Verfahrensgang
OVG der Freien Hansestadt Bremen (Urteil vom 02.09.2008; Aktenzeichen 1 A 161/06) |
Tenor
Die Beschwerden des Klägers und der Beklagten gegen die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen über die Nichtzulassung der Revision gegen sein Urteil vom 2. September 2008 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben der Kläger zu zwei Dritteln und die Beklagte zu einem Drittel zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die vom Kläger und der Beklagten eingelegten Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision bleiben ohne Erfolg.
I
Rz. 2
Der Kläger wendet sich gegen die Nichtzulassung der Revision, soweit das Berufungsgericht die von ihm beantragte Feststellung der Rechtswidrigkeit der Personalausweisbeschränkung und der Meldeauflage abgelehnt hat.
Rz. 3
1. Die auf die Grundsatz- und Verfahrensrüge gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Personalausweisbeschränkung bleibt ohne Erfolg.
Rz. 4
a) Der Kläger hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig und grundsätzlich bedeutsam (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), ob es mit dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 GG zu vereinbaren sei, wenn die Behörde diese bei einem Bürger einschränke, weil sie die Begehung schwerer Straftaten, mindestens den Tatbestand des Landfriedensbruchs gemäß § 125 StGB, mit der Begründung bejahe, der Bürger habe sich innerhalb eines Zeitraumes von 14 Monaten vor Erlass der behördlichen Maßnahme zweimal im Umfeld gewaltbereiter Personen befunden, ohne dass er selbst Gewalttaten verübt habe und ohne dass Gewalttaten unmittelbar bevorgestanden hätten. Diese Frage rechtfertigt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht, weil sie sich nicht in allgemeingültiger Weise, d.h. mit Bedeutung über den vom Oberverwaltungsgericht entschiedenen Einzelfall hinaus klären lässt.
Rz. 5
Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass die Ausreise eines Passinhabers im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG “sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet”, wenn bestimmte Tatsachen die Prognose begründen, die Person werde sich im Ausland an Gewalttätigkeiten beteiligen, die dem Tatbestand des Landfriedensbruchs in § 125 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechen. Dagegen wendet sich die Beschwerde nicht; sie will vielmehr geklärt wissen, ob eine derartige Gefährdung bereits dann vorliegt, wenn sich der Betroffene in der nahen Vergangenheit lediglich zweimal im Umfeld gewaltbereiter Personen aufgehalten hat, “wobei bei beiden Vorfällen keine Gewalttaten stattfanden, in einem Fall keine Gewalttätigkeiten unmittelbar bevorstanden und noch nicht einmal Auffälligkeiten festgestellt wurden, und im anderen Falle der Betroffene das Umfeld längst verlassen hatte, als die Polizei eine unmittelbar bevorstehende, gewalttätige Auseinandersetzung verhindert hatte”. So gestellt, entzieht sich die Frage einer grundsätzlichen Klärung. Sie hängt ersichtlich von der Feststellung und Bewertung des tatsächlichen Geschehens im Einzelfall ab und hat keine darüber hinausgehende Bedeutung. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang Parallelen zum allgemeinen Polizeirecht und zum Versammlungsrecht zieht, liegt es auf der Hand und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass die Auslegung und Anwendung der dort einschlägigen Vorschriften nicht notwendig zum selben Ergebnis führen muss wie diejenige des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG. Auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache führt auch nicht das Vorbringen der Beschwerde, das Berufungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass bereits die zweimalige Teilnahme an einem gewalttätigen “Umfeld” den Anforderungen entspreche, die einen Landfriedensbruch darstellten. Zum einen formuliert sie damit keine Rechtsfrage zum Verständnis von § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG, sondern wendet sich gegen die von ihr für fehlerhaft gehaltene Anwendung dieser Vorschrift durch das Oberverwaltungsgericht. Zum anderen übersieht sie, dass das Oberverwaltungsgericht die von ihm festgestellten Tatsachen nicht dem Tatbestand des vollendeten Landfriedensbruchs zugeordnet, sondern lediglich die Gefahrenprognose nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 PassG auf sie gestützt hat.
Rz. 6
b) Im Wege der Verfahrensrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) macht der Kläger geltend, die Speicherung und Heranziehung der über ihn festgehaltenen Daten vom 24. Mai 2003 und 15. März 2003 verletzten sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Gegen die Heranziehung der beiden Vorfälle vom 24. Mai 2003 und vom 15. März 2003 erhebt er außerdem die Rüge der mangelnden Aufklärung. Auch diese Rügen bleiben ohne Erfolg.
Rz. 7
aa) Soweit der Kläger die Verletzung seines Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend macht, rügt er keinen dem angefochtenen Urteil anhaftenden Mangel des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht, sondern eine Verletzung von materiellem Recht. Ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ergibt sich auch nicht aus der Erwähnung des Grundrechts auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. Dem Kläger ist zu den Vorfällen am 24. Mai 2003 und am 15. März 2003 und zur Verwertung der entsprechenden Daten durch die Beklagte in der Verfügung vom 17. Mai 2004 vom Oberverwaltungsgericht ausreichendes rechtliches Gehör gewährt worden.
Rz. 8
bb) Schließlich greift auch die Rüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht durch. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Verfahrensrüge mangelnder Sachverhaltsaufklärung nur dann den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend erhoben, wenn substantiiert dargelegt wird, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 6. März 1995 – BVerwG 6 B 81.94 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265).
Rz. 9
Diesen Anforderungen genügt die Aufklärungsrüge des Klägers nicht.
Rz. 10
Der Kläger macht geltend, die ihm zur Last gelegten Vorfälle am 24. Mai 2003 und am 15. März 2003 seien vom Oberverwaltungsgericht nicht prozessordnungsgemäß aufgeklärt worden, weil es dazu nicht die beteiligten Polizeibeamten sowie die Herren A… und W… als Zeugen vernommen habe. Nach seiner Meinung hätte sich bei der Vernehmung dieser Zeugen ergeben, dass damals keine Auseinandersetzungen zwischen den Fußballfans geplant gewesen seien und dass er selbst jedenfalls an einer solchen Auseinandersetzung nicht teilgenommen hätte; zumindest sei eine Beweislastentscheidung zu seinen Gunsten möglich gewesen. Mit diesem Vorbringen beschreibt der Kläger lediglich das erhoffte Ergebnis der vermissten Beweisaufnahme, ohne einzelne in das Wissen der Zeugen gestellte Tatsachen zu benennen, die das Oberverwaltungsgericht zu einer anderen Entscheidung hätten führen können; infolgedessen lässt sich entgegen § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO aufgrund seines Vorbringens die Eignung der Zeugen zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts nicht beurteilen. Außerdem ist nicht dargelegt, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht auf die Vernehmung der Zeugen hingewirkt hat oder dass sich ihre Vernehmung unabhängig hiervon dem Oberverwaltungsgericht hätte aufdrängen müssen.
Rz. 11
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers bleibt auch ohne Erfolg, soweit er sich gegen die Abweisung seiner Klage hinsichtlich der polizeilichen Meldeauflage wendet. Von dem Vorbringen zur Ausweisbeschränkung gesonderte Rügen werden insofern nicht vorgebracht, so dass grundsätzlich auf die voranstehenden Ausführungen zur Begründung der Zurückweisung Bezug genommen werden kann, und zwar insbesondere bezüglich der Verfahrensrüge. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich der beschließende Senat zu den bundesrechtlichen Aspekten der – im Ausgangspunkt landesrechtlichen (§ 10 Abs. 1 BremPolG) – polizeilichen Meldeauflage bereits grundlegend geäußert hat (Urteil vom 25. Juli 2007 – BVerwG 6 C 39.06 – BVerwGE 129, 142 = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 84) und dem Beschwerdevorbringen nichts zu entnehmen ist, was darüber hinaus ihre Zulassung als Grundsatzrevision begründen könnte.
II
Rz. 12
Die von der Beklagten eingelegte und allein auf die Grundsatzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision betreffend die Passbeschränkung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Rz. 13
Das Oberverwaltungsgericht hat der von der Beklagten über die Personalausweisbeschränkung hinaus angeordneten Passbeschränkung einen zusätzlichen Nutzen bei der Verhinderung der Ausreise des Klägers aus dem Bundesgebiet abgesprochen und diese Maßnahme daher als unverhältnismäßig beurteilt. Hierzu formuliert die Beklagte sinngemäß die Frage, ob – wie im Streitfall geschehen – zugleich mit einer Personalausweisbeschränkung auch eine Passbeschränkung angeordnet werden darf, um den Betroffenen an einer zeitweisen Ausreise in einen Staat zu hindern, für den keine Passpflicht besteht, und führt aus, der Kläger sei nur durch beide Maßnahmen zusammen wirksam an der Ausreise gehindert worden.
Rz. 14
Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, die der Klärung in einem Revisionsverfahren bedürfte, wird von der Beklagten damit nicht aufgeworfen. Ihre Einwände gegen das angefochtene Urteil betreffen der Sache nach die vom Oberverwaltungsgericht verneinte Eignung der Passbeschränkung zur (zusätzlichen) Verhinderung der Ausreise. Ob und inwieweit eine ordnungsrechtliche Maßnahme zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet ist, entscheidet sich in erster Linie nach den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Falles, nicht aufgrund rechtlicher Erwägungen. In rechtlicher Hinsicht hat das Oberverwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Passbeschränkung und die Personalausweisbeschränkung sich im Wesentlichen dadurch voneinander unterscheiden, dass die Beschränkung der Ausreise im Pass eingetragen wird, im Personalausweis hingegen nicht (§ 7 Abs. 2 PassG; § 2 Abs. 2 PAuswG). Der Passinhaber muss daher mit seiner sofortigen Zurückweisung durch die deutsche Grenzbehörde rechnen, wenn er sich bei einer etwaigen Kontrolle mit einem Pass ausweist, in dem eine Ausreisebeschränkung eingetragen ist. Legt er anstelle des Passes den beschränkten Personalausweis vor, so ist damit kein ebenso hohes Zurückweisungsrisiko verbunden, weil die Beschränkung im Personalausweis nicht vermerkt wird. Von der Passbeschränkung kann daher nur dann eine stärkere ausreisehindernde Wirkung als von der Personalausweisbeschränkung ausgehen, wenn die ausreisewillige Person die Absicht hat, bei ihrer Reise nicht den äußerlich unveränderten Personalausweis, sondern den mit dem Beschränkungsvermerk versehenen Pass als Ausweisdokument zu verwenden. Ansonsten kommt der Passbeschränkung keine rechtliche Bedeutung zu, die über diejenige der Personalausweisbeschränkung hinausgeht; andererseits nimmt ein unbeschränkter Pass der Personalausweisbeschränkung nicht ihre ausreisehindernde Wirkung (§ 24 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 10 Abs. 1, § 9 PassG; § 2 Abs. 2 und 3 PAuswG). Weiterführende rechtliche Erkenntnisse über die Eignung der Passbeschränkung zur Verhinderung der Ausreise wären in einem Revisionsverfahren nicht zu erwarten.
III
Rz. 15
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und § 159 VwGO i.V.m. § 100 ZPO.
Rz. 16
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Dr. Graulich, Dr. Bier
Fundstellen