Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbehelfsbelehrung. Adressat. Dritter. Unternehmen. verbundene Unternehmen. unzulässige Rechtsausübung
Leitsatz (amtlich)
Ob die einem begünstigenden Verwaltungsakt mit drittbelastender Wirkung beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung auch gegenüber dem Dritten gilt, richtet sich danach, ob der Dritte sie in Anbetracht der Gesamtumstände eindeutig auch auf sich beziehen musste.
Normenkette
VwGO § 58 Abs. 1-2, § 74 Abs. 1; TKG § 3 Nr. 29, § 131 Abs. 1, § 134 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 21.11.2007; Aktenzeichen 21 K 172/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom 21. November 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren wird auf 50 000 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde, die sich auf die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels (1.) und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (2.) stützt, hat keinen Erfolg.
1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Weist das Verwaltungsgericht – wie hier – die Klage durch Prozessurteil als unzulässig ab, statt über sie durch Sachurteil zu entscheiden, kann darin zwar ein Verfahrensmangel liegen, wenn die Entscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruht (Beschlüsse vom 4. Juli 1968 – BVerwG 8 B 110.67 – BVerwGE 30, 111 ≪113≫ = Buchholz 448.0 § 34 WPflG Nr. 7 und vom 24. Oktober 2006 – BVerwG 6 B 61.06 – Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 2). Das angefochtene Prozessurteil leidet aber an keinem derartigen Verfahrensfehler, sondern ist zu Recht ergangen.
a) Die Klägerin hat die einmonatige Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) versäumt, da sie erst am 16. Januar 2007 Klage erhoben hat, nachdem ihr der angegriffene Beschluss der Bundesnetzagentur vom 8. November 2006 bereits am 15. November 2006 zugestellt worden war. Sie muss die Zustellung gegen sich gelten lassen, obwohl diese nicht an sie selbst, sondern an eine von ihr rechtlich verschiedene juristische Person, die T-Mobile International AG & Co. KG, bewirkt wurde. Denn die an diese Firma gerichtete Zustellung ist rechtlich als Zustellung gegenüber der Klägerin zu behandeln.
aa) Vieles spricht mit dem Verwaltungsgericht dafür, dass sich die Zurechnung bereits aus § 3 Nr. 29 TKG ergibt. Danach sind als “Unternehmen” i.S.d. Telekommunikationsgesetzes neben dem betreffenden Unternehmen selbst die mit ihm i.S.d. § 36 Abs. 2 und § 37 Abs. 1 und 2 GWB verbundenen Unternehmen anzusehen. Auf das Verhältnis der Klägerin zur T-Mobile International AG & Co. KG, die 100 % der Geschäftsanteile der Klägerin hält, ist die “Konzernklausel” des § 3 Nr. 29 TKG, wie die Beschwerde selbst nicht verkennt, grundsätzlich anwendbar.
Vor diesem Hintergrund liegt es nicht fern, mit dem Verwaltungsgericht anzunehmen, dass die Klägerin nach dem in dieser Vorschrift ausgedrückten Rechtsgedanken die Beiladung (§ 134 Abs. 2 Nr. 3 TKG) der T-Mobile International AG & Co. KG ebenso gegen sich gelten lassen muss wie die – u.a. an das beigeladene Unternehmen zu bewirkende – Zustellung (§ 131 Abs. 1 Satz 2 TKG) des verfahrensbeendenden Beschlusses der Bundesnetzagentur. Zwar enthält § 3 Nr. 29 TKG seinem Wortlaut nach nur eine Bestimmung des in anderen Vorschriften des Telekommunikationsgesetzes verwendeten Begriffs “Unternehmen”, den § 134 Abs. 2 Nr. 3 TKG im Zusammenhang mit Beiladungen nicht gebraucht; dort ist vielmehr von “Personen und Personenvereinigungen” die Rede. Der Zweck des § 3 Nr. 29 TKG besteht aber allgemein darin, zu verhindern, dass die Regelungen des Telekommunikationsgesetzes durch Auslagerung von Geschäftsbereichen auf rechtlich selbständige Unternehmen umgangen werden können (vgl. Säcker, in: BerlKommTKG § 3 Rn. 62). Dieser Normzweck ist entgegen der Ansicht der Klägerin nicht auf diejenigen Unternehmen beschränkt, die (unmittelbare) Adressaten sektorspezifischer Regulierungsmaßnahmen sind. Er lässt sich vielmehr auch auf diejenigen Unternehmen übertragen, die die Bundesnetzagentur als Dritte an einem Verfahren beteiligt. Insofern streitet der Zweck des § 3 Nr. 29 TKG ebenso wie dessen Stellung innerhalb der “Allgemeinen Vorschriften” des Gesetzes dafür, verbundene Unternehmen auch in Anwendung des § 134 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 131 Abs. 1 Satz 2 TKG als ein einheitliches Unternehmen zu werten.
bb) Das Ergebnis ist aber auch dann kein anderes, wenn mit der Beschwerde davon auszugehen sein sollte, dass § 3 Nr. 29 TKG auf die Beiladung von Unternehmen, deren Interessen durch die Entscheidung der Bundesnetzagentur berührt werden, keine Anwendung findet. Unter dieser Prämisse ist es der Klägerin unter den hier vorliegenden Umständen jedenfalls nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf das Fehlen einer die Klagefrist in Gang setzenden Zustellung des angegriffenen Beschlusses der Bundesnetzagentur zu berufen. Insoweit muss sich die Klägerin, da sie sich zu ihrem eigenen früheren Verhalten in einen unlösbaren Widerspruch setzt, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten lassen; dieser ist nach ständiger Rechtsprechung auch im Prozessrecht zu beachten (vgl. Urteil vom 2. Juli 1992 – BVerwG 5 C 51.90 – BVerwGE 90, 287 ≪292≫ = Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 6 S. 13, Beschluss vom 27. Oktober 1993 – BVerwG 4 B 175.93 – Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17 S. 10, Urteil vom 27. Oktober 2000 – BVerwG 4 A 10.99 – BVerwGE 112, 135 ≪136≫ = Buchholz 310 § 42 Abs. 2 VwGO Nr. 10 S. 21).
Die Widersprüchlichkeit ergibt sich aus dem der Klägerin zurechenbaren Vorverhalten gegenüber der Bundesnetzagentur. So war der Beiladungsantrag an die Behörde vom 1. September 2006 unter dem Briefkopf der T-Mobile International AG & Co. KG gestellt, aber “für die T-Mobile Deutschland GmbH”, die unter derselben Postanschrift erreichbare Klägerin des vorliegenden Verfahrens, von einem deren Mitarbeiter unterzeichnet worden. Mitarbeiter der Klägerin haben nach Beiladung der T-Mobile International AG & Co. KG – ohne deren Beiladung bzw. die fehlende Beiladung der Klägerin zu rügen – an der mündlichen Verhandlung der Bundesnetzagentur vom 27. September 2006 teilgenommen und sich zur Sache eingelassen; in die Anwesenheitsliste haben sie sich unter der neutralen Kurzbezeichnung “T-Mobile” eingetragen. In dem Schreiben vom 6. Oktober 2006, erstellt wiederum unter dem Briefkopf der T-Mobile International AG & Co. KG, wurden sodann weitere Rechtsausführungen gemacht. Dieses Schreiben trägt – unter Beifügung der Firmenbezeichnung der Klägerin – die Unterschriften von zwei ihrer Mitarbeiter, die den Verhandlungstermin vom 27. September 2006 für die beigeladene T-Mobile International AG & Co. KG wahrgenommen hatten. Der von beiden Unternehmen hervorgerufene Eindruck enger Verflechtung spiegelt sich auch darin wider, dass die Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Bundesnetzagentur an die T-Mobile International AG & Co. KG bewirkt wurde, aber zu Händen eines der Mitarbeiter der Klägerin erfolgte, die im Verhandlungstermin für “T-Mobile” aufgetreten waren. Angesichts dieser Umstände ist es der Klägerin nach Treu und Glauben verwehrt, sich hinsichtlich der Klagefrist darauf zu berufen, dass nur die von ihr personenverschiedene T-Mobile International AG & Co. KG Beigeladene des Beschlusskammerverfahrens und Zustellungsadressatin des angefochtenen Beschlusses sei.
b) Die Beschwerde macht weiter geltend, dass die einmonatige Klagefrist mangels einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 Abs. 1 VwGO) nicht zu laufen begonnen habe. Auch dem kann der Senat nicht folgen. Die dem angefochtenen Beschluss beigefügte Belehrung, wonach innerhalb eines Monats nach Zustellung – mit näheren Maßgaben – “Klage bei dem Verwaltungsgericht … erhoben werden” konnte, war vollständig und inhaltlich richtig. Der Einwand der Klägerin, dass die Belehrung mit der erforderlichen Klarheit nur an die Antragstellerin des Beschlusskammerverfahrens (die Beigeladene des vorliegenden Rechtsstreits), nicht aber an sie, gerichtet gewesen sei, geht fehl.
Bei Verwaltungsakten mit drittbelastender Wirkung kann zwar eine Rechtsbehelfsbelehrung auch dann i.S.v. § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO (partiell) “unterblieben” sein, wenn der Dritte eine entsprechende Belehrung nach ihrem objektiven Erklärungsgehalt nicht auf sich beziehen musste. Falls sich der Drittbezug nicht mit hinreichender Deutlichkeit aus der Rechtsbehelfsbelehrung selbst ergibt, kann und muss erforderlichenfalls die Behörde etwaige Unklarheiten durch zweckentsprechende Abfassung eines an den Dritten gerichteten Begleitschreibens beseitigen (OVG Münster, Beschluss vom 19. Januar 2000 – 21 B 2148/99 – NVwZ-RR 2000, 556; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – 10 S 1.07 – LKV 2007, 322). Im Anschluss an diese Rechtsprechung beruft sich die Beschwerde darauf, dass das Schreiben der Bundesnetzagentur vom 14. November 2006, mit dem der Klägerin der angefochtene Beschluss vom 8. November 2006 übermittelt wurde, weder eine eigene Rechtsbehelfsbelehrung enthielt noch ausdrücklich auf die dem Beschluss angefügte Rechtsbehelfsbelehrung verwies. Dabei übersieht sie aber, dass es derartiger Vorkehrungen nicht bedurfte, weil die von der Bundesnetzagentur in ihrem Beschluss erteilte Belehrung aus sich heraus keinen Zweifel darüber zuließ, dass sie sich auch an die Klägerin als Beigeladene des Beschlusskammerverfahrens richtete.
Ausgangspunkt der Überlegungen ist, wie schon vom Verwaltungsgericht zu Recht hervorgehoben, die spezialgesetzliche Regelung in § 131 Abs. 1 Satz 2 TKG. Danach sind Entscheidungen der Bundesnetzagentur mit einer Belehrung über das zulässige Rechtsmittel den Beteiligten zuzustellen. Beteiligte des Beschlusskammerverfahrens sind nach § 134 Abs. 2 TKG neben dem Antragsteller auch diejenigen, die wegen der Berührung eigener Interessen von der Bundesnetzagentur beigeladen worden sind. Daraus folgt, dass sich der verfahrensbeendende Beschluss der Bundesnetzagentur – entsprechend der gerichtsförmigen Ausgestaltung des Beschlusskammerverfahrens – an alle am Verfahren Beteiligten und nicht etwa lediglich an den Antragsteller als Adressaten wendet. Die mit § 131 Abs. 1 Satz 2 TKG einhergehende Besonderheit bei der Zustellung telekommunikationsrechtlicher Verwaltungsakte hat auch in der sprachlichen Gestaltung der hier umstrittenen Rechtsbehelfsbelehrung einen angemessenen Ausdruck gefunden. Denn diese Belehrung richtete sich nicht (wie etwa im Fall des OVG Münster, a.a.O.) in Anredeform an die Antragstellerin des Verwaltungsverfahrens, sondern war in Anlehnung an die gerichtsgebräuchlichen Rechtsmittelbelehrungen so abgefasst, dass alle Verfahrensbeteiligten gleichermaßen angesprochen wurden. In Anbetracht aller maßgeblichen Umstände, die bereits das Verwaltungsgericht eingehend gewürdigt hat, durfte für die Klägerin kein Zweifel darüber bestehen, dass (auch) sie zulässigerweise nur innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses der Bundesnetzagentur Klage erheben konnte.
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne dieser Vorschrift grundsätzlich bedeutsam, wenn eine für die erstrebte Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts im Interesse der Einheit oder Fortbildung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf. Das ist hier nicht der Fall. Die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen sind, soweit für den Rechtsstreit erheblich, ohne weiteres in dem bereits oben näher dargelegten Sinne zu beantworten. Soweit sie verallgemeinernd über das bereits Erörterte hinausgehen, würden sie sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Von einer näheren Begründung sieht der Senat nach § 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO ab.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwertes auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Hahn, Dr. Bier
Fundstellen
DÖV 2008, 962 |
DVBl. 2008, 1266 |