Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen OVG 1 B 16.13) |
VG Berlin (Urteil vom 17.05.2013; Aktenzeichen 4 K 271.10) |
Gründe
Rz. 1
Die auf Verfahrensmängel und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt auch bei Berücksichtigung des die rechtzeitig erhobenen Rügen vertiefenden Vorbringens der Beschwerde mit den nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Schriftsätzen ohne Erfolg.
Rz. 2
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war der Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) - der Beklagten - zugeordnet. Sie wurde am 6. Juni 2007 auf die Klägerin verschmolzen, die der E. GmbH (EdB) zugeordnet ist. Mit Schreiben vom 3. April 2007 hatte die EdW die Rechtsvorgängerin der Klägerin darauf hingewiesen, dass der Jahresabschluss für das letzte Geschäftsjahr mit dem dazugehörigen Prüfungsbericht bis spätestens zum 1. Juli 2007 einzureichen sei, wenn sie den Abzug nicht beitragsrelevanter Bruttoprovisionserträge nach § 2 Abs. 2 Verordnung über die Beiträge zu der Entschädigungseinrichtung des Wertpapierhandels (EdW-Beitragsverordnung - EdWBeitrV 2003) i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. August 1999 (BGBl. I S. 1891), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 5. Dezember 2016 (BGBl. I S. 2821) in Anspruch nehmen wolle. Mit Schreiben vom 20. Juli 2007 teilte die Klägerin ihre Rechtsauffassung mit, dass sie als der EdB zugeordnetes Einlagenkreditinstitut keine Beitragspflicht gegenüber der EdW treffe. Sie beantragte unter anderem vorsorglich, die Bruttoprovisionserträge ihrer Rechtsvorgängerin nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV bei der Ermittlung des Jahresbeitrags 2007 zu 90 % unberücksichtigt zu lassen und ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die am 1. Juli 2007 abgelaufene Frist für den Nachweis der nicht beitragsrelevanten Bruttoprovisionserträge zu gewähren. Die beklagte EdW lehnte den Wiedereinsetzungsantrag mit Schreiben vom 13. August 2007 ab und setzte den Jahresbeitrag für 2007 ohne Berücksichtigung von Abzugsbeträgen nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV fest, was vom Verwaltungsgericht und vom Oberverwaltungsgericht bestätigt wurde.
Rz. 3
1. Die Revision ist nicht wegen Verfahrensmängeln zuzulassen. Dem Beschwerdevorbringen können keine Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör entnommen werden.
Rz. 4
a) Die Beschwerde meint, das Oberverwaltungsgericht habe mit der Feststellung, die Klägerin habe hinsichtlich der versäumten Frist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EdWBeitrV 2003 keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht, sondern nur auf den Umstand der Verschmelzung verwiesen, wesentliches Vorbringen übergangen. Dem kann nicht gefolgt werden. Die von der Beschwerde bezeichneten Ausführungen im Klageschriftsatz vom 14. Mai 2010 (Rn. 13, 26) und in der Berufungsbegründung (Rn. 14, 78) betreffen nicht die Frage, ob Gründe für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 EdWBeitrV vorliegen. Es ist auch weder hinreichend dargetan noch sonst erkennbar, dass die Klägerin im Berufungsverfahren unter Bezugnahme auf ihr Schreiben vom 20. Juli 2007 an die Beklagte Wiedereinsetzungsgründe geltend gemacht hat. Davon abgesehen zeigt die Beschwerde auch nicht auf, dass sich aus dem Schreiben vom 20. Juli 2007 Wiedereinsetzungsgründe ergeben könnten. So wird unter anderem nicht angegeben, auf welcher Grundlage die Klägerin hätte annehmen dürfen, dass ihre Rechtsvorgängerin den Nachweis über die Höhe der nicht beitragsrelevanten Erträge rechtzeitig bis zum 1. Juli 2007 erbracht hat. Die von der Beschwerde in Bezug genommenen weiteren Ausführungen im Schreiben vom 20. Juli 2007 betreffen die Rechtsauffassung der Klägerin, wonach das Nachweiserfordernis nicht für sie selbst, sondern nur für ihre Rechtsvorgängerin als höchstpersönliche Obliegenheit gelte. Es wird nicht dargelegt, dass und gegebenenfalls weshalb es für die Klägerin unzumutbar war, sich im Zusammenhang mit der Übernahme eines Kreditinstituts, das einer anderen Entschädigungseinrichtung als sie selbst angehörte, rechtzeitig über die sich daraus ergebenden Pflichten und Obliegenheiten zu informieren. Die von der Beschwerde hervorgehobene fehlende Vertrautheit der Klägerin mit dem Bemessungs- und Erhebungsverfahren der Beklagten hätte dazu erst recht Anlass geben müssen.
Rz. 5
b) Die Beschwerde meint ferner, das Oberverwaltungsgericht habe als allgemeinkundige Tatsache außer Acht gelassen, dass die Klägerin als Inhaberin einer Bankerlaubnis kein Organisationsverschulden treffen könne. Diese Rüge verfehlt den Schutzbereich des Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil nicht geltend gemacht wird, dass die Klägerin diesen Umstand im Berufungsverfahren vorgebracht hat. Im Übrigen geht es im vorliegenden Fall nicht um die Abwicklung von Bankgeschäften, die Gegenstand der Bankerlaubnis sind, sondern um die Verschmelzung mit einem anderen Kreditinstitut. Die der Klägerin erteilte Bankerlaubnis ist daher von vornherein nicht geeignet, ein Organisationsverschulden im Zusammenhang mit der Verschmelzung auszuschließen.
Rz. 6
c) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe das Urteil überraschend darauf gestützt, dass keine Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand glaubhaft gemacht worden seien. Die anwaltlich vertretene Klägerin hätte schon deshalb mit der Erheblichkeit dieses Aspekts rechnen müssen, weil die Beklagte den Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin mit Schreiben vom 13. August 2007 ablehnte und auch ihr Widerspruch gegen den Beitragsbescheid unter anderem wegen fehlender Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen wurde (Widerspruchsbescheid vom 12. April 2010 S. 20). Unabhängig davon legt die Beschwerde auch nicht hinreichend dar, was die Klägerin bei einem Hinweis auf die Entscheidungsrelevanz der Frage der Wiedereinsetzung ergänzend vorgetragen hätte (vgl. Beschwerdebegründungsschriftsatz vom 8. Dezember 2015 Rn. 145).
Rz. 7
d) Als Verfahrensmangel rügt die Beschwerde schließlich, das Oberverwaltungsgericht habe das Vorbringen der Klägerin zu einer treuwidrigen Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 außer Acht gelassen. Das trifft nicht zu. Das Gericht muss sich in den Entscheidungsgründen nicht mit jedem Vorbringen eines Beteiligten ausdrücklich befassen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nur dann vor, wenn es an einer Auseinandersetzung mit dem wesentlichen und entscheidungserheblichen Kern des Vorbringens eines Beteiligten fehlt (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 ≪146≫). Soweit die Beschwerde eine Auseinandersetzung mit der nach ihrem Vorbringen in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht in den Raum gestellten Annahme der Klägerin vermisst, durch die Überschreitung der Frist nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 um wenige Tage würden die Geschäftsabläufe der Beklagten nicht beeinträchtigt, fehlt es bereits an der Entscheidungserheblichkeit des Vorbringens. Das Oberverwaltungsgericht hat eine Treuwidrigkeit nur in atypischen Fällen für möglich gehalten. Allein der Umstand, dass die Frist nur geringfügig überschritten wurde, vermag keine Atypik zu begründen. Das gilt auch, soweit die Klägerin im vorinstanzlichen Verfahren vorgetragen haben sollte, dass sich die Beklagte lediglich aus zweckfremden Erwägungen heraus, nämlich zur Erhöhung des Beitragsaufkommens, auf die Fristüberschreitung berufen habe. Davon abgesehen liegt dieser Rüge die falsche Annahme zugrunde, das Oberverwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass es im Ermessen der Beklagten gelegen habe, sich auf eine Versäumung der Ausschlussfrist nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 zu berufen.
Rz. 8
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rz. 9
a) Die Frage:
Kann die Pflicht zur Zahlung einer Sonderabgabe im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf einen selbst nicht sonderabgabepflichtigen Rechtsnachfolger übergehen?,
ist nicht klärungsbedürftig. Sie kann auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung bejaht werden. Danach geht eine in der Person des Rechtsvorgängers entstandene sachbezogene - also nicht höchstpersönliche - öffentlich-rechtliche Pflicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Rechtsnachfolger über. Der Eintritt des Rechtsnachfolgers in die öffentlich-rechtliche Pflicht setzt nicht voraus, dass diese gegenüber dem Rechtsvorgänger bereits durch Verwaltungsakt konkretisiert worden war. Es genügt, wenn die Pflicht im Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge hinreichend bestimmt war (BVerwG, Urteile vom 18. September 1981 - 8 C 72.80 - BVerwGE 64, 105 ≪110 f.≫ und vom 16. März 2006 - 7 C 3.05 - BVerwGE 125, 325 Rn. 19, 22 ff. m.w.N.).
Rz. 10
Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass der vorliegende Rechtsstreit deshalb Gelegenheit zur Fortentwicklung dieser Rechtsprechung geben könnte, weil der Übergang der Pflicht zur Zahlung einer Sonderabgabe in Rede steht. Es liegt auf der Hand, dass die Zahlung einer Sonderabgabe eine vertretbare Handlung darstellt und daher die Verpflichtung hierzu nicht höchstpersönlicher Natur sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 2006 - 7 C 3.05 - BVerwGE 125, 325 Rn. 27). Die fehlende Finanzierungsverantwortung des Rechtsnachfolgers vermag die Rechtsnachfolgefähigkeit von Sonderabgaben nicht grundsätzlich in Frage zu stellen. Bei der Gesamtrechtsnachfolge geht es um den Übergang einer in der Person des Rechtsvorgängers aufgrund dessen Finanzierungsverantwortung bereits entstandenen Sonderabgabepflicht und nicht um die Begründung weiterer Zahlungspflichten in der Person des Rechtsnachfolgers. Diesen muss daher auch selbst keine Finanzierungsverantwortung treffen. Eine andere Frage ist, ob die bereits entstandene Sonderabgabepflicht den mit der Gesamtrechtsnachfolge eintretenden Wegfall der Finanzierungsverantwortung hinreichend berücksichtigt. Das ist aber keine Frage der Rechtsnachfolgefähigkeit von Sonderabgaben überhaupt, sondern nach der zutreffenden Höhe der übergegangenen Abgabepflicht. Im Übrigen hat der Verordnungsgeber diesen Umstand in § 1 Abs. 2 Satz 2 EdWBeitrV 2003 berücksichtigt. Danach vermindert sich hier der Jahresbeitrag aufgrund des Ausscheidens der Rechtsvorgängerin aus der Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen (EdW) infolge der Verschmelzung am 6. Juni 2007 um 50 %. Schließlich ist nicht erkennbar, dass die Bestimmbarkeit der Sonderabgabepflicht zum Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge in einem Revisionsverfahren zu klärende Fragen aufwerfen könnte. Nach § 1 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 war die Beitragspflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin für das Jahr 2007 am 1. Januar 2007 entstanden, und zwar gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 erster Halbsatz EdWBeitrV 2003 in Höhe von 0,35 % der Bruttoprovisionserträge nach dem letzten vor dem 1. Juli festgestellten Jahresabschluss.
Rz. 11
b) Hinsichtlich der Frage:
Kann die "Pflicht" zur Erbringung des nach § 2 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 EdWBeitrV 2003 erforderlichen Nachweises über die Höhe der nicht beitragsrelevanten Bruttoprovisionserträge bis spätestens 1. Juli auf nicht der Entschädigungseinrichtung für Wertpapierhandelsunternehmen zugeordnete Rechtsnachfolger übergehen?,
ist ebenfalls kein Klärungsbedarf erkennbar. Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, dass es sich bei dieser Frist nicht um ein höchstpersönliches und daher nicht übergangsfähiges "Beuge/Druckmittel" handele, sondern es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - BVerwGE 151, 200 Rn. 21) darum gehe, der Entschädigungseinrichtung möglichst frühzeitig und verlässlich hinreichende Klarheit über die Beitragsbemessungsgrundlage und damit über das zu erwartende Beitragsaufkommen zu verschaffen. Es leuchtet ohne Weiteres ein, dass die Erfüllung dieses Ziels nicht davon abhängt, welche Person die erforderlichen Nachweise vorlegt. Das wird auch von der Beschwerde nicht substantiiert in Abrede gestellt. Diese rügt vielmehr, dass es gegenüber einer nicht der EdW zugeordneten Rechtsnachfolgerin an einer Rechtsgrundlage für die Annahme einer fristgebundenen "Handlungspflicht" fehle. Insoweit übersieht die Beschwerde jedoch, dass es nicht um die Erfüllung einer "Pflicht" zur Vorlage der erforderlichen Nachweise geht, die sie in der Zeit zwischen der Verschmelzung am 6. Juni 2007 bis zum 1. Juli 2007 hätte erfüllen müssen. Vielmehr stehen die Abzugsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 EdWBeitrV 2003 unter der Bedingung, dass die Nachweise über die Höhe der nicht beitragsrelevanten Bruttoprovisionserträge gegenüber der Entschädigungseinrichtung spätestens bis zum 1. Juli erbracht werden (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - BVerwGE 151, 200 Rn. 21). Die mit der Verschmelzung auf die Klägerin übergegangene, am 1. Januar 2007 bei deren Rechtsvorgängerin entstandene Beitragspflicht für das Jahr 2007 war daher von Anfang an unlösbar mit dieser Obliegenheit behaftet.
Rz. 12
c) Die Frage,
ob die Frist des § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 eine Ausschlussfrist ist und ob diese verfassungsgemäß oder wegen Verstoßes gegen Art. 3, Art. 12 oder Art. 14 GG nichtig ist,
ist nicht klärungsbedürftig. Dabei kann dahinstehen, ob es schon deshalb an einem Klärungsbedarf fehlt, weil sich die aufgeworfene Frage bei den Nachfolgebestimmungen nicht mehr in gleicher Weise stellt und auch nicht mehr für einen unübersehbaren Personenkreis von Bedeutung sein kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20. Dezember 1995 - 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9). Jedenfalls ist die aufgeworfene Frage durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - BVerwGE 151, 200 bereits geklärt. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass, diese Rechtsprechung in einem Revisionsverfahren einer grundsätzlichen Prüfung zu unterziehen oder aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits fortzuentwickeln.
Rz. 13
Die Beschwerde weist darauf hin, dass infolge der Ausschlusswirkung die Provisionserträge der Wertpapierhandelsunternehmen, die - wie die Klägerin - keine Geschäfte tätigen, die zu einem Entschädigungsanspruch gegen die EdW führen können, nicht gemäß § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 in Höhe von nur 10 %, sondern in vollem Umfang in die Beitragsbemessung eingehen. Das Bundesverwaltungsgericht habe im Urteil vom 22. Januar 2015 nicht die Frage erörtert, ob eine solche Belastung mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Erhebung einer Sonderabgabe unvereinbar sei, weil sie die Finanzierungsverantwortung dieser Institute, die selbst keinen Entschädigungsfall auslösen könnten, übersteige. Dieses Vorbringen vermag eine Zulassung der Revision nicht zu rechtfertigen. Die Beschwerde übersieht, dass die Ausschlussfrist nicht, wie die in § 2 Abs. 2 Satz 1 EdWBeitrV genannten Abzugsmöglichkeiten, die Finanzierungsverantwortung der Institute ausgestaltet. Sie regelt nicht die Bemessung des Jahresbeitrags, sondern stellt die Abzugsmöglichkeiten unter die Bedingung fristgerechter Nachweise mit dem eigenständigen Ziel zu gewährleisten, dass die Entschädigungseinrichtung möglichst frühzeitig und verlässlich Klarheit über das zu erwartende Beitragsaufkommen erhält (BVerwG, Urteil vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - BVerwGE 151, 200 Rn. 21, 32, 38). Dadurch wird eine etwaige eingeschränkte Finanzierungsverantwortung der Institute, die keinen Entschädigungsfall auslösen können, nicht in Frage gestellt. Es ist deren Sache, die Nachweise rechtzeitig vorzulegen, um die Abzugsmöglichkeiten ausschöpfen zu können. Die Beschwerde kann auch nicht geltend machen, dass die Ausschlusswirkung selbst bei unverschuldeter Fristversäumnis greife. Denn das Oberverwaltungsgericht hat - ebenso wie das Bundesverwaltungsgericht in der oben genannten Entscheidung (Urteil vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - Buchholz 451.622 EAEG Nr. 2 Rn. 45, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 151, 200) - das angegriffene Urteil auch darauf gestützt, dass eine Wiedereinsetzung in die versäumte Ausschlussfrist in Betracht kommt (UA S. 14). Unabhängig davon steht die Finanzierungsverantwortung der Institute nicht in einem strikt proportionalen Verhältnis zu dem Mittelbedarf, den sie für die Entschädigungseinrichtung auslösen können. Maßgeblich für die Finanzierungsverantwortung ist der Vorteil der marktstabilisierenden Stärkung des Kundenvertrauens, den die Entschädigungseinrichtung für die Gesamtgruppe der Wertpapierhandelsunternehmen und damit auch für solche Institute bewirkt, die selbst keinen Entschädigungsfall auslösen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 2009 - 2 BvR 1387/04 - BVerfGE 124, 348 ≪380≫).
Rz. 14
Die Beschwerde zeigt auch mit Blick auf das Willkürverbot keine neuen Gesichtspunkte auf, die zu einer Änderung der Rechtsprechung führen könnten. Sie meint, es mache keinen Unterschied, ob ein Institut den Jahresabschluss beziehungsweise die Einnahmeüberschussrechnung nicht fristgerecht einreiche oder die Nachweise über die Höhe der nicht beitragsrelevanten Bruttoprovisionserträge. In beiden Fällen könne der Jahresbeitrag nicht bemessen werden. Daher sei es willkürlich, das "weichere" Fristen- und Sanktionssystem des § 2 Abs. 5 EdWBeitrV 2003 auf die nicht fristgerechte Vorlage von Jahresbeitrag und Einnahmeüberschussrechnung zu begrenzen und für die nicht fristgerechte Einreichung der Nachweise zu den Abzugsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 eine materielle Ausschlussfrist vorzusehen. Es trifft schon nicht zu, dass der Jahresbeitrag im zuletzt genannten Fall nicht bemessen werden kann. Liegen der Jahresabschluss oder die Einnahmeüberschussrechnung vor, so kann der Jahresbeitrag nach den Vorgaben des § 2 Abs. 1 EdWBeitrV ermittelt und festgesetzt werden. Allerdings ist dies nicht möglich, wenn diese Unterlagen fehlen. Daher macht hinsichtlich der Vorlage von Jahresabschluss oder Einnahmeüberschussrechnung, die im Interesse der Entschädigungseinrichtung liegt, auch eine Sanktionierung der Fristversäumnis durch eine Ausschlussfrist keinen Sinn. Vielmehr liegt ein gestuftes Sanktionssystem bis hin zur Schätzung des Jahresbeitrags, wie in § 2 Abs. 5 EdWBeitrV 2003 vorgesehen, nahe, um bei fehlender Mitwirkung des Instituts überhaupt einen Jahresbeitrag festsetzen zu können. Demgegenüber kann der Jahresbeitrag bei nicht fristgerechter Einreichung der im Interesse des Wertpapierhandelsinstituts liegenden Nachweise über die Höhe der nicht beitragsrelevanten Erträge ohne Weiteres festgesetzt werden, allerdings ohne Ansatz von Abzugsmöglichkeiten nach § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003. Dies rechtfertigt eine unterschiedliche Sanktionierung der Fristversäumnis.
Rz. 15
Die Beschwerdebegründung lässt nicht erkennen, dass es angezeigt sein könnte, die Verhältnismäßigkeit der Ausschlussfrist nochmals zu überprüfen. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 22. Januar 2015 dazu ausgeführt, dass sich die Höhe der nicht beitragsrelevanten Provisionen nicht bereits aus dem Jahresabschluss oder der Einnahmeüberschussrechnung ergibt, sondern von den Instituten gesondert geltend gemacht und nachgewiesen werden muss - 10 C 12.14 - (BVerwGE 151, 200 Rn. 32, 43). Diese Umstände lägen in der Kenntnissphäre der Institute und es stehe in deren Interesse, dass sie bei der Beitragsbemessung berücksichtigt würden (Rn. 37). Die Ausschlussfrist bezwecke, der Entschädigungseinrichtung rechtzeitig Klarheit über das gesamte Beitragsaufkommen des Jahres zu verschaffen, um Kalkulationssicherheit für das kommende Geschäfts- oder Entschädigungsjahr zu erlangen und eine dem Gesichtspunkt der solidarischen Finanzierung gerecht werdende gleichmäßige und gleichzeitige Beitragserhebung zu gewährleisten (Rn. 38). Damit sei die Ausschlussfrist verhältnismäßig, zumal für Finanzdienstleistungsinstitute die Beachtung derartiger Verfahrensregelungen zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehöre (Rn. 40). Das Beschwerdevorbringen vermag diese Erwägungen nicht zu erschüttern. Insbesondere überzeugt es nicht, wenn darauf verwiesen wird, dass mit dem Fristen- und Sanktionssystem des § 2 Abs. 5 EdWBeitrV ein gleich geeignetes, milderes Mittel zur Verfügung stehe. Dieses gestufte und zeitlich gestreckte Sanktionssystem ist, wie bereits ausgeführt, dem Umstand geschuldet, dass der Jahresbeitrag überhaupt nicht festgesetzt werden kann, wenn das Institut keinen Jahresabschluss oder keine Einnahmeüberschussrechnung einreicht. Insoweit ist bei fehlender Mitwirkung des Instituts eine zeitliche Verzögerung der Beitragsermittlung nicht zu vermeiden, will man nicht sogleich mit Schätzungen arbeiten. Das stellt die Erforderlichkeit der Ausschlussfrist für den genannten Zweck nicht in Frage, weil insoweit die Ermittlung des Beitrags letztlich nicht von der Mitwirkung des Instituts abhängt.
Rz. 16
Der Einwand, das Bundesverwaltungsgericht habe mit Blick auf die Frage der Vereinbarkeit der Ausschlussfrist mit § 8 Abs. 3 Satz 1 EAEG übersehen, dass nur die Regelung des § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 vermeidet, dass auch nicht gesicherte Geschäfte in die Beitragsberechnung einfließen, trifft nicht zu (vgl. Urteil vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - BVerwGE 151, 200 Rn. 32). Die von der Beschwerde zum Beleg für die Richtigkeit strengerer Anforderungen an die Rechtfertigung einer Ausschlussfrist angeführte obergerichtliche Rechtsprechung betrifft, soweit ersichtlich, nicht den hier vorliegenden Fall der solidarischen Finanzierung einer im gemeinschaftlichen Interesse liegenden Ausfallhaftung.
Rz. 17
d) Keiner Klärung bedarf auch die Frage,
ob die Frist des § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 auch im Falle des Erlöschens eines der EdW zugeordneten Instituts gilt, oder ob dies gegen den verfassungsrechtlich verankerten Anspruch auf ein faires Verfahren und auf die Gewährung rechtlichen Gehörs verstößt und der Lauf der Frist analog den Vorschriften der §§ 239 Abs. 1, 249 Abs. 1 ZPO unterbrochen wird.
Das Oberverwaltungsgericht hat offen gelassen, ob im Falle des Untergangs einer juristischen Person durch Verschmelzung in analoger Anwendung der §§ 239 Abs. 1, 249 Abs. 1 ZPO der Ablauf verwaltungsverfahrensrechtlicher Fristen unterbrochen wird. Denn bei § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 handele es sich um eine materiell-rechtliche Frist, auf die die genannten Vorschriften weder unmittelbar noch analog anwendbar seien. Die Beschwerde stellt nicht in Abrede, dass die §§ 239 Abs. 1, 249 Abs. 1 ZPO auf materiell-rechtliche Fristen keine Anwendung finden. Sie meint jedoch, die in § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 normierte Ausschlussfrist beziehe sich auf die Vornahme einer Verfahrenshandlung und sei deshalb verfahrensrechtlicher Natur.
Rz. 18
Dem kann nicht gefolgt werden. Verfahrensrechtliche Fristen haben keine Auswirkung auf den Bestand der materiell-rechtlichen Position, sondern betreffen nur den Ablauf des Verwaltungsverfahrens selbst. Demgegenüber sind materiell-rechtliche Ausschlussfristen gesetzlich normierte Fristen, deren Nichteinhaltung den endgültigen Verlust einer materiell-rechtlichen Position zur Folge hat. Sie sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich und stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1993 - 6 C 10.92 - Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 111). Der Senat hat bereits mit Urteil vom 22. Januar 2015 - 10 C 12.14 - (BVerwGE 151, 200 Rn. 16) geklärt, dass es sich bei der Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 EdWBeitrV 2003 um eine solche materiell-rechtliche Ausschlussfrist handelt. Die Beschwerde legt nicht dar, weshalb es der Anspruch auf ein faires Verfahren und auf Gewährung rechtlichen Gehörs gleichwohl gebieten sollten, im Falle einer Verschmelzung den Lauf dieser Ausschlussfrist zu unterbrechen. Es ist im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass es bei der Übernahme eines einer anderen Entschädigungseinrichtung angehörenden Kreditinstituts im Wege der Verschmelzung dem Rechtsnachfolger regelmäßig nicht möglich oder nicht zumutbar ist, sich rechtzeitig über die sich daraus ergebenden Pflichten und Obliegenheiten zu informieren.
Rz. 19
e) Die Beschwerde kann schließlich auch nicht mit der Frage durchdringen,
ob die Ausschlussfrist des § 2 Abs. 2 EdWBeitrV 2003 mit Rücksicht auf den Anspruch auf ein faires Verfahren und die Gewährung rechtlichen Gehörs dann nicht zur Anwendung gebracht werden darf, wenn die EdW bei der Übernahme eines ihr zugeordneten Instituts im Wege der Gesamtrechtsnachfolge den ihr nicht zugeordneten Rechtsnachfolger nicht auf die Existenz und den bevorstehenden Ablauf der Ausschlussfrist hinweist.
Die Bezugnahme auf den allein das gerichtliche Verfahren betreffenden Anspruch auf rechtliches Gehör geht fehl. Die Frage rechtfertigt im Übrigen die Durchführung eines Revisionsverfahrens schon deshalb nicht, weil sie auf einen konkreten Einzelfall bezogen ist. Davon abgesehen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, unter welchen (engen) Voraussetzungen ausnahmsweise Nachsicht bei Versäumung einer materiellen Ausschlussfrist gewährt werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2013 - 8 C 25.12 - Buchholz 451.178 EEG Nr. 2 Rn. 29 zur Nachsichtgewährung bei Versäumung der für den Antrag auf Begrenzung der EEG-Umlage geltenden materiellen Ausschlussfrist). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass das vorliegende Verfahren Gelegenheit für eine Fortentwicklung dieser Rechtsprechung geben könnte. Überdies ist die Annahme der Beschwerde, die Beklagte habe gegen § 25 VwVfG verstoßen, weil sie die Klägerin nicht rechtzeitig auf das Erfordernis der Vorlage von Nachweisen über die Höhe der nicht beitragsrelevanten Bruttoprovisionserträge bis spätestens 1. Juli hingewiesen habe, obwohl sich ihr der Eindruck habe aufdrängen müssen, dass dies versehentlich oder aus Unkenntnis unterbleiben werde, nicht durch entsprechende tatsächliche Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts gedeckt. Gegen ein solches behördliches Fehlverhalten spricht zudem, dass die Fristversäumung nach der nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffenen Feststellung des Oberverwaltungsgerichts auf einem Verschulden der Klägerin selbst beruht. Wie bereits ausgeführt, wäre es Sache der Klägerin gewesen, sich rechtzeitig über die Pflichten und Obliegenheiten zu informieren, die sich aus der Zugehörigkeit des zu übernehmenden Kreditinstituts zu einer anderen Entschädigungseinrichtung ergeben.
Rz. 20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 i.V.m. § 52 Abs. 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10158572 |