Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Es wird eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu folgender Frage eingeholt:
Hindern die Art. 73 und 87 EG in Verbindung mit der VO (EWG) Nr. 1191/69 i.d.F. der VO (EWG) Nr. 1893/91 die Anwendung einer nationalen Regelung, die die Vergabe von Linienverkehrsgenehmigungen im öffentlichen Personennahverkehr für Verkehre, die zwingend auf öffentliche Zuschüsse angewiesen sind, ohne Beachtung der Abschnitte II, III und IV der genannten Verordnung zuläßt?
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen die Erteilung von 18 Linienverkehrsgenehmigungen mit Omnibussen im Landkreis Stendal an die Beigeladene und beansprucht die Genehmigungen für sich. Sie wurde im April 1992 von mehreren Landkreisen zu dem Zweck gegründet, regionale private Busunternehmen mit der Durchführung des öffentlichen Personennahverkehrs zu beauftragen. Gesellschafter sind heute der Landkreis Stendal und die Stadt Stendal.
Die Beigeladene ist ein privates Busunternehmen. Am 25. September 1990 erhielt sie Genehmigungen zur Beförderung von Personen auf den streitigen Überlandlinien im Gebiet des Landkreises Stendal. Die Genehmigungen waren bis zum 19. September 1994 befristet.
Mit Bescheid vom 27. Oktober 1994 erteilte der Beklagte der Beigeladenen neue Genehmigungen für diese Linien und befristete sie bis zum 31. Oktober 1996. Gleichzeitig lehnte er die Anträge der Klägerin auf Erteilung der Genehmigung zur Bedienung dieser Linien ab. Zur Begründung führte er aus: Die Beigeladene erfülle die Zulassungsvoraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 1 und 2 PBefG. Als Altunternehmerin genieße sie Besitzstandsschutz nach § 13 Abs. 3 PBefG. Das bedeute, daß die ordnungsgemäße Verkehrsbedienung des vorhandenen Unternehmers ein besseres Verkehrsangebot eines neuen Bewerbers aufwiegen könne. Ein solches liege hier nicht einmal vor. Die Beigeladene benötige bei einer Unterdeckung von 0,58 DM je Fahrplankilometer die geringste Komplementärfinanzierung durch die öffentliche Hand.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid insgesamt und die Beigeladene gegen die Befristung Widerspruch ein.
Dazu machte die Klägerin geltend, daß ihr die Genehmigungen hätten erteilt werden müssen. Die Vergabeentscheidung zugunsten der Beigeladenen sei rechtswidrig. Die Beigeladene sei nicht leistungsfähig; ohne öffentliche Zuschüsse, auf die sie keinen Rechtsanspruch habe, werde ihr Eigenkapital in kürzester Zeit aufgezehrt. Es treffe auch nicht zu, daß die Beigeladene den geringsten Subventionsbedarf habe. Mit Bescheid vom 29. Juni 1995 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Mit ihrer am 7. Juli 1995 erhobenen Klage hat die Klägerin die Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Genehmigungen und die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung entsprechender Genehmigungen an sie begehrt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1996 hat der Beklagte dem Widerspruch der Beigeladenen stattgegeben und die Geltungsdauer der ihr erteilten Genehmigungen bis zum 31. Oktober 2002 verlängert. Die Klägerin hat auch diesen Bescheid zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. März 1997 abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Vergabeentscheidung des Beklagten zugunsten der Beigeladenen sei rechtmäßig. Die Beigeladene sei leistungsfähig, da davon auszugehen sei, daß die erwarteten Defizite im laufenden Betrieb durch den Landkreis Stendal ausgeglichen würden. Sie sei gegenüber der Klägerin auch die günstigere Anbieterin.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht dem Anfechtungsbegehren stattgegeben und die der Beigeladenen erteilten Linienverkehrsgenehmigungen aufgehoben. Hinsichtlich des Verpflichtungsantrages hat es dagegen die Berufung zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Berufungsgericht ausgeführt: Die Klage sei zulässig. Es sei nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Klägerin im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung am 30. Juli 1996 Anspruch auf Erteilung der Genehmigungen gehabt habe. Ihre finanzielle Leistungsfähigkeit sei durch die vertragliche Zusage ihrer Gesellschafter gesichert gewesen, ihre Liquidität sicherzustellen.
Die Anfechtungsklage sei auch begründet, weil im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung die Leistungsfähigkeit der Beigeladenen nicht mehr gewährleistet gewesen sei. Zwar sei der Landkreis Stendal bereit gewesen, die Beigeladene finanziell zu unterstützen. Bei der Entscheidung des Beklagten über den Widerspruch der Beigeladenen habe aber bereits festgestanden, daß eine Bezuschussung der Beigeladenen durch den Landkreis mit Gemeinschaftsrecht nicht vereinbar und daher in der bisherigen Form nicht mehr zulässig sei.
Art. 87 Abs. 1 EG verbiete staatliche Beihilfen, soweit sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten und im Vertrag nicht etwas anderes bestimmt sei. Art. 73 EG lasse zwar für den Verkehr Beihilfen zu, die den Erfordernissen der Koordinierung des Verkehrs oder der Abgeltung bestimmter mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes zusammenhängender Leistungen entsprächen. Diese Regelung werde aber durch die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 vom 26. Juni 1969 (ABl EG Nr. L 156/1) in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1893/91 vom 20. Juni 1991 (ABl EG Nr. L 169/1) konkretisiert. Art. 1 Abs. 3 dieser Verordnung verpflichte die Mitgliedstaaten grundsätzlich, die auf dem Gebiet des Verkehrs auferlegten Verpflichtungen aufzuheben, die mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbunden seien. Damit beseitige er zugleich die Möglichkeit, nach Art. 73 EG zur Abgeltung dieser Verpflichtungen Beihilfen zu gewähren. Von der Möglichkeit des Art. 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 VO (EGW) 1191/69 F 91, Unternehmen, deren Tätigkeit ausschließlich auf den Betrieb von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten beschränkt ist, vom Anwendungsbereich dieser Verordnung auszunehmen, habe die Bundesrepublik nur bis zum 31. Dezember 1995 Gebrauch gemacht (Verordnung vom 31. Juli 1992, BGBl I S. 1442 i.d.F. der Verordnung vom 29. November 1994, BGBl I S. 3630).
Von dem Beihilfeverbot des Art. 1 Abs. 3 VO (EGW) 1191/69 F. 91 gebe es zwar Ausnahmen. Zuschüsse und Subventionen der öffentlichen Hand seien aber nur noch dann zulässig, wenn sie auf der Auferlegung oder Vereinbarung eines Verkehrsdienstes zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung beruhten. Solange der Landkreis Stendal als zuständiger Aufgabenträger die Bedienung der streitigen Linien mit der Beigeladenen weder vertraglich vereinbart noch ihr durch Verwaltungsakt auferlegt habe, dürfe er die Beigeladene seit dem 1. Januar 1996 nicht mehr finanziell unterstützen.
Als Genehmigungsbehörde hätte der Beklagte bei der Verlängerung der erteilten Genehmigungen diese gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben beachten müssen. Das ergebe sich aus dem am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen § 13 a PBefG, der den gemeinwirtschaftlichen Verkehr einer besonderen Regelung unterwerfe. Der genehmigte Verkehr sei nicht eigenwirtschaftlich im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG. Es könne offenbleiben, ob sich dies schon aus den Kategorien des innerstaatlichen Rechts ergebe. Jedenfalls sei die Bestimmung gemeinschaftsrechtskonform auszulegen.
Die Verpflichtungsklage hat das Berufungsgericht dagegen als unbegründet angesehen. Auch das Begehren der Klägerin müsse sich an § 13 a PBefG messen lassen. Da dessen Voraussetzungen ohne die vorherige Durchführung eines gesonderten Vergabeverfahrens nicht erfüllt seien, komme weder ein Verpflichtungs- noch ein Bescheidungsurteil in Betracht.
Gegen diese Entscheidung hat die Beigeladene die vom erkennenden Senat zugelassene Revision und die Klägerin Anschlußrevision eingelegt.
Mit ihrer Revision erstrebt die Beigeladene die Wiederherstellung des die Klage in vollem Umfang abweisenden erstinstanzlichen Urteils. Das Berufungsgericht habe den für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt verkannt. Maßgeblich sei der gegenüber der Klägerin ergangene Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 1995. Bei dessen Erlaß hätten die vom Berufungsgericht herangezogenen europarechtlichen Bestimmungen in Deutschland noch keine Geltung gehabt.
Selbst wenn man von der Sach- und Rechtslage im Juli 1996 ausgehe, verstoße das Berufungsurteil gegen revisibles Recht. Zum einen verkenne das Berufungsgericht das Verhältnis zwischen Art. 73 und Art. 87 EG. Selbst wenn eine Verkehrsbeihilfe nicht nach Art. 73 EG zulässig sei, müsse geprüft werden, ob sie nach Art. 87 Abs. 1 EG überhaupt verboten sei. Dies sei bei Zuschüssen für regionale Verkehrsmaßnahmen nicht der Fall, weil sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten nicht, wie es Art. 87 Abs. 1 EG verlange, beeinträchtigen könnten.
Außerdem habe das Berufungsgericht bei seiner gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG verkannt, daß Art. 1 Abs. 2 VO (EWG) 1191/69 F. 91 als Minus zu der dort vorgesehenen vollständigen Freistellung der Nahverkehrsunternehmen auch eine teilweise Freistellung ermögliche. Davon habe der Gesetzgeber mit der Regelung des § 8 Abs. 4 Sätze 1 und 2 PBefG Gebrauch gemacht.
Das Berufungsurteil verstoße weiter gegen § 13 Abs. 1 Nr. 1 PBefG. Die dort geforderte finanzielle Leistungsfähigkeit sei nur anhand des Vermögensstatus des Bewerbers bei Antragstellung zu beurteilen.
Das Berufungsgericht habe überdies den streitigen Verkehr zu Unrecht als gemeinwirtschaftlich im Sinne des § 13 a PBefG angesehen. Die Zuschüsse des Landkreises beeinträchtigten die Eigenwirtschaftlichkeit im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG nicht. Der Gesetzgeber habe es bewußt in die Entscheidung des Unternehmers gestellt, ob er eine Linie im Nahverkehr trotz zu erwartender Defizite eigenwirtschaftlich oder nach Maßgabe des § 13 a PBefG gemeinwirtschaftlich betreiben wolle.
Der Beklagte begehrt gleichfalls die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und verfolgt mit der Anschlußrevision ihr vorinstanzliches Verpflichtungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt sie vor:
Dem Anfechtungsbegehren sei zu Recht stattgegeben worden. Die Klägerin ihrerseits habe einen Anspruch auf Erteilung der streitigen Genehmigungen. Der von ihr zur Genehmigung gestellte Verkehr sei eigenwirtschaftlich im Sinne des § 8 Abs. 4 PBefG. Die ihr durch den Gesellschaftsvertrag zugesagten Zuschüsse ihrer Gesellschafter seien sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne. Aus diesem Grunde sei der Rückgriff auf § 13 a PBefG ausgeschlossen.
Zu Unrecht meine das Berufungsgericht, aus Art. 87 Abs. 1 EG i.V.m. VO (EWG) 1191/69 ergebe sich ein Verbot aller nicht auf Auferlegung oder Vereinbarung beruhender Beihilfen und ein Verbot jeder Auferlegung oder Vereinbarung ohne Vergabeverfahren. Art. 73 EG nehme den Daseinsvorsorgesektor im Verkehrsbereich ohne Vorbehalt von dem Verbot des Art. 87 Abs. 1 EG aus. Die Verordnung (EWG) 1191/69 F. 91 hebe diese generelle Befreiung nicht auf, sondern bestimme nur die Voraussetzungen und die Folgen für die Auferlegung bestimmter öffentlicher Dienstpflichten.
Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht hält das angefochtene Urteil für fehlerhaft. Er meint in Übereinstimmung mit dem Bundesminister für Verkehr, der Zuschußbedarf eines Unternehmens berühre dessen Leistungsfähigkeit nicht. Außerdem verkenne das Berufungsgericht die gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben für die Gewährung von Zuschüssen im öffentlichen Personennahverkehr.
Entscheidungsgründe
II.
Das Verfahren ist auszusetzen. Nach Art. 234 Abs. 3 EG ist eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs zur Auslegung der im Tenor genannten gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen einzuholen, weil der Regelungsgehalt des Gemeinschaftsrechts zweifelhaft ist und die Entscheidung des Rechtsstreits davon abhängt.
1. Nach nationalem Recht stellt sich der Rechtsstreit wie folgt dar:
1.1 Das Berufungsgericht hat die Klage auf Aufhebung der der Beigeladenen erteilten Linienverkehrsgenehmigungen und auf Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung dieser Genehmigungen an die Klägerin zu Recht als zulässig angesehen. Zwar kann sich die Klägerin zur Begründung der Klagebefugnis nicht auf das vom Berufungsgericht herangezogene Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG berufen, da alle ihre Gesellschaftsanteile in der Hand öffentlich-rechtlicher Körperschaften liegen und ihr Zweck allein in der Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge besteht. Sie ist daher nicht grundrechtsfähig. Wie der Senat in seinem Urteil vom heutigen Tage in der Parallelsache BVerwG 3 C 6.99 dargelegt hat, ergibt sich das Klagerecht des übergangenen Bewerbers um eine Linienverkehrsgenehmigung aber unmittelbar aus § 13 Abs. 2 PBefG, der auch staatlichen und kommunalen Einrichtungen wie der Klägerin Schutz gewährt.
1.2 Bei der Beurteilung der Anfechtungsklage hat das Berufungsgericht auf die Sach- und Rechtslage am 30. Juli 1996 abgestellt. Es geht davon aus, maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung; dies sei hier der Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1996, mit dem der Beklagte die Befristung der der Beigeladenen erteilten Genehmigungen von zwei auf acht Jahre verlängert hat. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Beteiligten gehen fehl.
Dabei legt der Senat zugunsten der Beigeladenen zugrunde, daß bei der Beurteilung der Drittanfechtung einer Linienverkehrsgenehmigung von der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung auszugehen ist (vgl. dazu Urteil vom 6. April 2000 – BVerwG 3 C 6.99 –). Dies ist hier der Bescheid über den Widerspruch der Beigeladenen gegen die ihren Genehmigungen beigegebene Befristung. Zwar handelt es sich bei der Befristung formal um eine Nebenbestimmung. Diese ist jedoch für die Rechtsstellung der Beteiligten und insbesondere der anfechtenden Klägerin von zentraler Bedeutung. Durch den neuen Bescheid wird nämlich die rechtsgestaltende Wirkung der der Beigeladenen erteilten Genehmigungen von zwei auf acht Jahre ausgedehnt. Das bedeutet, daß die Beigeladene zusätzlich für sechs weitere Jahre die Genehmigung erhielt. Dementsprechend wurde die Klägerin für diese Zeit von der Erlangung entsprechender Genehmigungen ausgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid vom 30. Juli 1996 verändert damit den zentralen Regelungsgehalt der der Beigeladenen erteilten Genehmigungen und betrifft nicht lediglich einen abtrennbaren Teil des Bescheides. Es handelt sich daher um die letzte Verwaltungsentscheidung in dieser Angelegenheit.
1.3 Bis zum 31. Dezember 1995 richteten sich die Voraussetzungen für die in § 2 PBefG vorgeschriebene Genehmigung eines Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen allein nach § 13 PBefG. Die Bestimmung stellt eine Reihe subjektiver Zulassungsvoraussetzungen wie finanzielle Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit des Antragstellers auf und ordnet die Versagung an, wenn durch den beantragten Verkehr die öffentlichen Verkehrsinteressen beeinträchtigt werden. Gibt es mehrere Bewerber für dieselbe Linie, so trifft die Behörde eine Auswahlentscheidung, bei der vorrangig die öffentlichen Verkehrsinteressen einschließlich der Frage der Kostengünstigkeit zu berücksichtigen sind. Die langjährige beanstandungsfreie Bedienung einer Linie durch einen Antragsteller ist angemessen zu berücksichtigen (§ 13 Abs. 3 PBefG). Die Erteilung der Genehmigung löst eine Betriebs-, Beförderungs- und Tarifpflicht aus (§§ 21, 22, 39 PBefG).
Die Anwendung der VO (EWG) Nr. 1191/69 F 91 war durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 31. Juli 1992 (BGBl I S. 1442) in der Fassung der Verordnung vom 29. November 1994 (BGBl I S. 3630) für den öffentlichen Personennahverkehr generell bis zum 31. Dezember 1995 ausgeschlossen.
1.4 Durch Art. 6 Abs. 116 des Gesetzes vom 27. Dezember 1993 (BGBl I S. 2378) hat der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 1996 für die Erteilung von Linienverkehrsgenehmigungen im öffentlichen Personennahverkehr die Unterscheidung zwischen eigenwirtschaftlichen und gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen eingeführt. Die Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre erfolgt weiter nach § 13 PBefG. Die Genehmigungsvoraussetzungen für gemeinwirtschaftliche Verkehrsleistungen ergeben sich dagegen aus § 13 a PBefG. Nach dieser Bestimmung ist die Genehmigung zu erteilen, soweit sie für die Umsetzung einer Verkehrsleistung aufgrund einer Auferlegung oder Vereinbarung im Sinne der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 erforderlich ist und dabei diejenige Lösung gewählt worden ist, die die geringsten Kosten für die Allgemeinheit mit sich bringt.
§ 8 Abs. 4 Satz 1 PBefG legt als Grundsatz fest, daß Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen sind. Satz 2 definiert als eigenwirtschaftlich Verkehrsleistungen, deren Aufwand gedeckt wird durch Beförderungserlöse, Erträge aus gesetzlichen Ausgleichs- und Erstattungsregelungen im Tarif- und Fahrplanbereich sowie sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne. Satz 3 bestimmt sodann, daß die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 in ihrer jeweils geltenden Fassung maßgebend ist, soweit eine ausreichende Verkehrsbedienung durch eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen nicht möglich ist. Die Regelung wirft die Frage auf, ob ein Linienbetrieb im öffentlichen Personennahverkehr, von dem feststeht, daß er aus den Beförderungserlösen nicht rentabel betrieben werden kann und daher zwingend auf Zuschüsse der öffentlichen Hand angewiesen ist, als eigenwirtschaftlich im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG angesehen werden kann oder notwendigerweise als gemeinwirtschaftlich zu gelten hat und damit dem Genehmigungsverfahren nach § 13 a PBefG unterliegt.
Das Berufungsgericht hat offengelassen, wie diese Frage zu beantworten ist, wenn man allein das nationale Recht zugrunde legt. Die Prüfung ergibt jedoch den eindeutigen Willen des nationalen Gesetzgebers, die Zuschußbedürftigkeit eines Linienverkehrs nicht als Hinderungsgrund für die Zuordnung zu den eigenwirtschaftlichen Verkehrsleistungen im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG zu statuieren.
Nach § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG hängt die Zuordnung der hier streitigen Linienverkehre davon ab, ob die erforderlichen Zuschüsse der öffentlichen Hand als sonstige Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne anzusehen sind. Unzweifelhaft ist dabei, daß die Bestimmung Bezug nimmt auf die Buchführungsvorschriften des Handelsgesetzbuchs, insbesondere auf §§ 275 f. HGB über die Gewinn- und Verlustrechnung (vgl. Zuck, DÖV 1994 S. 941, 943).
Die Zuordnung vertraglich oder durch Zuwendungsbescheid gewährter Zuschüsse zu den sonstigen Unternehmenserträgen im handelsrechtlichen Sinne wird teilweise verneint mit der Begründung, solche Zuschüsse seien keine sonstigen betrieblichen Erträge im Sinne des § 275 Abs. 2 Nr. 4 HGB, sondern müßten in der Gewinn- und Verlustrechnung gesondert ausgewiesen werden (vgl. Zuck, a.a.O., S. 944). Dies verkennt jedoch die unterschiedlichen Formulierungen in § 275 Abs. 2 Nr. 4 HGB und in § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG. Während der Begriff der sonstigen betrieblichen Erträge in § 275 Abs. 2 Nr. 4 HGB einen konkreten Rechnungsposten bezeichnet, spricht § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG von „Unternehmenserträgen im handelsrechtlichen Sinn”. Dieser Begriff ist ohne Zweifel weiter als der der betrieblichen Erträge und erfaßt alle Erträge, die, unter welcher Ordnungsnummer auch immer, in die Gewinn- und Verlustrechnung einzusetzen sind. Das wird bestätigt durch die Gesetzesbegründung. Dort heißt es, der Begriff umfasse die herkömmlichen Einnahmeformen der Unternehmen (vgl. BTDrucks 12/6269 S. 143). Hiernach kommt es nicht darauf an, ob öffentliche Zuschüsse bilanzmäßig als sonstige betriebliche Erträge im Sinne des § 275 Abs. 2 Nr. 4 HGB zu verbuchen sind (so jedenfalls Koller/Roth/Morck, HGB, § 275 Rn. 6) oder ob sie nach § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB unter entsprechender Bezeichnung gesondert auszuweisen sind (so Zuck, a.a.O.). Entscheidend ist, daß es sich im handelsrechtlichen Sinne um Erträge des Unternehmens handelt, die in die Gewinn- und Verlustrechnung aufzunehmen sind. Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte steht daher außer Frage, daß vertragliche oder durch Bewilligungsbescheid gewährte Zuschüsse zu defizitären Verkehrsleistungen nach § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG als eigenwirtschaftliche Einnahmen zu werten sind, die Eigenwirtschaftlichkeit also nicht in Frage stellen.
Auch der Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung spricht für die sich aus dem Wortlaut ergebende Auslegung. Wie bereits erwähnt, ergibt sich aus § 8 Abs. 4 PBefG eine Subsidiarität des gemeinwirtschaftlichen Verkehrs gegenüber dem eigenwirtschaftlichen Verkehr. Zu § 13 a PBefG heißt es in der Gesetzesbegründung, ob eine Verkehrsleistung eigen- oder gemeinwirtschaftlich betrieben werde, hänge von der – allein unter wirtschaftlichen Aspekten – zu treffenden Entscheidung des betroffenen Unternehmers ab. Er habe die Wahl, ob er einen Verkehr eigen- oder gemeinwirtschaftlich betreiben möchte mit der Folge, daß für die Genehmigung im ersten Fall § 13, im zweiten § 13 a maßgeblich sei (vgl. BTDrucks 12/6269 S. 144). Dieses vom Gesetzgeber gewollte Wahlrecht des Unternehmers würde jedenfalls für den zu großen Teilen defizitären Linienverkehr im öffentlichen Personennahverkehr praktisch beseitigt, wenn die Notwendigkeit öffentlicher Zuschüsse automatisch die Zuordnung zum gemeinwirtschaftlichen Verkehr zur Folge hätte.
Hiernach ist die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob bei Anwendung der üblichen Auslegungsmethoden nach innerstaatlichem Recht die Notwendigkeit öffentlicher Zuschüsse den Ausschluß der Eigenwirtschaftlichkeit zur Folge hat, zu verneinen.
2. Das Berufungsgericht meint jedoch, das Gemeinschaftsrecht zwinge zu einer Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG, die einen zuschußbedürftigen Linienbetrieb im öffentlichen Personennahverkehr als gemeinwirtschaftlich qualifiziere und damit der Regelung der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 unterwerfe. Dies soll sich insbesondere dahin auswirken, daß die Zuschußgewährung unter den Vorbehalt eines Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens gestellt werde. Die Mehrheit der Stimmen in der Literatur ist dieser Auffassung gefolgt (vgl. Zuck, DÖV 1994, S. 941, 944; Bidinger, NZV 1994, S. 209, 213; Barth, ZUR 1998, S. 215, 217; Barth, Nahverkehr in kommunaler Verantwortung, Bielefeld 2000, S. 116 ff.; Meyer, DVBl 1999, S. 1409, 1410). Wäre dies richtig, so müßte das angefochtene Urteil bestätigt werden. Andernfalls müßte die Sache zurückverwiesen werden, damit das Berufungsgericht die bislang unterbliebene Überprüfung der Auswahlentscheidung des Beklagten vornimmt.
Der Senat sieht es als zweifelhaft an, ob das Normengeflecht der Art. 73, 87 EG und der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 zu der vom Berufungsgericht vorgenommenen gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 8 Abs. 4 Satz 2 PBefG zwingt. Angesichts des komplizierten Systems von Verboten, Ausnahmen und Rückausnahmen erscheint eine Klärung dieser Problematik durch den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 Abs. 3 EG geboten. Dabei drängen sich im einzelnen insbesondere folgende Fragen auf:
2.1 Unterliegen Zuschüsse zum Defizitausgleich im öffentlichen Personennahverkehr überhaupt dem Beihilfeverbot des Art. 87 Abs. 1 EG oder fehlt ihnen wegen ihrer regionalen Bedeutung von vornherein die Eignung, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen? Kommt es insoweit möglicherweise auf die konkrete Lage und Bedeutung des jeweiligen Nahverkehrsgebietes an?
2.2 Eröffnet Art. 73 EG dem nationalen Gesetzgeber generell die Möglichkeit, öffentliche Zuschüsse zum Ausgleich von Defiziten im öffentlichen Personennahverkehr ohne Rücksicht auf die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 zuzulassen?
2.3 Eröffnet die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit, den Betrieb einer Linie im öffentlichen Personennahverkehr, der zwingend auf öffentliche Zuschüsse angewiesen ist, ohne Beachtung der Abschnitte II, III und IV der genannten Verordnung zuzulassen und die Anwendung dieser Regelungen nur vorzuschreiben, wenn andernfalls eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht möglich ist? Ergibt sich diese Möglichkeit des nationalen Gesetzgebers insbesondere daraus, daß er nach Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EWG) Nr. 1191/69 F. 91 das Recht hat, Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs gänzlich vom Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen?
Unterschriften
Prof. Dr. Driehaus, van Schewick, Dr. Borgs-Maciejewski, Kimmel, Dr. Brunn
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 06.04.2000 durch Riebe Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
DVBl. 2000, 1617 |
VA 2001, 44 |