Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögenszuordnungsrecht. Erlösauskehr. Verbindlichkeiten. zuordnungsfähige Verbindlichkeiten. dingliche Sicherung. Objektbezug. Rechtsträger. vertraglicher Verwalter
Leitsatz (amtlich)
Der für die Zuordnung einer Verbindlichkeit notwendige Objektbezug zu einem zuzuordnenden Grundstück wird nicht allein dadurch hergestellt, dass sie für Aufwendungen eingegangen worden ist, die in das Grundstück geflossen sind; erforderlich ist darüber hinaus, dass die Verbindlichkeit – wenn sie nicht durch eine dingliche Sicherung mit dem Grundstück verbunden ist – über einen Rechtsträger in zuordnungsfähiger Weise am Grundstück haftet (wie BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 – VIII ZR 266/95 – BGHZ 133, 363 ≪367 f.≫).
Normenkette
VZOG § 1a Abs. 1, § 8 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 10.08.2010; Aktenzeichen 7 K 1308/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. August 2010 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin beansprucht nach § 8 Abs. 4 Satz 2 VZOG die Auskehr des Erlöses aus einer im Jahre 1991 vorgenommenen Veräußerung eines Grundstücks durch die Gemeinde U…, die zwischenzeitlich in das Gebiet der Beklagten eingemeindet worden ist. Die Beklagte hält dem Anspruch entgegen, objektbezogene Altkredite bedient und damit Verbindlichkeiten zugunsten der Klägerin getilgt zu haben.
Rz. 2
Nachdem das Verwaltungsgericht die Beklagte bereits mit Urteil vom 24. März 2009 antragsgemäß verurteilt hatte und dieses Urteil mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. August 2009 wegen eines Sachaufklärungsmangels aufgehoben und die Sache zurückverwiesen worden war, hat es der Klage mit Urteil vom 10. August 2010 erneut stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beklagte schon deswegen keine Altschulden im Interesse der Klägerin getilgt habe, weil diese Verbindlichkeiten solche des ehemaligen privaten Eigentümers des Grundstücks seien, die nicht Gegenstand einer Zuordnung nach dem Vermögenszuordnungsgesetz sein könnten.
Rz. 3
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil bleibt ohne Erfolg. Es liegt weder die gerügte Abweichung von einer Entscheidung des Senats im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO vor (1.), noch weist die Rechtssache die daneben geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf (2.).
Rz. 4
1. Die Beklagte ist der Auffassung, das angegriffene Urteil weiche von dem Beschluss des Senats vom 8. Juni 2007 – BVerwG 3 B 107.06 – (Buchholz 428.2 § 1a VZOG Nr. 15) ab. Während dort als maßgeblich für die Zuordnung von Verbindlichkeiten allein ihr Objektbezug angesehen worden sei, also ihr unmittelbarer Zusammenhang mit dem zugeordneten Vermögensgegenstand und nicht das Schicksal des jeweiligen Schuldners oder seines Rechtsnachfolgers, habe das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausschließlich auf vermeintliche schuldrechtliche Vertragsbeziehungen, Anspruchsgrundlagen hieraus und Erlöschensgründe abgestellt.
Rz. 5
Die Abweichung besteht nicht. Es trifft zu, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (grundlegend Urteil vom 8. Juli 1994 – BVerwG 7 C 36.93 – BVerwGE 96, 231, daran anschließend Beschluss vom 8. Juni 2007 – a.a.O. – sowie Urteil vom 25. Juli 2007 – BVerwG 3 C 19.06 – Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 70) die Zuordnung von Vermögensgegenständen nach § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG die Verbindlichkeiten umfasst, die konkret auf den zugeordneten Vermögensgegenstand bezogen sind, also nicht nur dingliche Lasten und Berechtigungen, sondern auch Rechte und Pflichten aus Schuldverhältnissen; insoweit ist in der Tat der tatsächliche Objektbezug der Verbindlichkeit ausschlaggebend. Selbstverständliche Voraussetzung ist allerdings, dass die Verbindlichkeit überhaupt Gegenstand der öffentlich-rechtlichen Zuordnung sein kann, das heißt, es muss sich um eine Verbindlichkeit handeln, für die ein bisheriger Rechtsträger einzustehen hatte; denn nur dann gehört sie zum zuordnungsfähigen Vermögen nach § 1a Abs. 1 VZOG. Der notwendige Objektbezug zum zuzuordnenden Vermögensgegenstand wird also nicht allein dadurch hergestellt, dass die Verbindlichkeit für Aufwendungen eingegangen worden ist, die in das Grundstück geflossen sind; erforderlich ist darüber hinaus, dass die Verbindlichkeit – wenn sie nicht durch eine dingliche Sicherung mit dem Grundstück verbunden ist – über einen Rechtsträger in zuordnungsfähiger Weise am Vermögenswert haftet (vgl. dazu auch BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 – VIII ZR 266/95 – BGHZ 133, 363 ≪367 f.≫). Aus der bisherigen Rechtsprechung des Senats ergibt sich nichts anderes, insbesondere nicht aus dem vom Kläger herangezogenen Beschluss vom 8. Juni 2007 (a.a.O.). Dort brauchte auf diese Frage schon deswegen nicht eingegangen zu werden, weil es sich in jenem Fall fraglos um Schulden eines früheren Rechtsträgers handelte; umstritten war nur, ob dessen Weiterexistenz den Übergang der Verbindlichkeiten auf den Zuordnungsberechtigten hinderte. Insoweit kam es nur noch auf den Objektbezug der Verbindlichkeiten für die dem Vermögensgegenstand folgende Zuordnung an.
Rz. 6
Im Einklang mit der dargestellten Rechtslage hat das Verwaltungsgericht auf der Grundlage seiner nach der Zurückverweisung des Rechtsstreits getroffenen Feststellung, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten beim Abschluss der Kreditverträge als vertragliche Verwalterin handelte, dargelegt, dass die nach Überführung des Grundstücks in Volkseigentum noch vorhandenen schuldrechtlichen Verbindlichkeiten solche des privaten Eigentümers waren mit der Folge, dass ihre Tilgung der Zuordnungsberechtigten keine Aufwendungen ersparen konnte.
Rz. 7
2. Aus den Ausführungen zu der Divergenzrüge ergibt sich zugleich, dass die Rechtssache nicht die von der Beklagten geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung aufweist. Die Beklagte hält den Begriff der Objektbezogenheit für klärungsbedürftig und verweist dazu auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. Februar 1994 – VII ZR 29/94 – (BGHZ 128, 393), wonach Werklohnforderungen für Baumaßnahmen auf dem zuzuordnenden Grundstück mit dem Grundstück auf den Zuordnungsberechtigten übergehen, auch wenn der die Forderung begründende Werkvertrag nicht zwischen dem seinerzeitigen Rechtsträger des Grundstücks und dem Werkunternehmer abgeschlossen worden ist.
Rz. 8
Einen über das Dargelegte hinausgehenden Klärungsbedarf begründen die Ausführungen des Bundesgerichtshofs schon deswegen nicht, weil der Auftraggeber jener Baumaßnahmen keine Privatperson, sondern ein VEB war, der einem anderen VEB den Bauauftrag für ein in Volkseigentum stehendes Grundstück erteilt hatte. Demgemäß handelte es sich um eine objektbezogene Verbindlichkeit, die in jedem Fall einem bisherigen Rechtsträger anzulasten war und die daher fraglos zum zuordnungsfähigen Vermögen im Sinne des § 1a Abs. 1 VZOG gehörte.
Rz. 9
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 6 Abs. 3 Satz 1 VZOG nicht erhoben. Wegen des Gegenstandswertes wird auf § 6 Abs. 3 Satz 2 VZOG hingewiesen.
Unterschriften
Kley, Prof. Dr. Dr. h.c. Rennert, Dr. Wysk
Fundstellen
DÖV 2011, 580 |
LKV 2011, 170 |