Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 10.12.2003; Aktenzeichen 5 K 2202/98) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 10. Dezember 2003 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 250 000 € festgesetzt.
Tatbestand
I.
Ein landwirtschaftlicher Betrieb, zu dem die streitgegenständlichen Grundstücke gehörten, stand bis 1938 im Eigentum des Vaters des Klägers. Der Kläger macht geltend, sein Vater habe den Betrieb durch eine schädigende Maßnahme im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG verloren. Das Verwaltungsgericht hat die nach erfolglosem Verwaltungsverfahren erhobene Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei nicht erwiesen, dass der Vater wegen politischer Gründe sein Vermögen verloren habe. Auch greife zu seinen Gunsten nicht die Vermutung ungerechtfertigter Entziehung ein (§ 1 Abs. 6 VermG i.V.m. Art. 3 REAO).
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, vgl. 1.). Das verwaltungsgerichtliche Urteil beruht auch nicht auf einer Abweichung von einer der in der Beschwerde zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO, vgl. 2.). Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, vgl. 3.).
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss daher dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 2. Oktober 1961 – BVerwG 8 B 78.61 – BVerwGE 13, 90 ≪91≫). Daran fehlt es hier.
Die Beschwerde meint sinngemäß, das Bundesverwaltungsgericht habe bisher nicht eindeutig die Voraussetzungen einer politischen Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG geklärt. Es sei insbesondere klärungsbedürftig, ob eine vorläufige Festnahme aus politischen Gründen, die eindreivierteljahr angedauert habe, eine politische Verfolgung sei. Diese Frage ist in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Der Kläger legt ihr einen Sachverhalt zugrunde, den das Verwaltungsgericht nicht gestellt hat. Das Verwaltungsgericht hat weder feststellen können, dass der Vater des Klägers aus politischen Gründen verhaftet worden ist, noch, dass seine Haft eindreivierteljahr angedauert hat. Deshalb kann offen bleiben, ob der Rechtssache auch deshalb die grundsätzliche Bedeutung fehlt, weil die aufgeworfene Frage sich nur nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalles beantworten lässt und das angestrebte Revisionsverfahren daher keinen über den Einzelfall hinausweisenden Ertrag erbringen könnte.
Soweit die Beschwerde behauptet, das verwaltungsgerichtliche Urteil weiche ab von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte wird damit eine Abweichung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht bezeichnet. Wenn man zugunsten der Beschwerde annimmt, sie wolle insoweit die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen, genügt die Beschwerde nicht dem Darlegungsgebot (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Im Übrigen ist nicht erkennbar, wieso die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zur Enteignung von Neubauern hier einschlägig sein könnte.
Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. u.a. Beschluss vom 1. September 1997 – BVerwG 8 B 144.97 – Buchholz 406.11 § 128 BauGB Nr. 50 S. 7 ≪11≫). Die Beschwerde muss also die angeblich widersprüchlichen abstrakten Rechtssätze einander gegenüberstellen. Dies ist nicht der Fall.
In seinem Beschluss vom 5. September 1997 (BVerwG 7 C 17.97 und BVerwG 7 B 146.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 122) grenzt das Bundesverwaltungsgericht Maßnahmen zur politischen Verfolgung von Organisationen von bloßen Gleichschaltungsmaßnahmen ab. In diesem Zusammenhang wird ausgeführt, es sei für die Anwendung des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG erforderlich, dass die Organisation gerade wegen ihrer dem Nationalsozialismus entgegengesetzten Überzeugungen getroffen und damit ausgeschaltet werden sollte. Einen davon abweichenden vom Verwaltungsgericht aufgestellten Rechtssatz benennt die Beschwerde nicht. Dies wäre auch nicht möglich, da der Beschluss vom 5. September 1997 hier ersichtlich nicht einschlägig ist.
Auch eine Abweichung von dem Urteil vom 16. Dezember 1998 – BVerwG 8 C 14.98 – (Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167) wird nicht prozessordnungsgemäß dargelegt. Vielmehr verkennt die Beschwerde zunächst den Inhalt dieses Urteils des Bundesverwaltungsgerichts. Das Urteil befasst sich mit der Frage, wann ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust des Berechtigten gemäß § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 REAO zu vermuten ist. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen davon auszugehen ist, dass ein Bürger, der – wie der Vater des Klägers – nicht zu einem kollektiv verfolgten Personenkreis gehörte, politisch verfolgt im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG ist, äußert sich diese Entscheidung nicht. Auch soweit in dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts darauf hingewiesen wird, dass die Beweiswürdigung des Tatrichters gemäß § 137 Abs. 2 VwGO vom Revisionsgericht auf die Verletzung allgemein verbindlicher Beweiswürdigungsgrundsätze überprüfbar ist, wird keine Divergenz prozessordnungsgemäß bezeichnet. Es wird kein dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts widersprechender vom Verwaltungsgericht aufgestellter Rechtssatz benannt, sondern lediglich die Auffassung vertreten, das Verwaltungsgericht habe allgemeinverbindliche Beweiswürdigungsgrundsätze verletzt.
Schließlich liegt kein geltend gemachter Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor.
a) Das Verwaltungsgericht hat den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 VwGO) nicht verletzt. Es gehört zu der dem Tatsachengericht durch § 108 Abs. 1 VwGO übertragenen Aufgabe, sich im Wege der freien Beweiswürdigung unter Abwägung verschiedener Möglichkeiten seine Überzeugung über den entscheidungserheblichen Sachverhalt zu bilden (vgl. etwa Beschluss vom 14. März 1988 – BVerwG 5 B 7.88 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 199 S. 31 ≪32 f.≫). Revisionsrechtlich sind die Grundsätze der Beweiswürdigung dem sachlichen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen gegen die Beweiswürdigung kann deswegen ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO regelmäßig nicht bezeichnet werden (stRspr; vgl. etwa Beschluss vom 12. Januar 1995 – BVerwG 4 B 197.94 – Buchholz 406.12 § 22 BauNVO Nr. 4 S. 1 ≪4≫). Allenfalls könnte eine Verletzung der Denkgesetze im Rahmen der Tatsachenwürdigung der Vorinstanz als Verfahrensmangel in Betracht gezogen werden (vgl. dazu Urteil vom 19. Januar 1999 – BVerwG 4 C 28.89 – BVerwGE 84, 271 ≪272 f.≫). Ein Tatsachengericht hat aber nicht schon dann gegen die Denkgesetze verstoßen, wenn es nach Meinung der Beschwerdeführer unrichtige oder fern liegende Schlüsse gezogen hat; ebenso wenig genügen objektiv nicht überzeugende oder sogar unwahrscheinliche Schlussfolgerungen; es muss sich vielmehr um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln (stRspr; Urteil vom 20. Oktober 1987 – BVerwG 9 C 147.86 – Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 37 S. 1 ≪4≫).
Daran vermag auch der Hinweis der Beschwerde auf das Urteil vom 16. Dezember 1998 – BVerwG 8 C 14.98 – (a.a.O.) nichts zu ändern. Dort wird ausgeführt, in welchem Umfang nach dem materiellen Recht ein tatrichterliches Urteil vom Revisionsgericht zu überprüfen ist.
Die Beschwerde setzt der tatrichterlichen Beweiswürdigung ihre eigene umfangreiche Würdigung entgegen und spricht in diesem Zusammenhang einige Male von einem Verstoß gegen Denkgesetze. Sie legt aber an keiner Stelle dar, wieso es sich um einen aus Gründen der Logik schlechthin unmöglichen Schluss handeln soll. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht nicht gegen Denkgesetze verstoßen. Trotz umfangreicher – vom Kläger selbst als überobligatorisch bezeichneter – Ermittlungen konnte das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht abschließend aufklären. Deswegen hat es die für und die gegen eine Verfolgung des Vaters des Klägers sprechenden Umstände gegeneinander abgewogen mit dem Ergebnis, dass sich das Gericht nicht positiv von einer politischen Verfolgung überzeugen konnte. Dies ging nach den Regeln der materiellen Beweislast zu Lasten des Klägers. In den Entscheidungsgründen wird dies im Einzelnen nachvollziehbar und frei von Widersprüchen dargestellt. Selbst wenn die Abwägung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können, läge kein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz vor.
Der Vortrag der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe ein wichtiges Beweismittel, nämlich die eidesstattliche Versicherung der Mutter des Klägers völlig übersehen, ist unzutreffend; denn diese wird in dem Urteil ausdrücklich erwähnt (amtlicher Umdruck 57).
b) Auch soweit die Beschwerde behauptet, die gesamte Beweisführung und Rechtsfindung des Verwaltungsgerichts sei mit den Grundsätzen eines fairen Gerichtsverfahrens nicht vereinbar, wird lediglich die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung angegriffen.
c) Aus den genannten Gründen kann schließlich auch keine Rede davon sein, dass das Urteil im Sinne von § 138 Ziff. 6 VwGO nicht mit Gründen versehen ist.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz VwGO).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 und 3 VwGO sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Unterschriften
Kley, Krauß, Neumann
Fundstellen