Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 24 B 97.1431) |
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Januar 1998 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 8 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO begründet und führt nach § 133 Abs. 6 VwGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung.
Das Verwaltungsgericht hat den Kläger, der von einer deutschen Volkszugehörigen abstammt und das Bestätigungsmerkmal der Sprache (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG n.F.) erfüllt, als deutschen Volkszugehörigen angesehen; er habe sich auch bis zum Verlassen Rumäniens zur deutschen Nationalität erklärt (§ 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 1. Alternative BVFG n.F.). Das Verwaltungsgericht sah es nach informatorischer Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung als glaubhaft an, daß er sich bei der neun Monate vor Einziehung zum Wehrdienst stattfindenden Musterung in einem auszufüllenden Formular als Deutscher eingetragen habe; nachdem er gleichwohl im Wehrpaß als rumänischer Volkszugehöriger eingetragen worden sei, habe er sich an den zuständigen Beamten gewandt und betont, daß er deutscher Volkszugehöriger sei. Auch bei den regelmäßig stattfindenden Volkszählungen, zuletzt im Jahre 1990, habe er sich als Deutscher eingetragen. Die Angaben des Klägers, er habe sich bei Volkszählungen stets als Deutscher eingetragen, würden daneben bestätigt durch die Aussagen der Zeugen im Verwaltungsverfahren.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht den Nachweis, daß der Kläger in seinem Heimatland ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgelegt habe, nicht als erbracht angesehen. Selbst wenn man den Eintrag im Militärpaß des Klägers als bekenntnisneutral einstufe, habe er keinen Nachweis dafür erbracht, daß er sich bei anderen Gelegenheiten zur deutschen Nationalität erklärt habe. Auch wenn man zu seinen Gunsten unterstelle, er habe sich bei der Volkszählung zu Beginn des Jahres 1992 mit deutscher Muttersprache und deutscher Volkszugehörigkeit gemeldet, könne der zeitliche Zusammenhang mit seiner Ausreiseabsicht nicht übersehen werden; die Angabe der deutschen Nationalität müsse daher nicht zwingend dem tatsächlichen Volkstumsbewußtsein des Klägers entsprechen. Für das Vorbringen, er habe sich bei früheren Volkszählungen stets zur deutschen Nationalität erklärt, habe der Kläger nicht den ihm obliegenden Nachweis erbracht. Den Erklärungen der im Verwaltungsverfahren gehörten Zeugen komme kein Beweiswert zu, da sie nach dem eigenen Vortrag des Klägers aus eigener Wahrnehmung die behaupteten Tatsachen nicht bekunden könnten. Die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorsorglich zum Beweisthema seines Verhaltens bei Volkszählungen und bei der Musterung als Zeugin benannte, in Ingolstadt wohnhafte Schwester des Klägers, mit welcher er sich über die Eintragung bei der letzten Volkszählung unterhalten habe, sah das Berufungsgericht als ungeeignetes Beweismittel an, da sie nicht bei der Wehrerfassung anwesend gewesen sei und mithin keine eigenen Wahrnehmungen über den behaupteten Sachverhalt machen könne.
Indem das Berufungsgericht dem in der mündlichen Verhandlung vorsorglich gestellten Beweisantrag nicht weiter nachgegangen ist, sondern die als Zeugin angebotene Schwester des Klägers von vornherein als ungeeignetes Beweismittel angesehen hat, da sie keine eigenen Wahrnehmungen über den behaupteten Sachverhalt machen könne, hat es gegen den Grundsatz verstoßen, sich selbst unmittelbar durch geeignete Beweismittel (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2 VwGO) die Überzeugung vom Vorliegen bzw. Fehlen der entscheidungserheblichen Tatsachen zu verschaffen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Als sogenannte Zeugin vom Hörensagen war die Schwester des Klägers kein von vornherein ungeeignetes Beweismittel, wenn auch an die Beweiswürdigung bei einem Zeugen vom Hörensagen besondere Anforderungen zu stellen sind; dessen Aussage wird regelmäßig einer Entscheidung nur dann zugrunde gelegt werden können, wenn es für das Vorliegen der entsprechenden Tatsachen noch andere Anhaltspunkte gibt (vgl. etwa BVerfGE 57, 250, 292). Spricht das Gericht der behaupteten Wahrnehmung des Zeugen vom Hörensagen jedoch von vorneherein jeden Beweiswert ab, so liegt darin eine unzulässige Vorwegnahme der Würdigung des Beweisergebnisses (vgl. etwa BVerwG, Beschluß vom 20. Mai 1998 – BVerwG 7 B 440.97 – ≪IFLA 1998, 102, 104≫; BGH NJW 1986, 1541 f.). Ergänzend wird daneben ggf. auch eine Parteivernehmung in Betracht kommen (BGH a.a.O.). Der unverschuldete Beweisnotstand, in dem sich viele Vertriebene befinden, zwingt dazu, in großem Umfang auch Tatsachen festzustellen, die nur von dem Vertriebenen vorgetragen worden sind (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. Januar 1987 – BVerwG 9 C 90.86 – ≪Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 49≫). Dem entspricht es, in solchen Verfahren ggf. auch auf Beweismittel zurückzugreifen, denen der Richter sonst mit Zurückhaltung begegnet.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 13 Abs. 1, § 14 Abs. 1 und Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Bender, Dr. Franke
Fundstellen