Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 07.11.2001; Aktenzeichen 5 D 2/01) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. November 2001 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 390 378,64 EUR festgesetzt.
Gründe
Die auf alle Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Als grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wirft die Beschwerde die Frage auf,
“ob ein im Zusammenhang mit der Kommunalabgabenerhebung (Beiträge und Benutzungsgebühren nach Sächsischem Kommunalabgabengesetz) landesrechtlich geprägtes Einrichtungsverständnis eine Gesamtaufhebung einer Abwassersatzung rechtfertigen kann, die über die reine Abgabenerhebung hinaus andere und davon unabhängige Sachverhalte regeln will”.
Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Unter welchen Voraussetzungen die Nichtigkeit einer einzelnen Satzungsvorschrift die Gesamtnichtigkeit der Satzung zur Folge hat, ist in der von der Beschwerde selbst angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt. Die – nach Ansicht der Beschwerde – unterbliebene oder fehlerhafte Anwendung dieser Grundsätze im Einzelfall kann die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ebenso wenig begründen wie der bloße Hinweis der Beschwerde auf die mögliche Verletzung der bundes(verfassungs)rechtlichen kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (vgl. näher zu den Anforderungen der Grundsatzrüge Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 m.w.N.).
Auch die weitere, von der Beschwerde aufgeworfene Frage,
“ob entweder unterschiedlich angebotene (Entsorgungs-) Vorteile – bedingt durch das bundesrechtlich angelegte Äquivalenzprinzip – notwendigerweise mehrere Einrichtungen (hier zur Abwasserbeseitigung) bedingen (müssen) und daraus folgend eine zulässige Beschränkung der kommunalen Satzungshoheit erlauben, oder ob dies einen unzulässigen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltungsgarantie (hier Satzungshoheit) darstellt, weil es ausreichend ist, auf unterschiedliche Leistungsvorteile durch unterschiedliche Abgabensätze zu reagieren”,
zeigt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht auf. Sie betrifft Fragen des irrevisiblen Landesrechts, deren Auslegung und Anwendung vom Revisionsgericht nicht nachgeprüft wird (§ 137 Abs. 1 VwGO) und eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung deswegen nicht begründen kann. Die aufgeworfene Frage wird auch durch die von der Beschwerde angesprochenen bundes(verfassungs)rechtlichen Bezüge, nämlich zum Äquivalenzprinzip und zur kommunalen Selbstverwaltungsgarantie, nicht zu einer solchen des revisiblen Rechts. Die Rüge einer Verletzung von Bundes(verfassungs)recht bei der vorinstanzlichen Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts vermag die Zulassung der Grundsatzrevision nur zu rechtfertigen, wenn die Beschwerde eine klärungsbedürftige Frage gerade des Bundesrechts darlegt, nicht aber dann, wenn nicht das Bundesrecht, sondern allenfalls das Landesrecht klärungsbedürftig ist (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 7. März 1996 – BVerwG 6 B 11.96 – Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 7 m.w.N.). Die Klärungsbedürftigkeit von Bundesrecht zeigt die Beschwerde jedoch nicht auf.
Auch die erhobene Divergenzrüge greift nicht durch. Die Beschwerde rügt, das Oberverwaltungsgericht weiche von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 8, 274) ab, weil es Teile der Satzung für unwirksam erklärt, auf die der vom Oberverwaltungsgericht angenommene Rechtsfehler jedoch nicht durchschlage. Ferner weiche das Oberverwaltungsgericht von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 104, 60 sowie Urteil vom 27. Januar 1978 – BVerwG 7 C 44.76 – Buchholz 401.69 Wohnungsbauabgaben Nr. 4) ab, wonach die Ungültigkeit eines Teils einer Satzungsbestimmung dann nicht auf die gesamte Regelung mit der Folge der Gesamtnichtigkeit durchschlage, wenn die Restbestimmung auch ohne den nichtigen Teil sinnvoll bleibe und mit Sicherheit anzunehmen sei, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre. Schließlich sieht die Beschwerde eine Divergenz zu einer weiteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 17. April 2002 – BVerwG 9 CN 1.01 – NVwZ 2002, 1123), weil das Oberverwaltungsgericht unzulässig in die kommunale Satzungsgewalt eingreife und eine unverhältnismäßige Rechtsfolge (Gesamtnichtigkeit) ausspreche. Damit zeigt die Beschwerde einen Revisionszulassungsgrund jedoch nicht auf. Denn sie legt nicht dar, dass das Oberverwaltungsgericht einen abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der in Widerspruch zu einem entsprechenden Rechtssatz in den zitierten Entscheidungen stünde. Sie rügt in der Sache ebenso wie mit ihrer Grundsatzrüge vielmehr eine fehlerhafte oder unterbliebene Anwendung von Rechtssätzen der genannten Gerichte, was den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an eine Divergenzrüge nicht genügt (vgl. näher BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – a.a.O. – m.w.N.).
Die Verfahrensrüge der Beschwerde erfüllt ebenfalls bereits die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung eines Zulassungsgrundes nicht. Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht sei im Zusammenhang mit der Frage einer “Unbeachtlichkeitsgrenze” hinsichtlich des Anteils der schmutz- und niederschlagswasserentsorgten Grundstücke an den insgesamt angeschlossenen Grundstücken, der es selbst Entscheidungserheblichkeit beigemessen habe, seiner Aufklärungspflicht nicht nachgekommen. Da das Oberverwaltungsgericht davon ausgegangen ist, bei dem von den Antragstellern genannten und vom Antragsgegner nicht widerlegten Anteil von 20 % liege keine “Unbeachtlichkeit” vor, will die Beschwerde offenbar geltend machen, das Oberverwaltungsgericht hätte diesen Anteil näher aufklären müssen. Um den genannten gesetzlichen Substantiierungsanforderungen zu genügen, hätte die Beschwerde jedoch darlegen müssen, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Mangels solcher Darlegungen in der Beschwerde ist die Entscheidungserheblichkeit der erhobenen Verfahrensrüge nicht erkennbar. Das gilt auch, sofern das Vorbringen der Beschwerde insoweit als Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs wegen fehlenden gerichtlichen Hinweises auf die Entscheidungserheblichkeit der “Unbeachtlichkeitsgrenze” zu verstehen sein sollte. Denn auch insoweit fehlt es an einer substantiierten Darlegung dessen, was der Antragsgegner bei ausreichender Gehörsgewährung noch vorgetragen hätte und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. zu den Substantiierungsanforderungen BVerwG, Beschluss vom 19. August 1997 – a.a.O. – m.w.N.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 1, § 14 GKG.
Unterschriften
Hien, Dr. Storost, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen