Verfahrensgang
VGH Baden-Württemberg (Urteil vom 25.03.2015; Aktenzeichen 5 S 1048/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu je 1/3.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 90 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst.
Rz. 2
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, so bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; siehe auch Beschluss vom 13. August 2015 – 4 B 15.15 – juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.
Rz. 3
Die Beschwerde hält zunächst folgende Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig:
Ist die dem Belang des Landschaftsbildschutzes zugeordnete Siedlungsstruktur gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB wegen der Erklärung der „Klosterinsel R.” zur Welterbestätte als abwägungsrelevanter Belang per se stärker zu gewichten?
Rz. 4
Soweit sich diese Frage überhaupt in verallgemeinerungsfähiger Form beantworten lässt, rechtfertigt sie nicht die Zulassung der Revision. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist hinreichend geklärt, dass die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange weder abschließend sind noch in ihrer Zusammenstellung einen Vorrang in sich oder gegenüber privaten Belangen enthalten (vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 1. November 1974 – 4 C 38.71 – BVerwGE 47, 144 ≪148≫). Aus diesem Grund lässt sich ein auch nur relativer Vorrang des einen benannten Belangs gegenüber einem anderen nicht abstrakt festlegen (BVerwG, Beschluss vom 5. April 1993 – 4 NB 3.91 – BVerwGE 92, 231 ≪239, 240≫; siehe ferner Beschluss vom 28. Juni 1993 – 4 NB 23.93 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 67 = juris Rn. 6). Gesetzlich vorprogrammiert ist weder, welche der in § 1 Abs. 6 BauGB aufgeführten oder sonstigen Belange bei der Planung zu berücksichtigen sind, noch mit welchem Gewicht sie bei der Abwägung zu Buche schlagen (BVerwG, Beschluss vom 20. August 1992 – 4 NB 20.91 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 57 = juris Rn. 15). Zu berücksichtigende Belange und deren Gewicht bestimmen sich vielmehr nach den Besonderheiten der konkreten Planungssituation (BVerwG, Beschluss vom 15. November 1989 – 4 NB 28.89 – juris Rn. 6). Deren Feststellung und Bewertung obliegt weitgehend der tatrichterlichen Beurteilung durch das Normenkontrollgericht. Davon ist der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen (UA S. 22, 23, 25, 29). Einen hierüber hinausgehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
Rz. 5
Die weiter für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Frage,
ob bei der Festsetzung eines Außenbereichsgrundstückes als nicht-überbaubare Fläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 BauGB der in § 35 Abs. 4 BauGB zum Ausdruck kommende gesteigerte Bestandsschutz im Rahmen der Abwägung gemäß § 1 Abs. 7 BauGB berücksichtigt werden muss,
führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision. Auf der Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Abwägungsgebot im Bauplanungsrecht ist sie ohne weiteres zu bejahen. Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die (bauliche) Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Einen Planungsgrundsatz, nach dem die vorhandene Bebauung eines Gebiets nach Art und Maß bei einer Überplanung weiterhin zugelassen werden muss, gibt es nicht (BVerwG, Urteil vom 31. August 2000 – 4 CN 6.99 – BVerwGE 112, 41 ≪48≫). Allerdings setzt eine wirksame städtebauliche Planung voraus, dass hinreichend gewichtige, städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange für sie bestehen (BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 – 4 C 105.66 – BVerwGE 34, 301 ≪305≫). Diese müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen, denn das durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsrecht gehört in hervorgehobener Weise zu den von der Bauleitplanung zu berücksichtigenden Belangen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727 = juris Rn. 15; BVerwG, Urteil vom 16. April 1971 – 4 C 66.67 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 90 = DVBl 1971, 746 ≪750≫). Es umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des allgemeinen Gleichheitssatzes (BVerfG, Kammerbeschluss vom 19. Dezember 2002 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 – 4 CN 5.08 – BVerwGE 134, 355 Rn. 16, Beschluss vom 24. November 2010 – 4 BN 40.10 – BRS 76 Nr. 28 = juris Rn. 4). Dass hierbei auch Gesichtspunkte des Bestandsschutzes nach Maßgabe des § 35 Abs. 4 BauGB als abwägungserheblich zu berücksichtigen sind, liegt auf der Hand (BVerwG, Beschluss vom 28. Januar 1992 – 4 B 21.92 – Buchholz 406.11 § 9 BauGB Nr. 54 = juris Rn. 5 allgemein zum Bestandsschutz). Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss daher von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden (BVerwG, Beschluss vom 16. Januar 1996 – 4 NB 1.96 – Buchholz 406.11 § 1 BauGB Nr. 88 = juris Rn. 4). Im Rahmen dieser Abwägungsentscheidung hat die Gemeinde folglich die Nachteile einer Planung für Planunterworfene zu berücksichtigen. Schränkt sie bestehende Baurechte ein, hat sie darüber hinaus auch die Tatsache und den möglichen Umfang hierfür zu leistender Entschädigungen nach den §§ 39 ff. BauGB in die Abwägung einzustellen (zusammenfassend: BVerwG, Beschluss vom 15. Mai 2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573 = juris Rn. 17). Von diesen Grundsätzen hat sich der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls leiten lassen. Er hat die Belange der Antragsteller (UA S. 24 f., 28 f., 30) dabei auch unter dem Gesichtspunkt des Bestandsschutzes und unter Berücksichtigung der Wertung des § 35 Abs. 4 BauGB gewürdigt (UA S. 25, 28), ist aber zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragsgegnerin, ohne gegen das Abwägungsgebot zu verstoßen, die auf den Grundstücken der Antragsteller vorhandene Bebauung auf den „passiven Bestandsschutz” setzen durfte. Ob diese Würdigung den Anforderungen gerecht wird, die an die gerichtliche Abwägungskontrolle zu stellen sind, ist einer rechtsgrundsätzlichen Prüfung nicht zugänglich (BVerwG, Beschluss vom 24. November 2010 – 4 BN 40.10 – BRS 76 Nr. 28 Rn. 5).
Rz. 6
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Decker
Fundstellen