Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 27.05.2014; Aktenzeichen 9 C 2269/12.T) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 EUR festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Rz. 2
I. Die Rechtssache hat nicht die rechtsgrundsätzliche Bedeutung, die ihr die Beschwerde beimisst. Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; so bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 – 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫; siehe auch BVerwG, Beschluss vom 1. Februar 2011 – 7 B 45.10 – juris Rn. 15)
Rz. 3
1. Die Klägerin hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob ein Beteiligungsrecht der Gemeinde beim Erlass einer Rechtsverordnung zur Festlegung eines Flugverfahrens zumindest mittelbar über das Erfordernis, die Fluglärmkommission vor Erlass der Rechtsverordnung anzuhören, auch dann nicht besteht, wenn eine Aufklärung der Lärmbetroffenheit der Gemeinde durch die für die Flugsicherheit zuständigen Stellen unterblieben ist.
Rz. 4
Dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Die Frage ist nicht entscheidungserheblich. Eine Verfahrensbeteiligung der lärmbetroffenen Gemeinden vor Erlass von Rechtsverordnungen über die Festlegung von Flugverfahren nach § 27a Abs. 2 Satz 1 Luftverkehrsordnung – LuftVO – sieht das einfache Recht nicht vor. Gemeinden steht ein Anhörungsrecht auch nicht unmittelbar aus Art. 28 Abs. 2 GG zu (BVerwG, Urteile vom 26. November 2003 – 9 C 6.02 – BVerwGE 119, 245 ≪251≫, vom 24. Juni 2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152 ≪169≫ und vom 26. Juni 2014 – 4 C 3.13 – LKV 2014, 460 Rn. 31 ≪zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen≫). Klärungsbedarf für den Fall unterbliebener Tatsachenermittlungen wirft der Fall nicht auf, weil das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach den tatrichterlichen Feststellungen den maßgeblichen Sachverhalt in Bezug auf die Lärmschutzbelange ausreichend ermittelt hat und die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen einen hinreichend sicheren Aufschluss über die mit den jeweiligen An- und Abflugstrecken verbundenen Lärmbetroffenheiten boten (UA S. 34). Diese Feststellungen wären nach § 137 Abs. 2 VwGO in einem Revisionsverfahren bindend, weil in Bezug auf sie zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht worden sind.
Rz. 5
Die Beschwerde macht abweichend von ihrem Vortrag in der Tatsacheninstanz (vgl. UA S. 5, 20 keine „substantielle Beteiligung der Fluglärmkommission”) geltend, die Fluglärmkommission sei vor Erlass der Rechtsverordnung nicht beteiligt worden. Dies kann schon deswegen nicht zur Zulassung der Rechtssache wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, weil die Beschwerde einen Sachverhalt zugrunde legt, den der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt hat.
Rz. 6
2. Die Revision misst der Frage grundsätzliche Bedeutung bei,
ob sich das Bundesaufsichtsamt bei der Festlegung der Flugrouten für eine Streuung der Flugverfahren entscheiden kann, wenn der Planfeststellungsbeschluss eine Bündelung der Flugrouten in seiner Grobplanung prognostiziert hat und umgekehrt, ohne Verstöße gegen den Grundsatz der planerischen Konfliktbewältigung zu prüfen.
Rz. 7
Die Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sie bereits geklärt ist. Bei der Festlegung eines Flugverfahrens hat das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung nach Maßgabe von Flugsicherheitserfordernissen zu beurteilen, ob die Flugbewegungen gebündelt oder gestreut werden (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11.03 – Buchholz 442.42 § 27a LuftVO Nr. 3 S. 37 ≪insoweit nicht in BVerwGE 121, 152≫). Allerdings obliegt es dem Planfeststellungsbeschluss, die in der räumlichen Umgebung eines Flughafens aufgeworfenen Probleme abwägend zu bewältigen. Dabei ist die Ermittlung der Lärmbetroffenheiten im Planfeststellungsverfahren systemimmanent mit der Unsicherheit behaftet, dass die Flugrouten für die An- und Abflüge nicht feststehen (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4001.10 – BVerwGE 141, 1 Rn. 147). Ist nach dem planerischen Konzept des Planfeststellungsbeschlusses Grundlage für die Zulassung des Vorhabens an dem gewählten Standort, dass bestimmte, besonders schutzwürdige Gebiete von Verlärmung verschont bleiben, kann er dies mit bindender Wirkung für die spätere Festlegung von Flugverfahren feststellen (BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2012 – 4 A 5000.10 u. a. – BVerwGE 144, 1 Rn. 50 f.). Schweigt der regelnde Teil des Planfeststellungsbeschlusses insoweit, ist es eine Frage der Auslegung, ob er eine solche Festlegung treffen wollte (BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2013 – 4 C 14.12 – BVerwGE 149, 17 Rn. 16). Hieraus folgt, dass allein die im Planfeststellungsverfahren prognostizierte Grobplanung keine Bindungen für das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung entfaltet, wenn sie nicht Gegenstand einer ausdrücklichen oder durch Auslegung zu ermittelnden Festlegung des Planfeststellungsbeschlusses wird. Dies gilt auch für die Entscheidung, ob Flugverfahren gebündelt oder gestreut werden.
Rz. 8
Die Beschwerde zeigt auch mit ihrem Hinweis auf die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. Juni 2013 (– 11 A 10.13 – LKV 2013, 513) und vom 9. April 2014 (– 6 A 8.14 – LKV 2014, 369) keinen grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Denn diese Entscheidungen wählen die Grobplanung zwar als Ausgangspunkt, stellen aber anders als die von der Beschwerde aufgeworfene Frage auf die erkennbaren planerischen Festsetzungen ab. Es bedarf daher auch keiner Klärung, ob die Aussagen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg von den Aussagen des Senats zum Verhältnis von Planfeststellungsbeschluss und der Festlegung von Flugverfahren abweichen.
Rz. 9
3. Die Frage der Beschwerde,
ob es § 29b Luftverkehrsgesetz – LuftVG – i.V.m. § 27a LuftVO und der hiernach geschuldeten Sachverhaltsaufklärung bezüglich der Lärmbetroffenheiten der Flughafennachbarn genügt, wenn die Rechtsverordnung festgelegt wird, ohne dass auf Kartenmaterial, welches verlässlich Auskunft über die Zahl der Lärmbetroffenen gibt, zurückgegriffen wird,
führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt. Die Sachverhaltsfeststellungen können sich durchweg darauf beschränken, anhand von aktuellem Kartenmaterial, das zuverlässig Aufschluss über die Siedlungsstruktur bietet, näher aufzuklären, wie groß der Kreis potenzieller Lärmbetroffener ist. Weitere Ermittlungen sind nur dann anzustellen, wenn die konkreten Umstände hierzu Anlass geben. Welche Untersuchungstiefe hierbei sachlich und räumlich geboten ist, richtet sich nach dem Ausmaß der Lärmbelastung (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152 ≪167≫). Das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung hat umso eingehender zu prüfen, je deutlicher die Zumutbarkeitsschwelle voraussichtlich überschritten wird (BVerwG, Beschluss vom 18. Oktober 2005 – 4 B 43.05 – juris Rn. 2). Hiervon ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen (UA S. 32 f.) und hat eine ausreichende Ermittlung der Lärmbelange der Klägerin angenommen (UA S. 34). Dass die Beschwerde diese Einschätzung nicht teilt, führt auf keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Denn mit einer Kritik an der Rechtsanwendung im Einzelfall lässt sich die grundsätzliche Bedeutung einer Frage nicht darlegen (BVerwG, Beschlüsse vom 16. Januar 2013 – 4 B 15.10 – ZfBR 2013, 363 Rn. 3 und vom 26. März 2014 – 4 B 3.14 – BauR 2014, 1129 Rn. 9; stRspr).
Rz. 10
4. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf hinsichtlich der
Frage,
ob im Rahmen der nach § 29b Abs. 2 LuftVG geschuldeten Abwägung der Lärmbelastung eine ohne Rechtsgrundlage begründete und auf formell illegalen Flugbetrieb zurückführende Lärmvorbelastung als für die Flugroutenführung sprechender Gesichtspunkt in der Abwägung berücksichtigt werden darf.
Rz. 11
Eine grundsätzliche Bedeutung der Sache ist damit nicht dargelegt. Der Fall wirft die Frage nicht auf. Der Verwaltungsgerichtshof hat es in seinen Ausführungen zur Sachverhaltsermittlung gebilligt, dass das Bundesaufsichtsamt sich damit begnügt hat, an die tatsächlichen Lärmbetroffenheiten anzuknüpfen, da keine erstmalige Festlegung des An- und Abflugverfahrens erfolgt sei, sondern dieses Verfahren schon mit einer Verfügung der … GmbH – … – vom 21. Februar 2008 festgelegt und seither praktiziert worden sei (UA S. 34). Das Urteil bietet keinen Anhaltspunkt für die Annahme der Klägerin, die Beklagte habe diesen Betrieb als Vorbelastung in ihre Abwägung eingestellt und der Verwaltungsgerichtshof habe dies gebilligt.
Rz. 12
5. Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
ob Verstöße gegen die Vorschrift über die Sicherheitsmindestflughöhe gemäß § 6 LuftVO, die mit dem durch Rechtsverordnung festgelegten Flugverfahren notwendigerweise verbunden sind, grundsätzlich als gegen die Routenführung sprechender Belang im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind.
Rz. 13
Auch dies führt nicht zur Zulassung der Revision. Wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache ist die Revision nur zuzulassen, wenn sich die grundsätzliche Rechtsfrage unmittelbar, nicht erst auf Grund von weiterer Sachaufklärung nach Aufhebung und Zurückverweisung der Sache beantwortet (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 1961 – 3 B 43.60 – Buchholz 427.3 § 339 LAG Nr. 120 S. 151 und vom 19. Februar 2014 – 4 B 40.13 – BayVBl 2014, 477 = juris Rn. 9). Wie auch die Beschwerde erkennt (Begründung S. 31) hat der Verwaltungsgerichtshof keine Tatsachen festgestellt, dass die Nutzung des angegriffenen Flugverfahrens notwendigerweise zu einem Verstoß gegen die Regelungen über die Sicherheitsmindesthöhe in § 6 LuftVO führt (UA S. 51). Mit den Regelungen der Verordnung sei nicht festgelegt, dass die Sicherheitsmindesthöhe nach § 6 Abs. 1 LuftVO nicht einzuhalten sei. Im Übrigen dürfe die Sicherheitsmindesthöhe nach § 6 Abs. 1 Satz 1 LuftVO unterschritten werden, soweit es bei Start und Landung notwendig ist.
Rz. 14
6. Schließlich führt auch die Frage nicht zur Zulassung der Revision wegen
grundsätzlicher Bedeutung,
ob die gesetzgeberische Entscheidung des § 2 i.V.m. § 5 FluglärmG, wonach die Zumutbarkeitsgrenze gemäß § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG für schutzbedürftige Einrichtungen nicht anders zu ziehen ist als für Wohnungen, auch für Landeplätze und Verkehrslandeplätze, für die das Fluglärmgesetz nicht anwendbar ist, die Wirkung entfaltet, dass die Zumutbarkeitsgrenze für schutzbedürftige Einrichtungen nicht anders zu ziehen ist als für Wohnungen.
Rz. 15
Die Frage bedarf keiner rechtsgrundsätzlichen Klärung. Sie lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation ohne weiteres beantworten (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. August 1999 – 4 B 72.99 – BVerwGE 109, 268 ≪270≫, vom 16. November 2004 – 4 B 71.04 – NVwZ 2005, 449 ≪450≫ und vom 3. April 2014 – 2 B 70.12 – IÖD 2014, 124 = juris Rn. 7).
Rz. 16
Für Flugplätze nach § 4 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz gegen Fluglärm (FluglärmG) legt § 8 Abs. 1 Satz 3 LuftVG i.V.m. § 2 Abs. 2 Satz 2 FluglärmG die fachplanungsrechtliche Zumutbarkeitsgrenze auch mit Wirkung für die fachplanerische Abwägung normativ fest (BVerwG, Urteil vom 13. Oktober 2011 – 4 A 4001.10 – BVerwGE 141, 1 Rn. 167). Die einfachgesetzliche Grenzlinie der Zumutbarkeit für An- und Abflugverfahren ist in § 29b Abs. 2 LuftVG nicht anders zu ziehen (so OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. April 2014 – 6 A 9.14 – juris Rn. 33; OVG Münster, Urteil vom 13. November 2008 – 20 D 124/06.AK – juris Rn. 76 f.; OVG Bautzen, Urteil vom 27. Juni 2012 – 1 C 13.08 – juris Rn. 80; OVG Lüneburg, Urteil vom 9. Juli 2014 – 7 KS 61/10 – NordÖR 2014, 443 – juris Rn. 37). Denn unzumutbar sind solche Lärmeinwirkungen, die durch das Qualifikationsmerkmal der Erheblichkeit die Schädlichkeitsgrenze überschreiten (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152 ≪161≫). Für lärmsensible Einrichtungen wie Senioren- und Pflegeeinrichtungen oder Kindertagesstätten gelten keine niedrigeren Lärmwerte. Dies folgt schon daraus, dass es bei der Festlegung eines Flugverfahrens keiner parzellenscharfen Beurteilung der Beeinträchtigung bedarf (BVerwG, Urteil vom 28. Juni 2000 – 11 C 13.99 – BVerwGE 111, 276 ≪283≫), sondern eine generalisierende Betrachtung ausreichend ist (Urteil vom 24. Juni 2004 a.a.O. S. 157).
Rz. 17
Es kann offenbleiben, ob – wie der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat – hiervon abweichend bei An- und Abflugverfahren zu oder von einem Flugplatz, für den nach § 4 Abs. 1 FluglärmG kein Lärmschutzbereich festzusetzen ist, die Zumutbarkeitsgrenze des § 29b Abs. 2 LuftVG sich nach den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses bestimmt (UA S. 36). Denn in diesem Fall gilt nach den tatrichterlichen Feststellungen die Zumutbarkeitsschwelle eines äquivalenten Dauerschallpegels von 55 dB(A) aus dem gegenüber der Klägerin bestandskräftigen Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau des Verkehrslandeplatzes … vom 5. April 2002. Dass der Planfeststellungsbeschluss für lärmsensible Einrichtungen eine andere Zumutbarkeitsschwelle festsetzt, hat der Verwaltungsgerichtshof nicht festgestellt. Fragen der Auslegung der §§ 2 und 5 FluglärmG würden insoweit nicht aufgerufen.
Rz. 18
II. Auch die Verfahrensrügen führen nicht zur Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Rz. 19
1. a) Die Klägerin sieht das Gebot rechtlichen Gehörs aus Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verletzt, weil der Verwaltungsgerichtshof eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen habe mit der Annahme, dass die in der streitgegenständlichen Rechtsverordnung normierte Wegführung für Sichtflüge von Hochleistungsflugzeugen (High Performance Aircraft – HPA) (HPA-Sichtflüge) über die Meldepunkte YANKEE 1 und YANKEE 2 mit dem An- und Abflugverfahren über die Pflichtmeldepunkte TANGO und ECHO übereinstimme. Eine Überraschungsentscheidung liegt indes nicht vor. Entsprechend den nachfolgenden Ausführungen zur Rüge einer aktenwidrigen Feststellung hat der Verwaltungsgerichtshof den Sachverhalt nicht in einer Weise gewürdigt, mit der auch ein gewissenhafter und kundiger Beteiligter nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 – 6 C 9.12 – NVwZ 2013, 1614 Rn. 38 ≪insoweit nicht in BVerwGE 147, 292≫).
Rz. 20
b) Die Rüge bleibt auch erfolglos, wenn sie als Rüge einer aktenwidrigen Feststellung verstanden wird. Eine solche Rüge bedarf der schlüssig vorgetragenen Behauptung zwischen den in der angegriffenen Entscheidung getroffenen tatsächlichen Annahmen und dem insoweit unumstrittenen Akteninhalt sei ein Widerspruch gegeben. Dieser Widerspruch muss offensichtlich sein, so dass es einer weiteren Beweiserhebung zur Klärung des richtigen Sachverhalts nicht bedarf. Die Verfahrensrüge der Aktenwidrigkeit verlangt ferner eine genaue Darstellung des Verstoßes, und zwar durch konkrete Angaben von Textstellen aus dem vorinstanzlichen Verfahren, aus denen sich der Widerspruch ergeben soll (BVerwG, Beschlüsse vom 2. November 1999 – 4 BN 41.99 – UPR 2000, 226 und vom 3. Juni 2014 – 4 BN 14.14 – UPR 2014, 353 = juris Rn. 9).
Rz. 21
Soweit die Beschwerde beanstandet, dass der Verwaltungsgerichtshof die in der Planfeststellung in den Blick genommenen Routen über die Pflichtmeldepunkte TANGO und ECHO für vergleichbar mit der Wegführung für HPA-Sichtflüge nach der streitgegenständlichen Rechtsverordnung angesehen habe, führt dies nicht auf eine aktenwidrige Feststellung. Denn dem auf die Grobplanung des Planfeststellungsverfahrens bezogenen Begriff „vergleichbar” (UA S. 24) liegt eine rechtliche Wertung zugrunde, eine Identität der Routen wird damit nicht festgestellt. Die Beschwerde legt auch im Hinblick auf die Seiten 34 f. des Urteilsabdruckes eine Aktenwidrigkeit nicht dar. Die Formulierung, es sei eine aus der Festlegung des Flugverfahrens durch die 245. DVO/LuftVO resultierende Veränderung zu verneinen, bezieht sich, wie der nachfolgende Satz zeigt, auf die Verfügung der … GmbH vom 21. Februar 2008. Dass das Gericht von einer Identität der festgelegten Verfahren mit den Flugverfahren über die Pflichtmeldepunkte TANGO und ECHO ausging, lässt sich der Seite 34 des Urteilsabdruckes auch im Übrigen nicht entnehmen. Die am Ende des mittleren Absatzes anschließende Formulierung „hierbei” bezieht sich nicht auf das Verfahren zur Festlegung des Flugverfahrens, sondern auf das Planfeststellungsverfahren.
Rz. 22
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers bei der Behandlung des Beweisantrags 4.1 zuzulassen. Maßgeblich für die Beurteilung eines Verfahrensfehlers ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des Tatsachengerichts, auch wenn diese verfehlt sein sollte (BVerwG, Urteil vom 14. Januar 1998 – 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 ≪119≫ und Beschluss vom 16. Januar 2014 – 4 B 32.13 – ZfBR 2014, 375 Rn. 20). Die Klägerin hat beantragt, Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben zu der Tatsache, dass die Nordoder Südverschiebung der HPA-Anflugstrecke (bzw. der Pflichtmeldepunkte YANKEE 1 und YANKEE 2) die Zahl der durch das Anflugverfahren lärmbetroffenen Personen bei Betriebsrichtung 27 verringern würde. Nach der materiellrechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs kam es auf diese Behauptung nicht an, weil sich aus einer geringeren Zahl von Betroffenen noch nicht die Vorzugswürdigkeit einer solchen Alternative ergebe (UA S. 48). Die Beschwerde wirft dem Verwaltungsgerichtshof vor, sich mit dieser Auffassung in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung zu setzen oder jedenfalls nicht die materiellrechtlich gebotenen Folgerungen zu ziehen. Dies ist indes nicht geeignet, einen Verfahrensfehler darzulegen.
Rz. 23
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Prof. Dr. Rubel, Petz, Dr. Külpmann
Fundstellen