Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 05.04.2001; Aktenzeichen 2 A 2126/99) |
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. April 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 361 EUR (entspricht 32 000 DM) festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die für die Zulassung der Revision geltend gemachten Gründe liegen nicht vor.
1. Die Revision kann nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden.
Die Beschwerde rügt insoweit, das Berufungsgericht weiche „von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Inlandspasseintragung”, insbesondere von den Urteilen vom 23. März 2000 – BVerwG 5 C 25.99 – (Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 92) und vom 29. August 1995 – BVerwG 9 C 391.94 – (BVerwGE 99, 133), ab. In seinem letzteren Urteil habe das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, dass von einer Erklärung zu einem nichtdeutschen Volkstum bis zum Verlassen des Aussiedlungsgebietes durch ein Verhalten, das sich als eindeutiges Bekenntnis zum deutschen Volkstum darstellt, abgerückt werden kann und dass das ernsthafte Bemühen, im Pass statt der nichtdeutschen die deutsche Nationalität eingetragen zu bekommen, Bekenntnischarakter haben kann.
Die Beschwerde zeigt indessen entgegen den Erfordernissen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO bereits keinen Rechtssatz in der angegriffenen Entscheidung auf, der zu einem der in den angeführten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten Rechtssätze im Gegensatz steht. Sie ist dazu auch nicht in der Lage, weil das Berufungsgericht ausdrücklich von den oben aufgeführten Rechtssätzen ausgegangen ist (Berufungsurteil S. 11, 15 f.). Mit ihren zur Begründung ihrer Divergenzrüge gemachten Ausführungen wendet sich die Beschwerde vielmehr gegen die Sachverhaltswürdigung des Berufungsgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Ein prinzipieller Auffassungsunterschied in einer Rechtsfrage zwischen dem Berufungsgericht und dem Bundesverwaltungsgericht ergibt sich daraus nicht.
Unabhängig davon scheidet eine Zulassung nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auch deshalb aus, weil eine Abweichung von einer durch Gesetzesänderung überholten Rechtsprechung eine Divergenzzulassung nicht zu begründen vermag (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. März 1961 – BVerwG VIII CB 6.61 – [DVBl 1961, 745 ≪746≫]; BSG, Beschluss vom 19. März 1986 – 7 BAr 75/85 – [SozR 1500 § 160 a Nr. 58 = MDR 1986, 789]; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 17. April 1991 – BVerwG 5 B 55.91 – [Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 300] zur älteren, durch Rechtsprechungsänderung überholten Rechtsprechung). Denn Sinn und Zweck des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, die Einheitlichkeit der Rechtsprechung zu sichern, fordern eine Revisionszulassung nicht, wenn die Berufungsentscheidung sich auf jeden Fall durch eine nach ihrem Erlass erfolgte Gesetzesänderung im Ergebnis als richtig erweist (§ 144 Abs. 4 VwGO) und es in einem etwaigen Revisionsverfahren auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschiedene Rechtsfrage nicht mehr ankäme.
So aber liegt es hier. Denn § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG in der Fassung des Gesetzes zur Klarstellung des Spätaussiedlerstatus (Spätaussiedlerstatusgesetz – SpStatG) vom 30. August 2001 (BGBl I S. 2266) verlangt für die deutsche Volkszugehörigkeit, dass sich die betreffende Person bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf vergleichbare Weise nur zum deutschen Volkstum bekannt hat und schließt damit die Revidierung eines „Gegenbekenntnisses” aus (vgl. BTDrucks 14/6310 S. 6). Diese am 7. September 2001 in Kraft getretene Regelung gilt in Ermangelung einer gesetzlichen Überleitungsvorschrift auch für noch nicht abgeschlossene Aufnahmeverfahren (vgl. BVerwGE 99, 133 [135 ff.]; 114, 116 [118]) und ist damit im vorliegenden Verfahren zu beachten.
2. Die Revision kann auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen werden. Die von der Beschwerde gerügten Verfahrensfehler (Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes und des rechtlichen Gehörs) rechtfertigen eine Zulassung der Revision nicht, weil es auf sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht ankäme. Dies ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung des § 144 Abs. 4 VwGO (vgl. hierzu BVerwGE 54, 99 [100] sowie Beschlüsse vom 30. April 1990 – BVerwG 5 ER 616.90 – [Buchholz 310 § 125 VwGO Nr. 9 S. 3] und vom 17. März 1998 – BVerwG 4 B 25.98 – [NVwZ 1998, 737]), der auch bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs trotz ihres Charakters als absoluter Revisionsgrund i.S. des § 138 Nr. 3 VwGO ausnahmsweise dann anwendbar ist, wenn sich die Verletzung nur auf einzelne Feststellungen bezieht, auf die es für die revisionsgerichtliche Entscheidung nicht ankommt (vgl. BVerwGE 62, 6 [10 f.]; Urteil vom 16. März 1994 – BVerwG 11 C 48.92 – [NVwZ 1994, 1095 ≪1096≫] sowie BFH, Beschluss vom 5. Juni 1997 – III B 296/95 – [BFH/NV 1998, 35 ≪37≫]). So aber liegt es hier. Denn die gerügten Verfahrensfehler beziehen sich auf die Frage, „ob ein ernsthaftes Bemühen der Klägerin zur Abänderung des Inlandspasses festgestellt werden konnte” (Beschwerdeschrift S. 7). Diese Frage wäre aber im Revisionsverfahren, nachdem § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG i.d.F. des Spätaussiedlerstatusgesetzes die Revidierung eines „Gegenbekenntnisses” nicht mehr zulässt, nicht mehr entscheidungserheblich.
Der Senat konnte unter Rückgriff auf § 144 Abs. 4 VwGO entscheiden, ohne die Beteiligten zuvor auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt hinweisen zu müssen. Denn die Bedeutung des § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG i.d.F. des Spätaussiedlerstatusgesetzes für den vorliegenden Rechtsstreit war von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 11. Oktober 2001 angesprochen worden und von den Klägern in ihrem Schriftsatz vom 31. Oktober 2001 bestritten worden. Die Kläger konnten deshalb nicht dadurch überrascht werden, dass der Senat diese Rechtsfrage aufgreift und dem Erfolg ihrer Nichtzulassungsbeschwerde entgegen hält.
3. Schließlich ist die Revision auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Wann und unter welchen Umständen die Erklärung zu einer nichtdeutschen Nationalität, die in den Pass eingetragen worden ist, als unbeachtliches „Lippenbekenntnis” angesehen werden kann, beurteilt sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls und ist daher einer rechtsgrundsätzlichen Klärung durch das Revisionsgericht entzogen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 13 Abs. 1 Satz 2, § 14 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Pietzner, Schmidt, Dr. Franke
Fundstellen