Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhebung von Kur- und Fremdenverkehrsbeiträgen durch Kommunen auch für ihre durch eine GmbH betriebene Erholingseinrichtungen
Leitsatz (redaktionell)
Gemeinden sind aufgrund Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG im Rahmen der kommunalen Organisations- und Finanzhoheit berechtigt, gesetzlich vorgesehene Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge auch für ihre in privater Rechtsform betriebenen Erholungseinrichtungen zu erheben.
Normenkette
GG Art. 28 Abs. 2; KAG SH § 10
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches OVG (Urteil vom 26.04.2006; Aktenzeichen 2 LB 40/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 26. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 885,30 € festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde der Beklagten hat keinen Erfolg. Die Sache hat nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (vgl. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Die Beschwerde hält die Frage für klärungsbedürftig,
“ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Gemeinden aufgrund Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (hier: kommunale Organisations- und Finanzhoheit) berechtigt sind, gesetzlich vorgesehene Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge auch für ihre in privater Rechtsform betriebenen Erholungseinrichtungen zu erheben”.
Mit dieser Frage knüpft die Beschwerde an die Aussage des Berufungsurteils (UA S. 7 – 9) an, der in § 5 Satz 2 der Fremdenverkehrsabgabensatzung (FAS) der Beklagten festgesetzte Abgabesatz beruhe auf einer fehlerhaften Kalkulation, weil insoweit nur Aufwendungen berücksichtigungsfähig seien, die der Gemeinde im Rahmen der Herstellung, Verwaltung und Unterhaltung ihrer öffentlichen Einrichtungen selbst entstünden. Bediene sich eine Gemeinde zur Erfüllung ihrer Aufgaben einer juristischen Person des Privatrechts, sei deren Aufwand nicht gleichzeitig Aufwand der zur Abgabenerhebung berechtigten Gemeinde, soweit bei dieser insoweit nicht “Fremdleistungskosten” anfielen. Letzteres sei hier nicht der Fall. Das Vertragswerk, das im vorliegenden Fall mit einer GmbH zustande gekommen sei, als diese von der Beklagten mit der öffentlichen Fremdenverkehrswerbung und dem Betrieb der öffentlichen Fremdenverkehrseinrichtungen beauftragt worden sei, habe im Zeitpunkt der Erstellung der Kalkulation keine wirksame Vergütungsvereinbarung enthalten. Diese sei vielmehr erst später mit Rückwirkung geschlossen worden, ohne dass hierbei allerdings eine bestimmte Aufwandhöhe festgelegt worden sei. Eine betragsmäßig nicht bestimmte Verlustabdeckung wäre aber kein berücksichtigungsfähiger Aufwand, wie er mit den Kosten und Aufwendungen nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KAG SH angesprochen werde. Aus der Befugnis der Beklagten, sich etwa nach §§ 101 ff. GO SH zur Erfüllung ihrer Aufgaben der privatrechtlichen Betätigungsformen zu bedienen, könne nicht gefolgert werden, dass die sich bei dieser Betätigung ergebenden betriebswirtschaftlichen Kosten ohne eine ausdrückliche gesetzliche Bestimmung in die Beitragskalkulation einbezogen werden dürften.
Die Vorinstanz hat die von der Beschwerde kritisierte Auffassung somit ausschließlich auf das einschlägige Landesrecht gestützt, dessen Nachprüfung dem Revisionsgericht versagt ist (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO). Ob das Landesrecht, so wie es die Vorinstanz versteht, mit der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG vereinbar ist, wird in dem angefochtenen Urteil nicht erörtert. Um einen Klärungsbedarf bezüglich des revisiblen Rechts aufzuzeigen, genügt es aber nicht, wenn die Beschwerde geltend macht, das Landesrecht sei von der Vorinstanz unter Verstoß gegen Bundesrecht ausgelegt und angewandt worden. Denn nicht jede Frage sachgerechter Auslegung und Anwendung einer bundesrechtlichen Vorschrift enthält gleichzeitig eine erst im Revisionsverfahren zu klärende Fragestellung. Hinzutreten müsste vielmehr, dass die Auslegung der bundesrechtlichen Maßstabsnorm ihrerseits ungeklärte Fragen von fallübergreifender Bedeutung aufwirft (vgl. z.B. Beschlüsse vom 5. November 2001 – BVerwG 9 B 50.01 – Buchholz 401.84 Benutzungsgebühren Nr. 95 ≪insoweit nicht abgedruckt≫ = juris Rn. 5, vom 10. April 2000 – BVerwG 11 B 61.99 – juris Rn. 7 und vom 23. März 1992 – BVerwG 5 B 174.91 – Buchholz 310 § 132 VwGO Nr. 306 S. 42). Dafür gibt das Beschwerdevorbringen nichts her.
Soweit die Beschwerde mit der von ihr als klärungsbedürftig bezeichneten Frage die Gewährleistung der Organisationshoheit sowie der Finanzhoheit der Gemeinden durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG anspricht, fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Danach ist die Organisationshoheit der Gemeinde durch die Vorgaben des Gesetzgebers gebunden und dementsprechend nur eingeschränkt gegenüber denjenigen Bindungen “wehrfähig”, die sich aus dem Kommunalrecht ergeben. Nach den hierfür vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben (vgl. Beschlüsse vom 7. Februar 1991 – 2 BvL 24/84 – BVerfGE 83, 363 ≪382≫, vom 26. Oktober 1994 – 2 BvR 445/91 – BVerfGE 91, 228 ≪236 ff.≫) ist dem Beschwerdevorbringen der Beklagten die Möglichkeit einer Betroffenheit der Organisationshoheit nicht zu entnehmen. Für die kommunale Finanzhoheit (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 7. Mai 2001 – 2 BvK 1/00 – BVerfGE 103, 332 ≪358 ff.≫) gilt dies entsprechend.
Die Beschwerde macht geltend, durch das Berufungsurteil werde das Abgabenerhebungsrecht von dem Recht der Gemeinden zur freien Formenwahl bei der Aufgabenwahrnehmung abgetrennt und die Wahl einer bestimmten Rechtsform mit einschneidenden wirtschaftlichen Nachteilen verknüpft. Sie muss allerdings einräumen, dass im Berufungsurteil ausdrücklich auf die Möglichkeit einer Vertragsgestaltung verwiesen wird, die dazu führt, dass bei der Gemeinde “Fremdleistungskosten” anfallen, die im Rahmen der Beitragskalkulation berücksichtigungsfähig sind. Es ist nicht nachvollziehbar, warum es einer Gemeinde mit Blick auf die ihr garantierte Organisations- und Finanzhoheit nicht möglich oder nicht zumutbar sein soll, die vertraglichen Beziehungen, in die sie zu einem von ihr mit der Erfüllung öffentlicher Aufgaben beauftragten Unternehmen eintritt, so auszugestalten, dass dem Unternehmen für seine Tätigkeit eine Vergütung zugesagt wird, die dann in die Kalkulation als beitragsfähige Aufwendung der Gemeinde eingeht. Wirtschaftliche Nachteile treten für die Klägerin nur dann ein, wenn sie auf den Abschluss einer derartigen Vereinbarung und damit auf die Erfüllung derjenigen Anforderungen verzichtet, die das kommunale Abgabenrecht – so wie es von der Vorinstanz ausgelegt und angewandt wird – an die Erhebung von Fremdenverkehrsabgaben stellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3, § 72 Nr. 1 GKG n.F.
Unterschriften
Dr. h.c. Hien, Vallendar, Prof. Dr. Rubel
Fundstellen
BFH/NV Beilage 2007, 321 |
BFH/NV-Beilage 2007, 321 |