Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 19.04.2012; Aktenzeichen 20 D 117/08.AK) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 19. April 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 60 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I
Rz. 1
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten vom 24. September 2008, mit dem ihr Antrag abgelehnt worden ist, den Nachtflugverkehr auf dem Flughafen Köln/Bonn “im Wege eines Teilwiderrufs des (fingierten) Planfeststellungsbeschlusses” in der Zeit von 22.00 bis 6.00 Uhr zu untersagen, hilfsweise weniger weit gehende Maßnahmen des aktiven Schallschutzes anzuordnen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil den geltend gemachten Ansprüchen die Duldungspflicht aus § 9 Abs. 3 LuftVG, § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG NRW entgegenstehe (UA S. 18). Eine Durchbrechung der durch die Vorschriften erzeugten Sperrwirkung sei nicht notwendig, weil davon auszugehen sei, dass unterstellte Rechtsverletzungen der Klägerin durch passive Schallschutzmaßnahmen abgewendet werden könnten (UA S. 20). Ein Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene mittels eines Teilwiderrufs des (fiktiven) Planfeststellungsbeschlusses komme auch deshalb nicht in Betracht, weil verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter der Klägerin nicht verletzt seien (UA S. 25). Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Klägerin.
Entscheidungsgründe
II
Rz. 2
Die Beschwerde ist nicht begründet. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung, die ihr die Klägerin beimisst.
Rz. 3
1. Die Frage, ob die Planfeststellungsfiktion eines Verkehrsflughafens nachträglichen Betriebsbeschränkungen während der nächtlichen Kernruhezeit (0.00 bis 5.00 Uhr) erst dann nicht mehr entgegensteht, wenn eine Gesundheitsgefahr für die Flughafenanwohner besteht, die durch Maßnahmen des passiven Schallschutzes nicht beseitigt werden können, oder schon dann nicht mehr, wenn während der Nachtkernzeit Nachtflugbetrieb erfolgt, ohne dass ein standortspezifischer Nachtflugbedarf besteht, knüpft an den Rechtssatz des Oberverwaltungsgerichts an, dass von einem Dritten der Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses erst dann verlangt werden kann, wenn der Fluglärm die Schwelle des verfassungsrechtlich Zumutbaren überschreitet und der dann gebotene Schutz nicht mit Vorkehrungen im Sinne des § 75 Abs. 2 Satz 2 VwVfG NRW bewirkt werden kann (UA S. 19). Die Klägerin hält diesen Rechtssatz für falsch und möchte geklärt wissen, ob das Oberverwaltungsgericht die Anforderungen an die Voraussetzungen für einen Anspruch Dritter auf Widerruf eines Planfeststellungsbeschlusses überspannt hat. Ihre Frage ist allerdings ebenso wie die Fragen, ob angesichts der neuen Erkenntnisse der Lärmwirkungsforschung davon auszugehen ist, dass Nachtflugverkehr während der Kernruhezeit, ohne dass hierfür ein standortspezifischer Nachtflugbedarf besteht, wegen der hohen Bedeutung der Nachtruhe für die Gesundheit der Bevölkerung eine Gesundheitsgefahr darstellt, die auch im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nachträgliche Betriebsbeschränkungen im Rahmen des Teilwiderrufs eines planfestgestellten Flughafens zulässt, und ob es mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar ist, wenn Anwohnern eines Flughafens mit fingierter Planfeststellung und Genehmigung Nachtflugverkehr in der Nachtkernzeit zugemutet wird, obwohl ein standortspezifischer Nachtflugbedarf nicht oder nur eingeschränkt besteht, während Anwohner eines neuen oder geänderten Flughafens nur solchen Nachtflugverkehr hinnehmen müssen, für den ein standortspezifischer Nachtflugbedarf mit der Folge besteht, dass der Nachtflugverkehr an den Flughäfen ohne Nachtflugbeschränkung weiter zunimmt, auf einen Sachverhalt zugeschnitten, von dem das Oberverwaltungsgericht nicht ausgegangen ist. Die Vorinstanz hat nicht festgestellt, dass es an einem standortspezifischen Bedarf für nächtlichen Flugverkehr am Flughafen Köln/Bonn fehlt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts scheidet die Zulassung der Revision aber aus, wenn ein Gericht eine Tatsache nicht festgestellt hat, die für die Entscheidung der angesprochenen Rechtsfrage erheblich sein würde, sondern lediglich die Möglichkeit besteht, dass die Rechtsfrage nach Zurückverweisung der Sache aufgrund weiterer Sachaufklärung entscheidungserheblich werden könnte (vgl. Beschlüsse vom 28. Dezember 1998 – BVerwG 9 B 197.98 – juris und vom 28. November 2005 – BVerwG 4 B 66.05 – ZfBR 2006, 159; stRspr).
Rz. 4
2. Die Frage, ob eine Gemeinde, die Eigentümerin von durch nächtlichen Fluglärm beeinträchtigten Wohnungen und Einrichtungen ist, eine nachträgliche Beschränkung des Nachtflugverkehrs auf den standortspezifischen Nachtflugbedarf im Rahmen eines Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Teilwiderruf der Flughafengenehmigung aufgrund ihrer privatrechtlichen Stellung als Eigentümerin bzw. als Trägerin kommunaler Planungshoheit geltend machen kann oder ob sich ein solcher Anspruch allein aus dem der Gemeinde nicht zustehenden Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit ergibt, führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Das Oberverwaltungsgericht hat, von der Beschwerde unbeanstandet, dem Anspruch entgegengehalten, dass sich eine unterstellte Gefährdung von der Klägerin geplanter Baugebiete, ihrer öffentlichen Einrichtungen und von ihr vermieteter Wohnungen aufgrund (unterstellt) gesundheitsgefährdender Belastung durch nächtlichen Fluglärm durch eine entsprechende Schalldämmung der betroffenen Objekte einschließlich schallisolierter Belüftungsvorrichtungen ausschließen lasse (UA S. 20). Auf die – den Gegenstand der vorstehenden Frage bildende – zusätzliche Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, ein Einschreiten des Beklagten gegen die Beigeladene mittels eines Teilwiderrufs des Planfeststellungsbeschlusses komme auch deshalb nicht in Betracht, weil die insoweit erforderliche Voraussetzung einer Verletzung verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter nicht erfüllt sei (UA S. 25), kommt es folglich im Ergebnis nicht an. Denn diese Erwägung könnte hinweggedacht werden, ohne dass sich an dem Ausgang des Rechtsstreits etwas ändern würde.
Rz. 5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO und die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Dr. Gatz, Dr. Decker
Fundstellen