ihm obliegende Pflicht zur Aufklärung des wesentlichen Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Die Beschwerde hält ihm insoweit vor, es hätte ermitteln müssen, ob ein Ausschlussgrund gemäß § 4 Abs. 1 VermG bestanden habe. Dieser Vorwurf gründet sich in rechtlicher Hinsicht – wie der Schriftsatz des Beklagten vom 5. September 2000 verdeutlicht – auf die Annahme, die unstreitige Verschmelzung der beiden Grundstücke des Klägers mit mehreren anderen zu einem einheitlichen, für das Vorhaben „Internationales Handelszentrum” in Anspruch genommenen Grundstück begründe die rechtliche Unmöglichkeit der Rückübertragung der früheren Teilflächen. Hinsichtlich des rechtlichen Kerns ist die auf Tatsachen beschränkte „Aufklärungsrüge” von vornherein unbeachtlich, im Übrigen auch in ihrer Absolutheit unzutreffend. Denn grundsätzlich kann ein neu gebildetes Grundstück zum Zwecke der Restitution wieder in seine ursprünglichen, vor der Verschmelzung vorhandenen Grundstücke aufgeteilt werden, soweit dies nicht ausnahmsweise aus besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Umständen ausgeschlossen ist. Soweit die Aufklärungsrüge auf diesen tatsächlichen Bereich zielt, hat die Beschwerde nicht dargelegt, weshalb sich dem Verwaltungsgericht auch ohne entsprechende substantiierte Hinweise und Beweisanträge des Beklagten von Amts wegen weitere Ermittlungen hätten aufdrängen müssen. Denn der Schriftsatz vom 5. September 2000 enthielt nur den lapidaren Hinweis auf die rechtliche Vorschrift, ohne besondere tatsächliche oder rechtliche Umstände des konkreten Falles zu erwähnen; ihm konnte allenfalls die Rechtsauffassung des Beklagten entnommen werden, jede Verschmelzung mehrerer Grundstücke zu einem neuen einheitlichen Grundstück habe die rechtliche Unmöglichkeit der Restitution der früheren Teile zur Folge. Zu einer Substantiierung im Hinblick auf etwaige besondere tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten hätte der Beklagte sich aber umso mehr veranlasst sehen müssen, als der Kläger in seiner Erwiderung auf die problemlose Möglichkeit der Herausvermessung hingewiesen hatte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 und 3, § 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Müller, Sailer, Krauß
Fundstellen
Haufe-Index 604776 |
BuW 2001, 828 |