Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 25.05.2009; Aktenzeichen 12 A 3099/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 25. Mai 2009 wird verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 625,92 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde ist unzulässig.
Rz. 2
1. Der allein geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird zwar behauptet, aber nicht dem Begründungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend dargelegt.
Rz. 3
Eine den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügende Begründung setzt im Hinblick auf den Zulassungsgrund der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung die Darlegung voraus, dass für die Entscheidung des Berufungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Rechtsfrage von Bedeutung war, die auch für die Entscheidung im Revisionsverfahren erheblich wäre und deren höchstrichterliche Klärung im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 22. Mai 2008 – BVerwG 5 B 130.07 – juris = JAmt 2008, 600). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht.
Rz. 4
1.1 Soweit die Beschwerde der Rechtssache in Bezug auf die Auslegung und Anwendung des § 89 SGB VIII und § 89a SGB VIII durch das Berufungsgericht grundsätzliche Bedeutung beimisst, formuliert sie weder ausdrücklich noch sinngemäß eine bislang ungeklärte, konkrete Frage, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer höchstrichterlichen Klärung zugeführt werden könnte. Sie lässt nicht einmal erkennen, hinsichtlich welcher der Bestimmungen der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zukommen solle. Sie beschränkt sich vielmehr darauf, das angefochtene Urteil insoweit als rechtlich fehlerhaft anzugreifen. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe als örtliche Trägerin der Jugendhilfe gegen den Beklagten als überörtlichen Träger der Jugendhilfe keinen Erstattungsanspruch gemäß § 89 SGB VIII und gemäß § 89a SGB VIII, weil für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. August 2002 bis 31. Juli 2004 eine örtliche Zuständigkeit der Klägerin gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII begründet worden sei, stehe nicht in Einklang mit der Gesetzessystematik und werde darüber hinaus von anderen Obergerichten nicht geteilt. Mit einer derartigen Beanstandung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts in der Art einer Berufungs- oder Revisionsbegründung kann die Grundsätzlichkeit einer Rechtssache nicht dargetan werden.
Rz. 5
1.2 Soweit die Beschwerde die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache aus der Auslegung des § 86 Abs. 6 SGB VIII herleiten möchte, wird ebenfalls nicht ausdrücklich eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage benannt. Dies gilt auch, soweit die Beschwerde auf das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. Juli 2007 – 12 B 06.955 – juris hinweist, nach dem § 86 Abs. 6 Satz 1 SGB VIII voraussetze, dass bei Anwendung der Pflegestellenzuständigkeit und der Zuständigkeit nach § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII unterschiedliche Jugendhilfeträger zuständig wären. Führten die Vorschriften der § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII und die des § 86 Abs. 6 SGB VIII dagegen zur Zuständigkeit desselben Trägers, bedürfe es der vom System des § 86 Abs. 1 bis 5 SGB VIII abweichenden Regelung des § 86 Abs. 6 SGB VIII mit der daran anknüpfenden Kostenentlastung des § 89a SGB VIII nicht. Hierzu ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits geklärt, dass der Erstattungsanspruch nach § 89a SGB VIII einen Wechsel des örtlich zuständigen Trägers infolge der zweijährigen Familienpflege gemäß § 86 Abs. 6 SGB VIII voraussetzt (Beschluss vom 23. Oktober 2002 – BVerwG 5 B 12.02 – juris). Sollte die Beschwerde im Übrigen der Auffassung sein, dass das Berufungsgericht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht die gebotene Beachtung geschenkt habe, würde dies allenfalls eine – vermeintlich – fehlerhafte Rechtsanwendung im Einzelfall bewirken. Entsprechendes gälte für die vom Berufungsgericht angenommene Festschreibung der örtlichen Zuständigkeit an den letzten Aufenthaltsort des personensorgeberechtigten Elternteils in unmittelbarer oder gegebenenfalls auch entsprechender Anwendung des § 86 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII (zu dessen Auslegung s. Urteil vom 30. September 2009 – BVerwG 5 C 18.08 – NVwZ-RR 2010, 237).
Rz. 6
1.3 Soweit die Beschwerde schließlich dahingehend zu verstehen sein sollte, dass der Rechtssache auch in Bezug auf den sich nach § 39 SGB VIII bestimmenden Umfang der Kostenerstattung grundsätzliche Bedeutung zukomme, wird ebenfalls nicht ausdrücklich eine konkrete, über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage bezeichnet. Sollte als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage gemeint sein, derentwegen das Berufungsgericht die Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen hat, fehlt es zudem an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Die Frage, ob ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen eines Anspruchs auf Erstattung seiner Aufwendungen für die Hilfe zur Erziehung in Form der Vollzeitpflege gemäß §§ 27, 33 SGB VIII neben der Erstattung der aufgewandten Pauschalbeiträge nach § 39 Abs. 4 und 5 SGB VIII auch die Erstattung der darüber hinaus für das Pflegekind aufgewandten Kindergartenbeiträge verlangen kann, stellt sich erst, wenn ein Kostenerstattungsanspruch dem Grunde nach bejaht wird. Letzteres hat das Berufungsgericht nicht getan. Vor diesem Hintergrund hätte die Beschwerde, um die Voraussetzungen der Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf den Umfang der Kostenerstattung darzutun, auch die vom Berufungsgericht vorgenommene Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen der für einen Erstattungsanspruch in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen mit rechtsgrundsätzlichen Erwägungen in Frage stellen müssen. Dies ist – wie dargelegt – nicht geschehen.
Rz. 7
Ungeachtet dessen ist die Frage, derentwegen das Berufungsgericht die Berufung zugelassen hat, auch in der Sache nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat den von der Beschwerde nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb für den Senat bindend (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellten Sachverhalt im Berufungsverfahren materiellrechtlich anders als im Berufungszulassungsverfahren beurteilt und dementsprechend einen Erstattungsanspruch dem Grunde nach verneint. Die Revision kann aber nicht im Hinblick auf eine Rechtsfrage, die sich – wie hier – nur stellen könnte, wenn von einem anderen als dem vom Berufungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten Sachverhalt ausgegangen wird, nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen werden (stRspr, vgl. z.B. Beschluss vom 17. März 2000 – BVerwG 8 B 287.99 – BVerwGE 111, 61 m.w.N.). Zudem sind weder das Berufungsgericht (vgl. Beschluss vom 18. März 2003 – BVerwG 4 B 7.03 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr 358) noch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Beschluss vom 21. April 1999 – BVerwG 1 B 26.99 – Buchholz 418.5 Fleischbeschau Nr. 18) allein mit Rücksicht darauf, dass der Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO grundsätzlich dem Revisionszulassungsgrund des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entspricht, verpflichtet, nach Zulassung der Berufung jeweils auch die Revision zuzulassen.
Rz. 8
2. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).
Rz. 9
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskostenfreiheit besteht nach § 188 Satz 2 Halbs. 2 VwGO nicht.
Rz. 10
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 3 GKG.
Unterschriften
Hund, Prof. Dr. Berlit, Stengelhofen
Fundstellen
Haufe-Index 2346399 |
ZfF 2011, 165 |