Verfahrensgang
OVG des Landes Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 18.08.2009; Aktenzeichen 1 L 131/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. August 2009 wird zurückgewiesen.
Die Revision des Klägers gegen den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 18. August 2009 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerde- und des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerde- und das Revisionsverfahren wird auf 542,42 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Beschwerde und Revision des Klägers können keinen Erfolg haben.
Rz. 2
In der angefochtenen Berufungsentscheidung hat das Oberverwaltungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung der Sonderzuwendung für das Jahr 2004 nach dem Sonderzuwendungsgesetz des Bundes verneint. Dieses Gesetz sei durch Art. 18 Abs. 1 Nr. 1, Art. 21 Abs. 3 des Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetzes 2003/2004 – BBVAnpG 2003/2004 – mit Wirkung vom 16. September 2003 aufgehoben worden. Es sei für die Beamten und Richter im Dienst des Landes Sachsen-Anhalt auch nicht gemäß Art. 18 Abs. 2 BBVAnpG 2003/2004 übergangsweise weiter anzuwenden gewesen. Vielmehr richteten sich deren Ansprüche ab dem Jahr 2003 nach dem Landesgesetz über die Gewährung einer jährlichen Sonderzuwendung. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision nicht zugelassen.
Rz. 3
Der Kläger macht geltend, das BBVAnpG 2003/2004 sei nicht in Kraft getreten, weil es nicht wirksam ausgefertigt worden sei. Der hierfür zuständige Bundespräsident habe das Gesetz nicht ausgefertigt, obwohl er nicht verhindert gewesen sei. Gleiches gelte für den Präsidenten des Bundesrats als den vom Grundgesetz bestimmten Vertreter des Bundespräsidenten.
Rz. 4
Die vom Kläger aufgeworfenen bundesverfassungsrechtlichen Fragen können nicht zur Zulassung der Revision führen. Der allein in Betracht kommende Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor, weil der hierfür erforderliche Klärungsbedarf nicht besteht. Der Senat hat diese Fragen in dem Urteil vom 28. Mai 2009 – BVerwG 2 C 23.07 – (juris Rn. 11 ff. ≪zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen≫) beantwortet. Die hier maßgebenden Passagen dieses Urteils, auf das das Oberverwaltungsgericht in der Berufungsentscheidung mehrfach hingewiesen hat, haben folgenden Wortlaut:
“Das Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 ist wirksam ausgefertigt worden. Es ist verfassungsrechtlich weder zu beanstanden, dass dies durch den Ersten Vizepräsidenten des Bundesrates geschah (aa), noch unterliegt die Art der Unterzeichnung verfassungsrechtlichen Bedenken (bb).
(aa) Nach Art. 82 Abs. 1 Satz 1 GG werden die nach den Vorschriften des Grundgesetzes zustande gekommenen Gesetze vom Bundespräsidenten nach Gegenzeichnung ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Gemäß Art. 57 GG werden die Befugnisse des Bundespräsidenten im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitiger Erledigung des Amtes durch den Präsidenten des Bundesrates wahrgenommen.
Für die Frage, wer danach das Gesetz auszufertigen hat, ist auf den Zeitpunkt der Ausfertigung abzustellen. Dabei ist zu prüfen, ob der Bundespräsident am Tag der Ausfertigung verhindert war, wer sein Vertreter war, ob auch der Vertreter an diesem Tag verhindert war und wer diesen dann gegebenenfalls zu vertreten hatte. Das Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 ist am 10. September 2003 ausgefertigt worden, sodass auf die Verhältnisse an diesem Tag abzustellen ist.
An diesem Tag waren sowohl der Bundespräsident, der sich auf einer offiziellen Auslandsreise befand, als auch der Bundesratspräsident, der im Inland anderweitig Verpflichtungen, nämlich in seiner Eigenschaft als Bundesratspräsident die Leitung einer Sitzung des Bundesrates in Bonn wahrnahm, im Sinne des Art. 57 GG verhindert.
Der Begriff der Verhinderung in Art. 57 GG erschließt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Eine den Vertretungsfall auslösende Verhinderung eines Amtsträgers liegt immer dann vor, wenn der Amtsträger zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich oder rechtlich gehindert ist, seine Amtsbefugnis auszuüben. Dabei ist es unerheblich, warum der Amtsträger verhindert ist, da die Ausübung des Amtes und damit die Funktionsfähigkeit der Staatsverwaltung im Vordergrund steht. Es ist nicht ersichtlich, dass das Grundgesetz in Art. 57 GG für den Bundespräsidenten einen von diesem herkömmlichen Verständnis abweichenden, anderen Begriff der ‘Verhinderung’ schaffen wollte. Im Gegenteil unterstreicht der Vergleich der dort geregelten zwei Alternativen dieses Ergebnis. Vergleicht man nämlich den Begriff der Verhinderung in der ersten Alternative mit dem der vorzeitigen Erledigung des Amtes in der zweiten Alternative, so wird deutlich, dass mit der zweiten Alternative der gänzliche Ausfall des Bundespräsidenten gemeint ist, während die erste Alternative, die Verhinderung, lediglich den ‘Ausfall’ des Bundespräsidenten mit einem Teil seiner ‘Befugnisse’ regelt. Sinn und Zweck der Vorschrift stützen diese Auslegung. Die Vertretungsregelung in Art. 57 GG soll – wie allgemein in der Staatsverwaltung – sicherstellen, dass der Bundespräsident all seinen Verpflichtungen in ihrer vielfältigen Art nachkommen kann, zu denen neben der Ausfertigung von Gesetzen unter anderem auch die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehört (vgl. Dellmann, in: Hömig, GG, 8. Auflage, Art. 57 Rn. 1; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 57 Rn. 1; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl., Art. 57 Rn. 13 f.).
Entsprechendes gilt für die Verhinderung des Bundesratspräsidenten. Das Grundgesetz regelt nicht den Fall der Vertretung des Bundespräsidenten, wenn der Präsident des Bundesrates an der Wahrnehmung der Befugnisse ebenfalls gehindert ist. Die Geschäftsordnung des Bundesrates bestimmt in § 7 Abs. 1 Satz 1, dass die Vizepräsidenten den Präsidenten im Falle seiner Verhinderung oder bei vorzeitiger Beendigung seines Amtes nach Maßgabe ihrer Reihenfolge vertreten. Auf diese Vorschrift ist zurückzugreifen. Bei Verhinderung auch des Bundesratspräsidenten sind dessen Befugnisse durch den ersten Vertreter des Bundesratspräsidenten, mithin den Ersten Vizepräsidenten, wahrzunehmen. Dies entspricht auch einer langjährigen Staatspraxis (Dellmann, a.a.O., Pieroth, a.a.O. Rn. 2, Fink, a.a.O. Rn. 26).
Die Feststellungen des Berufungsgerichts geben keinen Anlass über einen Missbrauch der Vertretungsbefugnis nachzudenken. Hier waren sowohl der Bundespräsident als auch sein nach Art. 57 GG zuvörderst berufener Vertreter, der Bundesratspräsident, am Tag der Ausfertigung des Gesetzes verhindert, weil sie eine andere mit ihrem Amt verbundene Befugnis wahrgenommen hatten. Beide hatten entsprechend den in der Staatspraxis entwickelten Gepflogenheiten ihre Verhinderung angezeigt und waren am 10. September 2003 nicht in Berlin, wo die Originalfassung des Gesetzes zu unterzeichnen war.
Der Hinweis der Revision, das Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 sei ein politisch besonders umstrittenes Gesetz gewesen, an dessen Ausfertigung der Erste Vizepräsident des Bundesrates, der Regierende Bürgermeister von Berlin möglicherweise ein besonderes Interesse gehabt habe, ist verfassungsrechtlich unbeachtlich. Zum einen hat der Bundespräsident bei der Ausfertigung von Gesetzen keine politische Prüfungskompetenz, zum anderen ergeben sich weder für den Bundespräsidenten selbst noch für seine Vertretung im Amt Ausschluss- oder Befangenheitsgründe daraus, dass er oder sein Vertreter zu irgendeinem Zeitpunkt an einem Gesetzgebungsverfahren mitgewirkt oder sich für ein bestimmtes Gesetz politisch eingesetzt hatten. Hierzu kann auf die für die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts in § 18 Abs. 3 Nr. 1 BVerfGG normierten Grundsätze zurückgegriffen werden, denn auch diesen steht keine politische, sondern nur eine verfassungsrechtliche Prüfungskompetenz zu. Danach führt die Mitwirkung im Gesetzgebungsverfahren nicht zur Annahme einer Befangenheit.
Der Vertretungsregelung des Art. 57 GG ist zudem ein solcher, von der Revision angenommener, Interessenkonflikt immanent. Der Bundesrat wirkt bei der Gesetzgebung mit (Art. 59 und Art. 76 ff. GG). Dass der jeweils für den Bundesrat handelnde Präsident des Bundesrates zuvor am Gesetzgebungsverfahren beteiligt war, stellt daher den Regelfall dar. Auch der Bundespräsident selbst ist nicht deshalb befangen, weil er – wie häufig – zuvor Mitglied eines an der Gesetzgebung beteiligten Verfassungsorgans war. So war der seinerzeitige Bundespräsident Rau zuvor Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen und als solcher Mitglied des Bundesrates.
(bb) Schließlich ist es auch unerheblich, mit welcher Funktionsbezeichnung (hier: Erster Vizepräsident des Bundesrates) der Regierende Bürgermeister von Berlin für den Bundespräsidenten das Bundesbesoldungs- und versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 unterzeichnet hat. Im Falle der Verhinderung des Bundespräsidenten nimmt der Vertreter die Befugnisse des Bundespräsidenten zwar wahr, führt indes nicht selbst die Bezeichnung ‘Bundespräsident’. Entscheidend ist, dass er ‘für den Bundespräsidenten’ zeichnet, wie dies hier geschehen ist. Selbst wenn sich der Regierende Bürgermeister dazu als Präsident des Bundesrates bzw. dessen Vertreter und nicht als ‘Erster Vizepräsident des Bundesrates’ hätte bezeichnen müssen, so wäre dies als bloße Falschbezeichnung unbeachtlich, da im Bundesgesetzblatt seiner Unterschrift die Bezeichnung ‘Präsident des Bundesrates’ beigegeben wurde, sodass ein etwaiger Fehler bereits mit der Verkündung des Gesetzes berichtigt worden wäre (vgl. zur Berichtigung im Amtsblatt: Urteil vom 7. Juni 1978 – BVerwG 7 C 63.76 – BVerwGE 56, 31 ≪37≫ = Buchholz 421.2 HochschulR Nr. 60).”
Rz. 5
Die Revision des Klägers gegen die Berufungsentscheidung ist zu verwerfen, weil sie unzulässig ist (§ 144 Abs. 1 VwGO). Dem Kläger steht das Rechtsmittel der Revision nicht zu, weil weder das Oberverwaltungsgericht noch der Senat die Revision zugelassen haben (§ 132 Abs. 1 VwGO). Der Kläger verkennt, dass sich die Zulassung der Sprungrevision unter Übergehung der Berufungsinstanz durch das Verwaltungsgericht gemäß § 134 Abs. 1 VwGO nur auf dessen Urteil vom 13. August 2008 bezieht. Der Kläger hat von der Wahlmöglichkeit, die ihm das Verwaltungsgericht eröffnet hat, Gebrauch gemacht, indem er gegen dessen Urteil Berufung eingelegt hat. Das Gericht der ersten Instanz kann nicht ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Berufungsinstanz zulassen.
Rz. 6
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für Beschwerde- und Revisionsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Herbert, Dr. Heitz, Dr. Maidowski
Fundstellen