Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiladung. notwendige Beiladung. Rechtsnachfolge. Einzelrechtsnachfolge. Ausgliederung. Prozessstandschaft
Leitsatz (amtlich)
Tritt während des Anfechtungsrechtsstreits gegen eine dem Beigeladenen erteilte Entgeltgenehmigung ein aus diesem ausgegliedertes Unternehmen in die Rechtsbeziehungen zum Kläger ein, wird der Prozess gemäß § 173 VwGO in Verbindung mit § 265 Abs. 2 ZPO mit dem (bisherigen) Beigeladenen als Prozessstandschafter des ausgegliederten Unternehmens fortgesetzt.
Normenkette
TKG § 37 Abs. 2; VwGO §§ 63, 65 Abs. 2, § 121 Nr. 1, § 173; ZPO § 265 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 27.08.2009; Aktenzeichen 1 K 3427/01) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Beiladung der Telekom Deutschland GmbH wird abgelehnt.
Gründe
Rz. 1
Dem Beiladungsantrag ist nicht zu entsprechen, denn die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung, die im Revisionsverfahren allein in Betracht zu ziehen ist (§ 142 Abs. 1 Satz 2 VwGO), liegen nicht vor.
Rz. 2
Notwendig im Sinne des § 65 Abs. 2 VwGO ist die Beiladung eines Dritten dann, wenn dieser an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt ist, dass die Entscheidung auch ihm gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies setzt voraus, dass die begehrte Sachentscheidung nicht wirksam getroffen werden kann, ohne dass dadurch gleichzeitig und unmittelbar in Rechte des Dritten eingegriffen wird, d.h. seine Rechte gestaltet, bestätigt oder festgestellt, geändert oder aufgehoben werden (s. Beschlüsse vom 9. Januar 1999 – BVerwG 11 C 8.97 – Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 131 S. 1, vom 13 Juni 2007 – BVerwG 6 VR 5.07 – Buchholz 310 § 80 VwGO Nr. 74 Rn. 6 und vom 31. März 2008 – BVerwG 6 C 14.07 – Buchholz 442.066 § 30 TKG Nr. 3 Rn. 2, jeweils m.w.N.). Unter den hier gegebenen Umständen müssen die Rechte der Telekom Deutschland GmbH nicht durch deren Beiladung zur Geltung gebracht werden. Zwar wurde durch die angefochtene Entgeltgenehmigung das privatrechtliche Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der (bisherigen) Beigeladenen – unter Beseitigung des privatautonomen Spielraums – in der Weise unmittelbar gestaltet, dass das genehmigte Entgelt an die Stelle des vereinbarten Entgelts getreten ist (§ 29 Abs. 2 TKG 1996; jetzt: § 37 Abs. 2 TKG 2004) und etwaige Einwände nur im Verwaltungsrechtsweg geltend gemacht werden können (BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 – III ZR 467/04 – NJW 2007, 3344 ≪3345≫). Nach dem übereinstimmenden Sachvortrag der Beteiligten ist weiter davon auszugehen, dass mit der Ausgliederung der Festnetzsparte von der bisherigen Beigeladenen auf die Telekom Deutschland GmbH die von der Entgeltgenehmigung betroffenen Rechtsbeziehungen zur Klägerin von der Beigeladenen auf das genannte Unternehmen übergegangen sind. Damit ist aber keine Änderung der Prozessrechtslage eingetreten, die die Beiladung (auch) dieses Unternehmens geböte. Denn dessen Rechte sind weiter von der bisherigen Beigeladenen im Wege der Prozessstandschaft geltend zu machen.
Rz. 3
Die Ausgliederung der Telekom Deutschland GmbH, die prozessual als Einzelrechtsnachfolge zu bewerten ist (s. auch Urteil vom 25. November 2009 – BVerwG 6 C 34.08 – Buchholz 442.066 § 31 TKG Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.), hat gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO keinen Einfluss auf den Prozess, der mit der Beigeladenen fortgesetzt wird. Der Einwand der Klägerin, § 265 ZPO sei nur auf die zwischen den Prozessparteien – dem Kläger und dem Beklagten – streitbefangene Sache anwendbar, was die Einbeziehung Beigeladener als Dritter ausschließe, überzeugt nicht. Dieses Argument verkennt, dass die in § 173 Abs. 1 Satz 1 VwGO angeordnete entsprechende Anwendung des § 265 ZPO den im Verhältnis zum Zivilprozess bestehenden Besonderheiten des Verwaltungsprozessrechts Rechnung tragen muss. Der Beteiligtenbegriff des § 63 VwGO schließt neben dem Kläger und dem Beklagten auch den Beigeladenen ein, dessen prozessuale Rechtsstellung dann, wenn die Beiladung wegen einer unmittelbaren Betroffenheit in eigenen Rechten nach § 65 Abs. 2 VwGO notwendig ist, derjenigen der Hauptbeteiligten weitgehend angenähert ist (§ 66 Satz 2 VwGO). Der Zweck des § 265 ZPO, das Prozessrechtsverhältnis vor materiellrechtlichen Änderungen abzuschirmen und den Prozess unabhängig davon mit demjenigen zu Ende zu führen, mit dem er begonnen wurde (Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl. 2008, § 265 Rn. 1; Becker-Eberhard, in: MünchKommZPO, 3. Aufl. 2008, § 265 Rn. 2), erfordert in der Situation des Verwaltungsprozessrechts die Anwendung auch auf den notwendig Beigeladenen, der im materiellen Sinne der Streitgegner des Klägers ist. So sind im hier vorliegenden Fall streitbefangen die mit der Ausgliederung von der Beigeladenen auf die Telekom Deutschland GmbH übertragenen Rechte aus der von der Klägerin angefochtenen Entgeltgenehmigung; diese können und müssen von der Beigeladenen als nunmehr fremde Rechte im eigenen Namen gegen die Angriffe der Klägerseite verteidigt werden.
Rz. 4
Entgegen der Auffassung der Klägerin bedarf es einer Beiladung der Telekom Deutschland GmbH auch nicht, um die Rechtskraft des Urteils auf sie zu erstrecken. Denn nach § 121 Nr. 1 VwGO bindet das rechtskräftige Urteil über die Beteiligten – einschließlich der Beigeladenen – hinaus auch deren Rechtsnachfolger.
Unterschriften
Neumann, Büge, Dr. Bier
Fundstellen
Haufe-Index 2638259 |
DÖV 2011, 580 |