Entscheidungsstichwort (Thema)
Flurbereinigungsgericht. Trennungsbeschluss. Unanfechtbarkeit. Revisionszulassung. Verfahrensmangel. Darlegungserfordernis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Rüge, die Voraussetzungen für die Abtrennung eines Verfahrens gemäß § 93 VwGO hätten nicht vorgelegen, kann die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deswegen nicht rechtfertigen, weil Beschlüsse über die Trennung von Verfahren nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unanfechtbar sind, dass sie nicht der Nachprüfung des Revisionsgerichts unterliegen.
2. Unberührt davon bleibt die Möglichkeit, mit der Nichtzulassungsbeschwerde Mängel zu rügen, die als Folge der beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften (im Anschluss an das Urteil vom 17. Februar 1972 – BVerwG 8 C 84.70 – BVerwGE 39, 319 ≪324≫).
Normenkette
VwGO §§ 93, 132 Abs. 2 Nr. 3, § 133 Abs. 3 S. 3, § 146 Abs. 2, § 173; ZPO § 557 Abs. 2
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Urteil vom 21.05.2007; Aktenzeichen 13 A 06.111) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Flurbereinigungsgericht) vom 21. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen als Gesamtschuldner.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 4 481 € festgesetzt.
Gründe
Durch den Tod des Klägers Josef H… ist eine Unterbrechung des Verfahrens nicht eingetreten; seine Prozessbevollmächtigten haben mit Schriftsatz vom 12. September 2007 mitgeteilt, der Rechtsstreit werde fortgesetzt (§ 173 VwGO i.V.m. § 239 Abs. 1, § 246 Abs. 1 ZPO).
Die auf den Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Ein Verfahrensmangel, der zur Zulassung der Revision führen könnte, ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht.
1. Die Rüge, die Voraussetzungen des § 93 VwGO für eine Abtrennung des Klagepunktes “Nummer 4 des Bescheides vom 18. März 2005” hätten nicht vorgelegen, kann die Zulassung der Revision schon deswegen nicht rechtfertigen, weil Beschlüsse über die Verbindung und Trennung von Verfahren nach § 146 Abs. 2 VwGO mit der Folge unanfechtbar sind, dass sie nicht der Nachprüfung des Revisionsgerichts unterliegen (§ 173 VwGO i.V.m. § 557 Abs. 2 ZPO, vgl. Beschluss vom 19. November 1982 – BVerwG 9 CB 674.82 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 217).
Unbeschadet dessen kann die Beschwerde Mängel rügen, die als Folge der beanstandeten Trennung dem angefochtenen Urteil selbst anhaften (vgl. Urteil vom 17. Februar 1972 – BVerwG 8 C 84.70 – BVerwGE 39, 319 ≪324≫). Solche Mängel sind von der Beschwerde aber nicht hinreichend dargelegt worden (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Sie trägt vor, der im Verfahren verbliebene Klagepunkt Nr. 1, der den Streit über den Grenzverlauf zwischen den Abfindungsgrundstücken 1083 und 1084 betreffe, habe notwendig Einfluss auf die Abmarkung der Außengrenze der klägerischen Abfindungsgrundstücke, um die es beim Klagepunkt Nr. 4 gehe, so dass der insgesamt fehlerhafte Flurbereinigungsplan nicht bezüglich zeichnerischer und textlicher Fehlerhaftigkeit “aufgesplittet” werden könne. Der Beklagte weist in seiner Beschwerdeerwiderung zutreffend darauf hin, dass es ein Fehlverständnis wäre, wenn man den Trennungsbeschluss so auslegen wollte, als wäre durch ihn eine Trennung zwischen zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Flurbereinigungsplans bewirkt worden. Auch unter Berücksichtigung des der Beschwerdebegründung als Anlage beigefügten Auszugs aus der Änderungskarte zur Abfindungskarte wird von der Beschwerde nicht hinreichend aufgezeigt, worin der untrennbare Zusammenhang zwischen der Entscheidung über den Klagepunkt Nr. 1 und dem Klagepunkt Nr. 4 liegen soll. Die streitige Außengrenze verläuft zwar entlang des Abfindungsgrundstücks 1083, berührt sich aber nicht mit dem Grenzverlauf, der Streitgegenstand des Klagepunktes Nr. 1 ist. Die Behauptung der Beschwerde, eine Änderung der zeichnerischen Darstellung des zuletzt genannten Grenzverlaufs ändere auch den äußeren Grenzverlauf, ist nicht nachvollziehbar, und zwar auch dann nicht, wenn man in den Blick nimmt, dass das Abfindungsgrundstück 1084 an das Abfindungsgrundstück 1062 angrenzt und mit diesem einen gemeinsamen Grenzpunkt besitzt, der auf der Außengrenze liegt.
2. Aus den vorgenannten Gründen kann die Beschwerde auch nicht mit der von ihr erhobenen Gehörsrüge Erfolg haben, die darauf gestützt wird, die im abgetrennten Verfahren VGH 13 A 07.1278 begehrte Änderung des Textteils werde hier zeichnerisch bereits umgesetzt und dem Kläger werde aufgrund der dann entgegenstehenden Rechtskraft des angefochtenen Urteils die Möglichkeit genommen, zu den Grundlagen der textlichen Festsetzung Stellung zu nehmen.
3. Nicht überzeugen kann es schließlich, wenn die Beschwerde dem Flurbereinigungsgericht vorwirft, eine Überraschungsentscheidung erlassen zu haben. Das Verbot von Überraschungsentscheidungen ist aus § 86 Abs. 3, § 104 Abs. 1 und § 108 Abs. 2 VwGO sowie aus Art. 103 Abs. 1 GG abzuleiten. Es verbietet, einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage einer Entscheidung zu machen und damit dem Rechtsstreit eine Wendung zu geben, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫). Davon kann hier keine Rede sein.
Die Beschwerde trägt unter Hinweis auf die Behandlung des Klagepunktes Nr. 3 vor, in den Entscheidungsgründen seines Urteils gehe das Flurbereinigungsgericht nicht darauf ein, dass in der Klagebegründung vom 29. März 2006 (dort auf S. 4) und ebenso in dem klägerischen Schriftsatz vom 16. Mai 2007 der Grenzverlauf der Abfindungsgrundstücke 2494 und 2494/1 streitig gestellt worden und der Einwand erhoben worden sei, das Abfindungsflurstück 2494/1 sei aus der Einlage der Kläger gebildet worden. Das Flurbereinigungsgericht lasse es damit bewenden, dass die zurückzugebende Fläche überhaupt vorhanden gewesen sei. Die Beschwerde meint, das Flurbereinigungsgericht hätte, wenn es sich mit diesem Vortrag auseinander gesetzt hätte, hinsichtlich der von ihm angenommenen Rücktrittsvoraussetzungen zu einem anderen Ergebnis gelangen müssen. Angesichts des Akteninhalts, auf den in den Entscheidungsgründen Bezug genommen wird (UA S. 7), ist damit nicht schlüssig dargelegt (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), dass das Flurbereinigungsgericht eine Überraschungsentscheidung getroffen hätte.
Die von der Beschwerde angesprochenen Streitfragen waren bereits Gegenstand des Klageverfahrens VGH 13 A 97.1298, das durch das rechtskräftige Urteil vom 11. November 1999 abgeschlossen ist. Nähere Einzelheiten sind auf S. 13 dieses Urteils abgehandelt. Auf die Bindungswirkung der insoweit rechtskräftig getroffenen Entscheidung beruft sich das Flurbereinigungsgericht in Würdigung des klägerischen Vortrags, die Rücktrittsvoraussetzungen hätten nicht vorgelegen, weil das Abfindungsgrundstück 2494/1 Teil der klägerischen Einlage gewesen sei (UA S. 11). Hinsichtlich der Abmarkung der genannten Fläche verweist das Flurbereinigungsgericht auf das Ergebnis der Augenscheinseinnahme, die bestätigt habe, dass die Abformung des verbliebenen Flurstücks, die sich im Wesentlichen am Einlagenstand orientiere, unter Berücksichtigung dessen, dass es keinen Anspruch auf eine bestimmte Gestaltung des Abfindungsgrundstücks gebe, sachgerecht erfolgt sei (UA S. 11 f.). Es kann somit keine Rede davon sein, dass sich das Flurbereinigungsgericht nicht mit dem klägerischen Vortrag zum Klagepunkt Nr. 3 auseinander gesetzt hat. Wenn das Flurbereinigungsgericht dabei einen materiellrechtlichen Standpunkt eingenommen hat, den die Beschwerde nicht billigt, wird damit nicht aufgezeigt, dass die Kläger durch eine Überraschungsentscheidung in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden sein könnten.
Die Kläger sind ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung (S. 3) vom Vorsitzenden darauf hingewiesen worden, dass nach einer Senatsberatung der Klagepunkt Nr. 3 voraussichtlich keine Erfolgsaussichten haben konnte. Der Vorsitzende hat die Auffassung des Flurbereinigungsgerichts begründet, und die Beteiligten hatten Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Angesichts dieses Ablaufs der mündlichen Verhandlung wäre eine Gehörsverletzung nur denkbar, wenn die dort erteilten Hinweise zur Sach- und Rechtslage für die Beteiligten irreführend gewesen wären. Das wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1, § 47 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Storost, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen