Entscheidungsstichwort (Thema)
Bau einer Telekommunikationslinie. unentgeltliches Nutzungsrecht von Verkehrswegen. kein Rückgriff auf Sondernutzungsrechte. Landesstraßenrecht
Leitsatz (amtlich)
Das unentgeltliche Nutzungsrecht von Verkehrswegen nach § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG gilt umfassend auch während des Baus von öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien.
Normenkette
TKG § 50
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Aktenzeichen 4 E 698/97 (2)) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 25. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 328 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Das Vorbringen der Beschwerde ergibt nicht, dass die geltend gemachten Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 Nr. 1 oder 3 VwGO gegeben sind.
1. Die Beschwerde rügt als Verfahrensmangel eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO. Die erhobene Verfahrensrüge genügt nicht der Darlegungspflicht des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
a) Die Beschwerde trägt vor, dass Berufungsgericht habe das in § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltene Tatbestandselement „für öffentliche Zwecke” nicht näher behandelt. Darin liegt weder eine Verletzung der Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO noch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz des § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO, auf den sich die Verfahrensrüge erstrecken soll, wie zugunsten der Beschwerde angenommen wird.
Ein Gericht ist im Rahmen seiner ihm obliegenden Begründungspflicht nicht gehalten, Selbstverständlichkeiten näher darzulegen. Es darf sich vielmehr darauf beschränken, in gebotener Kürze die maßgebenden und nicht auf der Hand liegenden Gesichtspunkte darzulegen (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Das hat das Berufungsgericht hinsichtlich in der von Beschwerde beanstandeten Subsumtion getan. Dass die von der Beigeladenen verlegten Telekommunikationslinien im Sinne von § 50 TKG öffentlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, lag für das Berufungsgericht aufgrund allgemeinen Wissens auf der Hand und bedurfte daher keiner weiteren Erwähnung. Auch das Vorbringen der Beschwerde lässt anderes nicht erkennen. Sie trägt nicht einmal vor, dass die Klägerin in den vorinstanzlichen Verfahren die bereits im Widerspruchsbescheid vom 13. März 1998 diesbezüglich enthaltenen Ausführungen als fehlerhaft kritisiert habe. Davon kann auch keine Rede sein. Dem Berufungsgericht musste sich eine Aufklärung nicht aufdrängen. Die Beschwerde behauptet nicht, sie habe im Berufungsverfahren entsprechende Beweisanträge gestellt, die zu ihrem Nachteil nicht beschieden worden wären. Für die aus der Verletzung der Aufklärungspflicht abgeleiteten Verfahrensrüge fehlt es im Übrigen auch an dem Vorbringen, mit welchen Beweismitteln das Berufungsgericht die von der Beschwerde erwartete Aufklärung hätte vornehmen sollen.
b) Die Beschwerde kritisiert als eine Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO des Weiteren, das Berufungsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, in welcher Weise eine Telekommunikationslinie öffentliche Wege in Anspruch nehme.
Das Vorbringen ist unzulässig. Die Beschwerde macht in Wahrheit keinen Verfahrensmangel geltend. Vielmehr will sie unter dem Mantel einer Verfahrensrüge die materiellrechtliche Frage geklärt wissen, ob das aus § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG folgende Recht zur unentgeltlichen Nutzung von Verkehrswegen für Telekommunikationslinien auch die Errichtung von Verteilungskästen umfasst. Für eine derartige Klärung steht ihr jedoch der Zulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht zur Verfügung. Eine Umdeutung der Verfahrensrüge in eine Grundsatzrüge im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 1 VwGO scheidet schon deswegen aus, weil die umstrittene Sondernutzungsgebühr nach dem vom Verwaltungsgerichtshof festgestellten Sachverhalt nicht für die Errichtung eines Verteilungskastens erhoben worden ist.
2. Die Beschwerde macht geltend, die Rechtssache habe aus verschiedenen Gründen grundsätzliche Bedeutung. Auch ihr Vorbringen dazu rechtfertigt keine Zulassung der Revision.
a) Die Beschwerde erachtet die Frage als klärungsbedürftig, ob dem Bund für den Erlass einer Regelung über die kostenlose Benutzung von Landes- und Gemeindestraßen zu Telekommunikationszwecken eine Gesetzgebungskompetenz zusteht.
Die von der Beschwerde formulierte Frage der Gesetzgebungskompetenz rechtfertigt keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung. Der Frage fehlt die für eine Zulassung erforderliche Klärungsbedürftigkeit. Nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer Vorschrift enthält gleichzeitig eine gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Nach der Zielsetzung des Revisionszulassungsrechtes ist Voraussetzung vielmehr, dass der im Rechtsstreit vorhandene Problemgehalt aus Gründen der Einheit des Rechts einschließlich gebotener Rechtsfortentwicklung eine Klärung gerade durch eine höchstrichterliche Entscheidung verlangt. Das ist nach der ständigen Rechtsprechung aller Senate des Bundesverwaltungsgerichts dann nicht der Fall, wenn sich die aufgeworfene Rechtsfrage auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation und auf dieser Grundlage ohne weiteres beantworten lässt (vgl. stRspr, BVerwG, Beschluss vom 11. Oktober 2000 – BVerwG 6 B 47.00 – Buchholz 448.6 § 5 KDVG Nr. 10 m.w.N.). So liegt es hier.
Die Auslegung des Art. 73 Nr. 7 GG ergibt hinsichtlich der von der Beschwerde insbesondere als klärungsbedürftig angesehene Frage der Unentgeltlichkeit keine Zweifel. Denn die Unentgeltlichkeit der gesetzlich vorgesehenen Benutzung öffentlicher Wege in § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG ist keine Frage der Aufteilung der Kompetenzen zwischen Bund und den Ländern, wie sie Art. 73 ff. GG regelt, sondern eine solche der inhaltlichen Gestaltung der in Anspruch genommenen Kompetenz. Das Berufungsgericht hat im Einzelnen näher dargelegt, aus welchen Gründen Art. 73 Nr. 7 GG den Bund befugt, die Benutzung der Verkehrswege zugunsten von Telekommunikationslinien zu normieren. Flächendeckende Telekommunikationsdienstleistungen sind im Sinne der Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse unerlässlich. Mit Art. 87 f Abs. 1 GG hat der verfassungsändernde Gesetzgeber diese Zielsetzung verdeutlicht. Die bisherige Judikatur des Bundesverfassungsgerichts ergibt nichts, was dies in Zweifel ziehen könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat den Kompetenzvorschriften allerdings entnommen, dass der Bund keinen Einfluss darauf nehmen dürfe, welche Inhalte auf die über Art. 73 Nr. 7 GG von ihm regulierten Informationswege vermittelt werden (vgl. BVerfGE 12, 205, 225 ff.). In diesem Sinne ist der Bund zum Schutze der Grundrechte darauf begrenzt, die „technische” Seite der Telekommunikationslinien zu normieren. Die Beschwerde verengt diesen leitenden Gesichtspunkt der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn sie lediglich den „sendetechnischen” Gesichtspunkt hervorhebt. Die Frage der Entgeltlichkeit besitzt offensichtlich keinen Bezug zur Frage des Inhaltes der mit Telekommunikationslinien eröffneten Information. Dass die Frage der den Gemeinden durch den Gesetzgeber zugemuteten Unentgeltlichkeit auch keine klärungsbedürftigen verfassungsrechtlichen Fragen nach Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG aufwirft, ergibt im Übrigen der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ≪Kammer≫ vom 7. Januar 1999 (2 BvR 929/97 – NVwZ 1999, 520 ff. = BayVBl 1999, 243 ff.).
b) Die Beschwerde hält es für eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG dahin auszulegen sei, dass der Begriff der „Benutzung der Verkehrswege” auch Bauarbeiten anlässlich des erstmaligen Einbaus von Telekommunikationseinrichtungen erfasse. Die Beschwerde ergänzt ihr Vorbringen mit der Frage, ob § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG dahin auszulegen sei, dass der Begriff „der Benutzung der Verkehrswege” sämtliche Bauarbeiten im Zusammenhang mit dem Einbau von Telekommunikationseinrichtungen umfasse, insbesondere neben den eigentlichen Grabungs- und Verlegungsarbeiten auch das Aufstellen von Baucontainern, die Lagerung von Baumaterialien ect. auf dem Straßengrund.
Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind nicht klärungsbedürftig, sondern im Sinne der Gründe des Berufungsurteils zu beantworten. Dazu bedarf es keiner Durchführung eines Revisionsverfahrens. Es ist bereits in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, dass zur Verlegung neuer Telekommunikationslinien zwischen dem Lizenznehmer und dem jeweiligen Baulastträger ein öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis nach Maßgabe der Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes entsteht, das einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Straßenrechts ausschließt (BVerwG, Urteil vom 1. Juli 1999 – BVerwG 4 A 27.98 – BVerwGE 109, 192, 195 = NVwZ 2000, 316 = DVBl 1999, 1519). Das Verlegen der Telekommunikationslinien fällt somit aus dem Anwendungsbereich des Landesstraßenrechts heraus. Zu einem unzulässigen Rückgriff auf das wegerechtliche Sondernutzungsrecht – hier sogar des landesrechtlichen Sondernutzungsrechts – würde es auch führen, wenn § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG mit der Klägerin dahin verstanden würde, dass nur das „bloße” Verlegen als Regelungsgegenstand erfasst sei. Die Zielsetzung des Gesetzes ist es, die Möglichkeit der Benutzung der öffentlichen Verkehrswege zum Zwecke auch der Verlegung neuer Telekommunikationslinien in jeder Hinsicht sicherzustellen. Dieses Ziel würde in Zweifel gezogen werden können, wenn nach landesrechtlichem Wegerecht für den einheitlichen Vorgang des Verlegens zusätzlich im Hinblick auf Teilarbeiten ermessensbezogene Sondernutzungsgenehmigungen erforderlich wären. Die Interessen des Baulastträgers hat der Gesetzgeber mit dem Vorbehalt gewahrt, dass der Widmungszweck des Verkehrsweges nicht dauernd beschränkt werden darf. Eine nur vorübergehende Beschränkung durch Bauarbeiten liegt folglich im Bereich der Regelung. Die von der Beschwerde in anderem Zusammenhang betonte Frage der Unentgeltlichkeit hat keinen Einfluss darauf, welchen Regelungszweck § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG in erster Linie verfolgt.
c) Die Beschwerde sieht eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung schließlich auch darin, ob § 50 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 TKG dahin auszulegen sei, dass ein Lizenznehmer nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 TKG stets lediglich öffentlichen Zwecken dienenden Telekommunikationslinien betreibt und ihm deshalb stets das unentgeltliche Nutzungsrecht zustehe.
Die so gestellte Frage ist aus Anlass des vorliegenden Streitfalles nicht in dem von der Beschwerde gewünschten umfassenden Sinne klärungsbedürftig. Das Berufungsgericht hat – wie dargelegt – als selbstverständlich angenommen, dass die Beigeladene jedenfalls mit dem hier zu beurteilenden Vorhaben eine Telekommunikationslinie hat erstellen wollen, die öffentlichen Zwecken im Sinne des § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG zu dienen bestimmt ist. § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG schließt nicht aus, dass die Lizenznehmer Gewinnabsichten verfolgen. Dies stellt die § 50 Abs. 1 Satz 1 TKG enthaltene Einschränkung, dass mit der Telekommunikationslinien „öffentliche Zwecke” verfolgt werden, ersichtlich nicht in Frage. Eine derartige „öffentliche” Zweckverfolgung ist nach einhelliger Auffassung stets dann anzunehmen, wenn die Leitungen für eine Nutzung durch die Allgemeinheit – also durch jedermann – vorgesehen sind (vgl. § 3 Nr. 19 TKG). Ob im Streitfall diese Offenheit gegeben ist, stellt keine Frage sachgerechter Auslegung dar, sondern betrifft den konkreten Sachverhalt und damit die Umstände des Einzelfalles.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 14 Abs. 3, § 13 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Eckertz-Höfer
Fundstellen
Haufe-Index 600430 |
EWiR 2001, 1015 |
ZfIR 2002, 222 |
GewArch 2001, 494 |
ZUM-RD 2002, 312 |
BayVBl. 2001, 753 |
DVBl. 2001, 1373 |
K&R 2002, 211 |
FuBW 2002, 19 |
FuHe 2002, 211 |
FuNds 2002, 130 |