Verfahrensgang
Thüringer OVG (Urteil vom 24.10.2006; Aktenzeichen 2 N 249/04) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 24. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 € festgesetzt.
Gründe
Die auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.
Vor dem Hintergrund eines erfolglos gebliebenen Normenkontrollantrages, mit dem die Antragstellerin begehrt, die Fünfte Verordnung zur Änderung der Thüringer Gerichtsvollzieherentschädigungsverordnung vom 9. September 2003 (GVBl S. 468) für unwirksam zu erklären, hält die Antragstellerin folgende Fragen für klärungsbedürftig:
1. Folgt aus der tatsächlichen oder zumindest durch die Verordnung nicht ausgeschlossenen “Überalimentierung” einer nicht unerheblichen Vielzahl von Gerichtsvollziehern die Ungültigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der Entschädigungsverordnung?
2. Ist im Rahmen der gebotenen Typisierung auf der Tatbestandsseite der Entschädigungsregelung unter Berücksichtigung des Postulats der Realitätsnähe eine Differenzierung hinsichtlich der Beschäftigung von Hilfskräften angezeigt?
3. Ist das aus Art. 33 Abs. 5 GG und § 49 Abs. 3 BBesG folgende Gebot, “den jährlichen Sach- und Personalkostenaufwand aktuell und realitätsnah zu ermitteln”, dahingehend zu verstehen, dass der Dienstherr
a) lediglich zu einer Ergebniskontrolle verpflichtet ist, für die ihm
b) ein längerer Überprüfungs- und Anpassungszeitraum (hier: 2 – 3 Jahre) zuzubilligen ist?
Keine dieser Fragen rechtfertigt die Zulassung der Revision.
Die erste Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision schon deshalb nicht, weil sie auf einer tatsächlichen Unterstellung beruht, für die das Urteil des Normenkontrollgerichts keinen tragfähigen Anhaltspunkt liefert. Das Normenkontrollgericht hat nicht festgestellt, die angegriffene Entschädigungsverordnung führe bei “einer nicht unerheblichen Vielzahl von Gerichtsvollziehern” zu einer “Überalimentierung”.
Zum einen hat das Normenkontrollgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. August 2004 – BVerwG 2 C 41.03 – DGVZ 2005, 7 = NVwZ-RR 2005, 214) festgestellt, dass mit der in § 49 Abs. 3 BBesG genannten Entschädigungsregelung keine Alimentierung des Gerichtsvollziehers beabsichtigt ist, sondern lediglich der Ersatz der dem Gerichtsvollzieher zwangsläufig erwachsenen Kosten, die aus der Einrichtung und dem Betrieb eines Büros entstehen. Der Zweck der Vorschrift besteht – wie der Senat bereits im Urteil vom 4. Juli 2002 – BVerwG 2 C 13.01 – (Buchholz 240 § 49 BBesG Nr. 2) ausgeführt hat – nicht darin, den Gerichtsvollziehern eine zusätzliche Alimentation zu gewähren, sondern darin, eine landesrechtliche Aufwandsentschädigung zu ermöglichen, um die Beamten nicht mit Kosten zu belasten, die ihnen aufgrund dienstlicher Verpflichtungen effektiv entstehen und die sie sonst aus ihrer Alimentation zu bestreiten hätten.
Zum anderen hat das Normenkontrollgericht nicht festgestellt, dass die gewährte Entschädigung den entstandenen Aufwand der Gerichtsvollzieher in unangemessener Weise übersteigt. Es hat lediglich festgestellt, dass der festgesetzte Betrag (für das hier maßgebliche Jahr 2002: 18 600 €) ausreichend ist, den für Thüringen typischen Aufwand der Gerichtsvollzieher abzudecken. Diesen Aufwand hat der Antragsgegner durch Erhebung bei zehn nach dem Zufallsprinzip ausgewählten Thüringer Gerichtsvollziehern ermittelt und dabei festgestellt, dass die Entschädigung die Kosten bei sieben Gerichtsvollziehern voll und bei einem Gerichtsvollzieher nahezu gedeckt hat. Soweit die Entschädigung zu einer Überdeckung geführt hat, hat das Normenkontrollgericht hierin keinen Verstoß gegen den Grundsatz kostendeckender Entschädigung gesehen, weil bei der Festsetzung der Entschädigung zulässigerweise pauschalisiert und typisiert werden kann. Das Normenkontrollgericht hat nicht festgestellt, dass bei einer Vielzahl von Gerichtsvollziehern die tatsächlichen Kosten erheblich unter der festgesetzten Entschädigung lagen.
Dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. Oktober 2006 – VGH 3 N 03.1683 u.a. – (GA Bl. 393), auf den sich die Antragstellerin bezieht, lässt sich für das hier zu entscheidende Verfahren nichts entnehmen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass nach der dort maßgeblichen Entschädigungsverordnung tatsächlich angefallene Bürokosten in Höhe von rund 33 000 DM durch eine Entschädigung von durchschnittlich 61 000 DM abgegolten wurden; hierin hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine unzulässige zusätzliche Alimentierung erblickt. Hier dagegen ist das Normenkontrollgericht von einer Entschädigung ausgegangen, die die tatsächlichen Kosten im Wesentlichen deckt. Auch die Beschwerde behauptet nicht, das Normenkontrollgericht habe eine “Überalimentierung” festgestellt, sondern ist der Ansicht, sie sei “zumindest nicht ausgeschlossen”. Für einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) käme es nicht auf die Möglichkeit einer Überalimentierung, sondern deren Gewissheit an (vgl. Beschluss vom 23. August 2007 – BVerwG 2 BN 2.07). Die Frage, ob der Bestimmung des § 49 Abs. 3 BBesG eine “strikte Sperrwirkung” für eine zusätzliche Alimentierung zukommt, würde sich daher in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vermag deshalb die Zulassung der Revision auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 127 Nr. 1 BRRG) zu rechtfertigen.
Auch die zweite Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob sich der Senat überhaupt rechtsgrundsgrundsätzlich mit der Frage beschäftigen kann, ob eine bestimmte Regelung “angezeigt” sei oder nicht. Die Beschwerde lässt darüber hinaus erkennen, dass sie die Frage in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits als geklärt – nämlich als bejaht – ansieht; insoweit verneint sie selbst die Klärungsbedürftigkeit und macht lediglich die Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils, aber keine neue Fragestellung geltend. Jedenfalls ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass auch im Rahmen der gebotenen Typisierung und Pauschalisierung der Verordnungsgeber “befugt oder gar verpflichtet” ist, gravierenden regionalen Unterschieden durch eine Staffelung Rechnung zu tragen (Urteil vom 19. August 2004 a.a.O. Rn. 10). Zu der Frage, ob auch wesentliche Unterschiede bei der Beschäftigung von Hilfskräften in dieser Weise zu berücksichtigen sind, hat sich der Senat bereits geäußert, indem er auf die Notwendigkeit hingewiesen hat, mit der zu gewährenden Entschädigung die tatsächlich entstandenen, notwendigen Kosten des Bürobetriebes abzudecken. Nach der bundeseinheitlich gefassten Gerichtsvollzieherordnung – GVO – darf der Gerichtsvollzieher seinen Geschäftsbetrieb zwar nach eigenem Ermessen gestalten, soweit hierüber keine besonderen Bestimmungen bestehen (§ 45 Abs. 1 GVO), er muss aber jedenfalls an seinem Amtssitz ein Geschäftszimmer unterhalten, dessen Ausstattung im Einzelnen in § 46 Abs. 3 GVO geregelt ist. Nach § 49 Abs. 1 GVO ist er verpflichtet, Büro- und Schreibhilfen zu beschäftigen, soweit es der Geschäftsbetrieb erfordert. An den Kosten dieses Einsatzes von Hilfskräften hat sich die Abgeltung realitätsnah zu orientieren (Urteil vom 19. August 2004 a.a.O. Rn. 15). Der Umfang des Geschäftsbetriebes und das von ihm abhängende Erfordernis, Hilfskräfte zu beschäftigen, wird bereits berücksichtigt, indem die Bürokostenentschädigung als Pauschale in Höhe eines Anteils der einem Gerichtsvollzieher im Kalenderjahr zustehenden Gebühren bis zu einem Jahreshöchstbetrag gewährt wird. Wie die Beschwerde selbst hervorhebt, kommt es nicht darauf an, ob der einzelne Gerichtsvollzieher die Mithilfe bezahlter Kräfte oder unbezahlter Familienmitglieder tatsächlich in Anspruch nimmt. Infolgedessen liegt mit der Kenngröße der dem Gerichtsvollzieher im Jahr zufließenden Gebühren ein hinreichend differenziertes Kriterium vor. Die Beschwerde lässt nicht erkennen, dass zu dieser Frage weiterer Klärungsbedarf besteht.
Schließlich führt auch die dritte Frage nicht zur Zulassung der Revision. Welche Grundsätze der Verordnungsgeber bei der Festlegung der Entschädigung zu beachten hat, hat der Senat in mehreren, auch von der Beschwerde angeführten Entscheidungen dargelegt. Es kann nicht Sinn eines Revisionsverfahrens sein, dem Verordnungsgeber weitergehende, die Einzelheiten des Erhebungsverfahrens betreffende Anweisungen zu geben. Insbesondere bleibt dem Verordnungsgeber überlassen, wie er sich das Erkenntnismaterial verschafft, um den Anforderungen zu genügen, die Entschädigung an den anfallenden notwendigen Sach- und Personalkosten auszurichten und realitätsnah festzusetzen. Insbesondere lässt sich nicht rechtsgrundsätzlich klären – wie die Beschwerde anzunehmen scheint –, wie lang Überprüfungs- und Anpassungszeiträume sein müssen. In einem Normenkontrollverfahren hat das Normenkontrollgericht zu prüfen, ob der Verordnungsgeber den vom Senat formulierten Anforderungen an eine zeit- und realitätsnahe Festsetzung der Entschädigung entsprochen hat. Das Normenkontrollgericht hat diese Frage geprüft und bejaht. Die darin liegenden tatsächlichen Feststellungen können nicht mit Hilfe einer als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichneten Frage zum Gegenstand eines Revisionsverfahrens gemacht werden.
Die Nebenentscheidungen folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO und § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Albers, Dr. Kugele, Groepper
Fundstellen