Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 26.11.2013; Aktenzeichen 2 A 10479/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 26. November 2013 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 1 211,42 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.
1. Der 1960 geborene Kläger war bis zu seiner Zurruhesetzung mit Ablauf des 30. Juni 2012 als Feuerwehrbeamter in der Berufsfeuerwehr der Beklagten tätig, zuletzt im Range eines Brandmeisters. Beim Brand eines Mehrfamilienwohnhauses am 3. Februar 2008 war der Kläger als Maschinist an einer der Drehleitern eingesetzt. Außerdem half er, ein sog. Sprungpolster unmittelbar vor das brennende Haus zu tragen. Bei dem Brandereignis kamen mehrere Menschen zu Tode oder wurden verletzt, weil sie – offenbar in Panik – beim Sprung aus dem Haus das Sprungpolster verfehlten bzw. in das (noch) nicht einsatzbereite Sprungpolster sprangen.
Nach dem Brandereignis leistete der Kläger zunächst weiterhin Dienst. Seit August 2008 war er nach einer im Dienst erlittenen Handverletzung dienstunfähig erkrankt. Im März 2009 erkannte die Beklagte eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als Dienstunfallschaden an. Über einen inzwischen erfolgten Widerruf dieses Anerkennungsbescheides ist noch nicht bestandskräftig entschieden.
Mit Wirkung ab Dezember 2011 stellte die Beklagte die Zahlung der Zulage für den Dienst zu ungünstigen Zeiten ein, weil die Weitergewährung einen Dienstunfall voraussetze, bei dem für den Beamten eine besondere Lebensgefahr bestanden habe (vgl. § 4 a Abs. 1 EZulV, § 37 Abs. 1 BeamtVG). Dies sei bei dem erwähnten Brandereignis nicht der Fall gewesen. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg.
Das Oberverwaltungsgericht hat – nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur Begründung im Wesentlichen darauf abgehoben, der Kläger habe sich bei dem Brandereignis nicht einer besonderen Lebensgefahr i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG ausgesetzt, als er mitgeholfen habe, das Sprungpolster vor das brennende Haus zu ziehen; vielmehr habe er sich danach sofort wieder an seinen relativ sicheren Platz an der Drehleiter begeben.
2. Die Revision ist nicht wegen der von der Beschwerde geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.
Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob sich ein Beamter i.S.d. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr nur dann aussetzt, wenn er sich in diese Lebensgefahr begibt und sodann in dieser gefährlichen Lage verbleibt, oder ob das Tatbestandsmerkmal des Sichaussetzens auch dann erfüllt ist, wenn sich der Beamte sodann aus der Gefahrenzone entfernt.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine – vom Beschwerdeführer zu bezeichnende – konkrete, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Rechtsfortbildung der Klärung in einem Revisionsverfahren bedarf. Dies ist nicht der Fall, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage bereits vorliegender bundesgerichtlicher Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr; Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 13. Dezember 2013 – BVerwG 2 B 79.13 – NVwZ-RR 2014, 397 Rn. 7).
Hiernach wirft die Beschwerde keine neue grundsätzlich klärungsbedürftige Rechtsfrage auf, sondern wendet sich gegen die den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindende Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts im Einzelfall.
Im Übrigen sind die maßstäblichen Voraussetzungen eines sog. qualifizierten Dienstunfalls i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinreichend geklärt (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 – BVerwG 2 C 51.11 – Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 4 Rn. 10 ff. m.w.N.). Hiernach erfordert § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zunächst in objektiver Hinsicht eine Diensthandlung, mit der für den Beamten typischerweise eine besondere, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden ist. Die Gewährung eines erhöhten Unfallruhegehalts setzt damit eine Dienstverrichtung voraus, die bei typischem Verlauf das Risiko entsprechender Verletzungen in sich birgt, sodass deren Eintritt als Realisierung der gesteigerten Gefährdungslage und nicht als Verwirklichung eines allgemeinen Berufsrisikos erscheint (vgl. Urteil vom 8. Oktober 1998 – BVerwG 2 C 17.98 – Buchholz 239.1 § 37 BeamtVG Nr. 2 S. 2). Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, erfordert eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls (Urteil vom 12. April 1978 – BVerwG 6 C 59.76 – Buchholz 232 § 141 a BBG Nr. 4 S. 4 und Beschluss vom 30. August 1993 – BVerwG 2 B 67.93 – juris Rn. 6). Weiter ist für die Annahme eines qualifizierten Dienstunfalls erforderlich, dass der Beamte sich der Gefährdung seines Lebens bewusst ist; dieses Bewusstsein folgt in aller Regel bereits aus der Kenntnis der die Gefahr begründenden objektiven Umstände (Urteil vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 13 ff.).
Diese Rechtsgrundsätze liegen dem Berufungsurteil zugrunde, wie die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhalts durch das Oberverwaltungsgericht belegt.
3. Aus dem Vorstehenden folgt zugleich, dass die Revision auch nicht wegen der von der Beschwerde behaupteten Divergenz zuzulassen ist (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Eine Divergenz in diesem Sinne setzt voraus, dass die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Die Behauptung einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt hierfür nicht (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. = NJW 1997, 3328 und vom 9. April 2014 – BVerwG 2 B 107.13 – NVwZ 2014, 1174 Rn. 3).
Ein solcher prinzipieller Auffassungsunterschied zu dem von der Beschwerde angeführten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2012 (a.a.O. Rn. 10) ist dem Berufungsurteil nicht zu entnehmen. Vielmehr hat das Oberverwaltungsgericht im Rahmen der Würdigung der Umstände des konkreten Streitfalls darauf abgestellt, dass sich der Kläger bei dem Brand vom 3. Februar 2008 keiner besonderen Gefahr i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG „ausgesetzt” habe, weil er sich nach dem Aufstellen des Sprungpolsters an seinen Einsatzort an der Drehleiter begeben und von dort das Geschehen beobachtet habe. Darin unterscheide sich der Fall des Klägers von dem seines Kollegen, der versucht habe, unter Einsatz seines Lebens das Sprungpolster funktionsfähig zu machen. Dieser Einzelfallwürdigung kann – entgegen der Ansicht der Beschwerde – nicht die Aussage des Oberverwaltungsgerichts entnommen werden, dass die eingangs dargestellten Rechtsgrundsätze um ein einschränkendes Kriterium zu ergänzen seien, nämlich dass der Betroffene sich nicht wieder aus dem Gefahrenbereich entfernen dürfe. Vielmehr ist das Oberverwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die gesteigerte Gefährdungslage i.S.v. § 37 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG mehr als nur einen kurzen, nach Lage der Dinge nicht ins Gewicht fallenden Moment bestanden haben muss.
4. Eine Zulassung der Revision wegen des von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensmangels einer Verletzung des Anspruchs des Klägers auf rechtliches Gehör (§ 108 Abs. 2, § 132 Abs. 2 Nr. 3, § 138 Nr. 3 VwGO) scheidet ebenfalls aus.
Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass es beabsichtige, das Vorliegen eines qualifizierten Dienstunfalls deshalb zu verneinen, weil es an einer mit dem Einsatz an dem Sprungpolster verbundenen objektiven Lebensgefahr fehle. Dieser Aspekt habe zuvor im gesamten Verfahren keine Rolle gespielt. Da ein solcher Hinweis weder vor noch in der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, liege ein Gehörsverstoß in Gestalt einer Überraschungsentscheidung vor. Dieser Vorwurf ist unberechtigt.
Nach ständiger bundesgerichtlicher Rechtsprechung folgt aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch in der Ausprägung, die er in § 86 Abs. 3 und § 104 Abs. 1 VwGO gefunden hat, keine Pflicht des Gerichts zur umfassenden Erörterung aller entscheidungserheblichen Gesichtspunkte. Insbesondere muss das Gericht die Beteiligten nicht vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst auf Grund der abschließenden Beratung ergibt (stRspr; vgl. etwa Urteil vom 13. Mai 1976 – BVerwG 2 C 26.74 – Buchholz 237.4 § 35 HmbBG Nr. 1 Orientierungssatz 6 und S. 16; Beschluss vom 28. Dezember 1999 – BVerwG 9 B 467.99 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 51 S. 2 m.w.N.). Etwas anders gilt allerdings dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf Anforderungen an den Sachvortrag oder auf sonstige rechtliche Gesichtspunkte stützen will, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90 – BVerfGE 84, 188 ≪190≫ und vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91 – BVerfGE 86, 133 ≪144 f.≫).
Hieran gemessen liegt eine gehörsverletzende Überraschungsentscheidung nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat – wie schon zuvor das Verwaltungsgericht – im Rahmen einer Beweisaufnahme zwei Feuerwehrbeamte als Zeugen zum Ablauf des Feuerwehreinsatzes vom 3. Februar 2008 angehört und zudem (weitere) Sachverständigengutachten zur Frage des Bestehens einer besonderen Lebensgefahr eingeholt, die von den Gutachtern in der mündlichen Verhandlung erläutert wurden. Auch die Frage der kurzen Verweildauer des Klägers am Sprungpolster wurde in der Beweisaufnahme thematisiert (vgl. Sitzungsprotokoll S. 12: „Auch wenn sich der Kläger ≪…≫ nur kurze Zeit an dem Sprungpolster aufgehalten haben sollte ≪…≫”). Damit mussten der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter damit rechnen, dass die sich aus dieser Beweisaufnahme ergebenden Einzelheiten des Feuerwehreinsatzes und dessen Schilderung durch den Kläger im Rahmen seiner medizinischen Exploration für den Ausgang des Rechtsstreits entscheidungserheblich sein würden. Zu welchem Ergebnis diese Beweisaufnahme führen und welche Umstände dabei für das Oberverwaltungsgericht letztlich entscheidend sein würden, war naturgemäß nicht absehbar. Das Berufungsgericht war auch nicht gehalten, vor der maßgeblichen Schlussberatung seine vorläufige Beweiswürdigung vorab den Beteiligten mitzuteilen.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO; die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 52 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 1 und 3 GKG.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Heitz, Dr. Hartung
Fundstellen