Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Beschluss vom 30.05.2005; Aktenzeichen 13 A 4539/04.A) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 30. Mai 2005 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie legt die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache und eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) nicht in einer Weise dar, die den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügt.
1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine bestimmte klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage des revisiblen Rechts aufgeworfen wird. Eine solche lässt sich der Beschwerde nicht entnehmen. Die von ihr aufgeworfene Frage,
“ob eine posttraumatische Belastungsstörung derzeit im Kosovo grundsätzlich hinreichend behandelbar ist, um eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung i.S. existenzieller Gesundheitsgefahren im Einzelfall aus Sicht eines vernünftig denkenden und besonnenen Menschen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen”,
führt nicht auf eine Rechtsfrage, sondern zielt in erster Linie auf die Klärung der tatsächlichen Verhältnisse im Kosovo, die den Tatsachengerichten vorbehalten ist (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine bestimmte rechtsgrundsätzliche Frage im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hierzu zeigt die Beschwerde nicht auf.
2. Der von der Beschwerde geltend gemachte Verfahrensmangel der Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und der Versagung des rechtlichen Gehörs (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) wegen Nichtberücksichtigung eines schriftlichen Beweisantrags ist nicht schlüssig dargetan. Die Beschwerde trägt hierzu vor, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe im Berufungsverfahren schriftsätzlich beantragt,
“über die Tatsache, dass im Fall der Klägerin eine PTBS im Kosovo nach anerkannten Standards nicht behandelbar ist, Beweis zu erheben durch Einholung einer Auskunft der UNMIK, des Gesundheitsministeriums des Kosovo und des UNHCR”.
In dem angefochtenen Beschluss habe das Berufungsgericht hierzu ausgeführt:
“Vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisquelle drängt sich dem Senat eine weitere Aufklärung der Gesundheitsversorgungslage im Kosovo für psychisch Kranke, insbesondere die Einholung einer weiteren Auskunft der UNMIK nicht auf. Letztere hat bereits mit ihrer Stellungnahme aus dem Januar 2005 eine Schilderung der tatsächlichen Lage abgegeben, die der Senat berücksichtigt hat. Es liegen keine Anhaltspunkte für eine wesentliche Änderung der Tatsachenlage, die Anlass für eine neue Stellungnahme geben könnte, vor.”
Die Beschwerde meint, das Berufungsgericht hätte dem Beweisantrag nachgehen und den Sachverhalt weiter aufklären müssen, zumal es durch Beschluss nach § 130a VwGO entschieden habe und somit kein Beweisantrag in einer mündlichen Verhandlung habe gestellt werden können.
Damit und mit dem übrigen Vorbringen der Beschwerde ist ein Verfahrensmangel weder unter dem Gesichtspunkt einer Gehörsverletzung noch unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der Aufklärungspflicht dargetan. Mit dem Vorwurf, die Klägerin habe wegen des vereinfachten Berufungsverfahrens nach § 130a VwGO “keinen Beweisantrag in einer mündlichen Verhandlung” stellen können, ist ein Verfahrensmangel schon deshalb nicht aufgezeigt, weil die Beschwerde auch nicht ansatzweise darlegt, dass und aus welchen Gründen das Berufungsgericht nicht im Beschlusswege nach § 130a VwGO hätte entscheiden dürfen. Im Übrigen findet § 86 Abs. 2 VwGO, auf den sich die Beschwerde möglicherweise berufen will, im vereinfachten Berufungsverfahren nach § 130a VwGO nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich keine Anwendung (vgl. etwa Beschluss vom 29. Juni 2001 – BVerwG 1 B 131.00 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 63 S. 26).
Allerdings kann die Ablehnung eines erheblichen Beweisantrags – im vereinfachten ebenso wie im regulären Berufungsverfahren – das rechtliche Gehör und die gerichtliche Aufklärungspflicht verletzen, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet. Die Beschwerde legt indes schon nicht dar, dass das Berufungsgericht die beantragte Einholung weiterer sachverständiger Auskünfte prozessrechtswidrig abgelehnt hat. Das Oberverwaltungsgericht stützt die Ablehnung des Beweisantrags in den Entscheidungsgründen der Sache nach auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Tatsacheninstanzen einen Beweisantrag auf Einholung von Sachverständigengutachten oder einer amtlichen Auskunft besonders in Asylverfahren, in denen regelmäßig eine Vielzahl amtlicher Auskünfte und sachverständiger Stellungnahmen zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden, im Allgemeinen nach tatrichterlichem Ermessen gemäß § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 ZPO oder mit dem Hinweis auf eigene Sachkunde verfahrensfehlerfrei ablehnen können (vgl. etwa Beschlüsse vom 27. März 2000 – BVerwG 9 B 518.99 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 60 S. 8, vom 5. Juli 2000 – BVerwG 9 B 138.00 – und vom 7. Februar 2001 – BVerwG 1 B 206.00 – Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 45 und 46 m.w.N.). Dies setzt allerdings voraus, dass die in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel zur Beurteilung der geltend gemachten Gefahren ausreichen und dies gegebenenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt und belegt wird.
Gemessen hieran legt die Beschwerde nicht dar, dass und inwiefern die vom Berufungsgericht in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen zur Frage der Behandelbarkeit der posttraumatischen Belastungsstörung der Klägerin im Kosovo für eine sachkundige Beurteilung nicht ausreichend gewesen sein sollen, sondern sich dem Gericht die Einholung der weiter beantragten Stellungnahmen der UNMIK, des Gesundheitsministeriums des Kosovo oder des UNHCR hätte aufdrängen müssen. Das Berufungsgericht hat in das Verfahren zahlreiche Auskünfte und Stellungnahmen verschiedenster sachkundiger öffentlicher und privater Stellen oder sachverständiger Personen zu diesem Thema eingeführt und ausgewertet, insbesondere auch die von der Beschwerde zitierte, gemeinsam von UNMIK und dem Gesundheitsministerium des Kosovo erarbeitete und vom UNHCR publizierte Stellungnahme vom Januar 2005 (Gerichtsakte Bl. 269 ff., BA S. 13 ff. ≪18≫). Es hat sich mit der zum Teil kontroversen Einschätzung der verschiedenen Auskunftsstellen im Einzelnen befasst und ist aufgrund seiner Sichtung und Würdigung zu der Überzeugung gelangt, dass für die psychische Erkrankung, unter der die Klägerin leidet, grundsätzlich eine Behandlungsmöglichkeit im Kosovo besteht, und zwar in Gestalt einer “medikamentösen und kontrollehalber begleitenden, supportiven gesprächstherapeutischen Behandlung” (BA S. 14 f.). Die Klägerin hat weder bei der Begründung ihres Beweisantrags im Berufungsverfahren noch in der Beschwerdebegründung aufgezeigt, dass und ggf. welche weitergehenden neueren oder besseren Erkenntnisse bei der begehrten nochmaligen Anfrage an die benannten Auskunftsstellen über die in der Stellungnahme vom Januar 2005 enthaltenen Angaben hinaus zu erwarten gewesen wären. Auch eine aktuelle wesentliche Veränderung der Tatsachenlage, die möglicherweise Anlass zur Einholung weiterer Auskünfte hätte sein können, wird von der Beschwerde selbst nicht behauptet und ist auch sonst nicht ersichtlich. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde auf, dass die in dem Beweisantrag benannten Stellen über einen im Vergleich zu den übrigen Auskunftsstellen überlegenen oder weitergehenden Sachverstand verfügten und deshalb geeignet und in der Lage wären, ein Obergutachten zu erstatten. Warum sich unter diesen Umständen dem Berufungsgericht auf der Grundlage seiner – nicht mit durchgreifenden Rügen angegriffenen – materiellen Rechtsauffassung die beantragte weitere Beweiserhebung hätte aufdrängen müssen, lässt sich der Beschwerde somit nicht entnehmen.
Soweit die Beschwerde bemängelt, das Oberverwaltungsgericht habe in den von ihm zitierten eigenen Beschlüssen vom 17. März 2005 und 16. Dezember 2004 die Auskunft der UNMIK und des Gesundheitsministeriums des Kosovo aus dem Jahre 2005 noch gar nicht berücksichtigt, ist auch dieses Vorbringen nicht geeignet, den behaupteten Verfahrensmangel zu begründen. Denn das Berufungsgericht ist jedenfalls in dem angefochtenen Beschluss selbst ausdrücklich auf diese Stellungnahme eingegangen und hat ausgeführt, aus welchen Gründen es gleichwohl auf Grund der übrigen Erkenntnisquellen, insbesondere der Auskünfte des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo und der Auskünfte bzw. Lageberichte des Auswärtigen Amtes, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Erkrankung der Klägerin im Kosovo durch medikamentöse Versorgung im Zusammenwirken mit begleitender Gesprächstherapie ausreichend behandelt werden könne (BA S. 13 ff., 18 ff.). Darauf geht die Beschwerde nicht ein. In Wahrheit wendet sie sich gegen die ihrer Ansicht nach unzutreffende Bewertung der Auskunftslage durch das Berufungsgericht, ohne damit einen Verfahrensmangel aufzuzeigen.
Sonstige Rügen hat die Beschwerde nicht erhoben.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Beck, Prof. Dr. Dörig
Fundstellen