Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 16.09.2008; Aktenzeichen 13 A 2763/06) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. September 2008 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Der Kläger betreibt ein Taxi-Unternehmen, mit dem er unter anderem Krankenfahrten durchführt. Er begehrt eine Genehmigung nach § 18 des Rettungsgesetzes NRW – RettG – zur Wahrnehmung von Aufgaben des qualifizierten Krankentransportes mit zwei Krankentransportwagen (KTW). Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
Rz. 2
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Aus den Darlegungen des Klägers ergibt sich als Zulassungsgrund weder die geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO noch ein Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 3
1. Der Kläger benennt keinen vom Berufungsgericht aufgestellten Rechtssatz, der von einem Rechtssatz in der von ihm angeführten Entscheidung des Senats vom 17. Juni 1999 – BVerwG 3 C 20.98 – (Buchholz 418.15 Rettungswesen Nr. 9) abweicht. Der Senat hat dort entschieden, dass die Deklarierung der Bedarfsgrenze als Versagungsgrund mit der Gewährleistung der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar ist. Der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahmen nicht erkannt, dass der Beklagte unnötige Überkapazitäten im Bereich der RTW geschaffen habe, die er für den Krankentransport einsetze. Deshalb bestehe im Bereich des Krankentransportes in Wirklichkeit noch ein ungedeckter Bedarf und gerate die Klageabweisung in Widerspruch zu der erwähnten Senatsentscheidung. Diese Erwägung greift nicht durch. Eine Divergenz kann sich nur aus einem vom Berufungsgericht auf der Grundlage der angenommenen Tatsachen aufgestellten Rechtssatz ergeben und nicht daraus, dass es bei (vermeintlich) richtiger Tatsachenfeststellung anders entschieden hätte. Im Übrigen bedeutet die Anerkennung der Bedarfsgrenze als Versagungsgrund nicht, dass bei einer etwa noch bestehenden Bedarfslücke im öffentlichen Rettungsdienst im Umkehrschluss ohne weiteres ein Anspruch auf Zulassung des privaten Anbieters anzunehmen ist.
Rz. 4
Der Kläger zeigt ferner keine Divergenz zu dem von ihm angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Februar 2003 – 1 BvR 1972/00 u.a. – (BVerfGE 107, 186) auf. Diese Entscheidung betraf ein Versandhandelsverbot zwischen Arzt und Apotheke für bestimmte Impfstoffe. Das Bundesverfassungsgericht hat dort den allgemeinen Rechtssatz wiederholt, dass die Rechtfertigung einer Beschränkung der Berufsfreiheit davon abhängt, wie eng der Bezug der beschränkenden Vorschriften zu dem jeweiligen Schutzgut ist (a.a.O. S. 197). In jenem Fall hat es einen näheren Bezug des Versandhandelsverbotes zu dem Gemeinwohlbelang des Gesundheitsschutzes verneint. Der Kläger meint, das Berufungsgericht sei von dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Rechtssatz abgewichen, weil es angenommen habe, dass nicht nur bei der Notfallrettung, sondern auch beim Krankentransport eine Beschränkung der Berufszulassung zulässig sei, obwohl der Krankentransport – so der Kläger – nur in einem entfernteren Zusammenhang zum Gesundheitsschutz stehe. Damit kann eine Divergenz schon deshalb nicht begründet werden, weil das Berufungsgericht gerade nicht davon ausgegangen ist, dass der Krankentransport nur in einem entfernteren Zusammenhang zum Gesundheitsschutz steht (s. S. 12 f. des Urteils). Die These des Klägers, der Krankentransport weise keinen unmittelbaren Bezug zu verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern auf und dürfe deshalb keiner Berufszulassung unterliegen, geht im Übrigen fehl. Die ordnungsgemäße Abwicklung des qualifizierten Krankentransportes dient unmittelbar dem Schutz von Leben und Gesundheit der Patienten und ist ein außerordentlich wichtiges Gemeinschaftsgut (Urteil des Senats vom 17. Juni 1999 a.a.O. S. 5).
Rz. 5
Die weiteren in diesem Zusammenhang stehenden Ausführungen des Klägers betreffen die von ihm für richtig gehaltene Auslegung der Funktionsschutzklausel des Rettungsgesetzes des Landes. Die Auslegung irrevisiblen Landesrechts ist einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Kläger zeigt nicht auf, dass bei der Auslegung des Landesrechts der von ihm angeführte Art. 12 Abs. 1 GG seinerseits ungeklärte Fragen aufwirft (s. zu dieser Voraussetzung Beschluss vom 9. Juni 2008 – BVerwG 3 B 56.08 – juris m.w.N.).
Rz. 6
2. Der Kläger macht ferner geltend, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt in verschiedener Hinsicht fehlerhaft ermittelt. Soweit damit als Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ein Verstoß gegen die Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) gerügt werden soll, bleibt dies schon deshalb erfolglos, weil von einer anwaltlich vertretenen Partei erwartet werden kann, dass sie eine von ihr für notwendig erachtete Sachaufklärung bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung beantragt. Das ist hier nicht geschehen. Dem Zulassungsantrag ist auch nicht zu entnehmen, dass und welche weitere Aufklärung sich dem Berufungsgericht von sich aus hätte aufdrängen müssen.
Rz. 7
Soweit der Kläger mit der Rüge einer fehlerhaften Sachverhaltsermittlung einen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend macht, bleibt auch dies erfolglos. Seine Einwände sind ohne Substanz oder zielen nicht auf eine verfahrensfehlerhafte Sachverhaltsfeststellung des Berufungsgerichts, sondern auf die grundsätzlich dem materiellen Recht zuzuordnende richterliche Würdigung. So hält er der Annahme des Berufungsgerichts, unnötige Überkapazitäten bei den im Bedarfsplan ausgewiesenen RTW seien nicht ersichtlich, eine Äußerung des Beklagten aus der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht und eine Angabe aus dem Bedarfsplan zur Nutzung eines bestimmten RTW entgegen, ohne dass sich daraus auch nur im Ansatz eine verfahrensfehlerhafte Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts ergeben würde. Es ist selbst davon ausgegangen und hat es für unbedenklich gehalten, dass RTW auch zum Krankentransport genutzt werden, soweit die Bedürfnisse der Notfallrettung dies zulassen. Daraus folgt aber nicht, dass ein solcher RTW bezogen auf die Notfallrettung unnötig wäre und die Schaffung einer “Überkapazität” bedeutete. Der vom Kläger angesprochene RTW soll nach dem Bedarfsplan eindeutig zur Notfallrettung eingesetzt werden und nur ergänzend zum Krankentransport (Bedarfsplan S. 16).
Rz. 8
Ähnlich verhält es sich mit den weiteren vom Kläger angesprochenen Aspekten. Der auf Angaben des Beklagten gestützten Annahme des Berufungsgerichts, der Krankentransportdienst sei nicht vollständig ausgelastet, hält er eine eigene Berechnung entgegen, deren Grundannahmen (Einsatzzahlen) und Ergebnis (“optimale Auslastung”) sich nicht erschließen und die nichts über einen Verfahrensfehler des Berufungsgerichts besagt. Der Annahme des Berufungsgerichts, die Kosten- und Ertragslage des öffentlichen Rettungsdienstes werde sich bei weiteren Genehmigungen zugunsten privater Unternehmer erheblich verschlechtern, hält er entgegen, dass die Kosten der Krankenkassen sinken würden, weil er als privater Unternehmer Krankentransporte kostengünstiger anbiete. Auch dieser Einwand betrifft allein die richterliche Würdigung. Das Berufungsgericht hat nicht verkannt, dass private Unternehmer (unter anderem wegen der ihnen möglichen Beschränkung auf lukrative Einsatzorte und -zeiten) ihre Krankentransportleistungen regelmäßig günstiger erbringen können. Es hat vielmehr auf den öffentlichen Rettungsdienst abgestellt, dessen Funktionsfähigkeit durch § 19 Abs. 4 RettG geschützt werden soll, und hierauf bezogen angenommen, dass weitere Genehmigungen für private Unternehmer zu einer unverträglichen Steigerung ungedeckter Vorhaltekosten im öffentlichen Rettungsdienst führten, der wegen seiner Sicherstellungspflicht gemäß § 6 RettG nicht beliebig Kapazitäten abbauen könne. Soweit der Kläger schließlich die Annahme des Berufungsgerichts für fehlerhaft hält, wonach kein Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben des Beklagten zu den Einsatzzahlen der letzten Jahre bestehe, beschränkt sich sein Beschwerdevortrag auf die allgemeine Behauptung, Einsatzzahlen verteilten sich üblicherweise im Verhältnis 20 zu 80 auf Notfallrettung und Krankentransport, weshalb die Zahlen des Beklagten offensichtlich der Realität widersprächen. Diesen Einwand hat das Berufungsgericht bei seiner Überzeugungsbildung berücksichtigt, ihn aber – zutreffend – für unsubstantiiert gehalten (Urteil S. 22).
Rz. 9
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Liebler, Buchheister
Fundstellen