Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 30.06.2021; Aktenzeichen 6 K 1569/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 30. Juni 2021 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 209 629,67 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Klägerin begehrt die Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung eines ehemaligen Betriebsgrundstücks. Der Beklagte lehnte mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. September 2012 den Antrag der Klägerin auf Rückübertragung des ehemaligen Unternehmens der Firma C. in R. einschließlich ihres früheren Betriebsgrundstücks Bahnhofstraße 28 in R. ab, stellte die Berechtigung der von der Klägerin gehaltenen G. i.L. hinsichtlich des Verlusts ihres früheren Unternehmens fest und erkannte ihr unter anderem einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses aus der Veräußerung des Flurstücks 19/2 der Gemarkung R. 1995 dem Grunde nach zu. Mit Bescheid vom 5. Juni 2018 setzte er die Höhe des auszukehrenden Erlöses wegen dem Flurstück zurechenbarer Verbindlichkeiten des Verfügungsberechtigten auf Null fest. Das Verwaltungsgericht hat die Klage hiergegen abgewiesen. Die Revision gegen sein Urteil hat es nicht zugelassen.
Rz. 2
Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde dagegen hat keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Rz. 4
Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung setzt voraus, dass die Rechtssache eine Frage des revisiblen Rechts aufwirft, die der - gegebenenfalls erneuten oder weitergehenden - höchstrichterlichen Klärung bedarf, sofern diese Klärung in dem angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten steht und dies zu einer Fortentwicklung der Rechtsprechung über den Einzelfall hinaus führen wird. Der Rechtsmittelführer hat darzulegen, dass diese Voraussetzungen vorliegen (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO). Dem wird die Beschwerde nicht gerecht.
Rz. 5
a) Die von der Klägerin aufgeworfene Frage,
ob bei der durch die Behörde nach § 6 Abs. 6a Satz 3 VermG vorzunehmenden Festsetzung der Höhe des von dem Verfügungsberechtigten auszukehrenden Erlöses Gläubigervorrangverbindlichkeiten als rechnerische Abzugsposten berücksichtigt werden können, wenn die Höhe der gemäß § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG Zug-um-Zug zu zahlenden Gläubigervorrangverbindlichkeiten nicht durch Bescheid festgesetzt worden ist,
wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie geht von tatsächlichen Voraussetzungen aus, die das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat. Vielmehr nimmt es in seinem Urteil an, dass die nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG zu berücksichtigenden Gläubigervorrangverbindlichkeiten mit dem angefochtenen Bescheid verbindlich beziffert worden sind. Eine förmliche Festsetzung im Tenor erübrigte sich nach der das Urteil tragenden Rechtsauffassung, weil der Ausgleichsbetrag den Betrag des Veräußerungserlöses überstieg.
Rz. 6
b) Auch der - dies in Rechnung stellenden - weiteren von der Klägerin formulierten Frage,
ob es zur Wahrung des notwendigen Entscheidungsverbundes zwischen der Entscheidung über die Erlösauskehr einerseits und der Festsetzung des Ausgleichsbetrages für Gläubigervorrangverbindlichkeiten ausreicht, wenn die Festsetzung des Ausgleichsbetrages für Gläubigervorrangverbindlichkeiten erst (nach bestandskräftiger Feststellung des Anspruches auf Erlösauskehr) im Rahmen der Festsetzung der Höhe des vom Verfügungsberechtigten auszukehrenden Erlösbetrages erfolgt,
kommt nach den Darlegungen der Beschwerde keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung zu. Sie lässt sich auf der Grundlage der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres bejahen. Danach ist gemäß § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG sowohl die Rückgabe eines Vermögensgegenstandes als auch eine Erlösauskehr von der Zahlung des festgesetzten Betrages zum Ausgleich von Verbindlichkeiten im Sinne dieser Vorschrift abhängig zu machen. Der erforderliche Entscheidungsverbund zwischen der Rückübertragung oder Erlösauskehr und der Festsetzung des Ausgleichsbetrages soll verhindern, dass das Eigentum am Vermögensgegenstand mit der Bestandskraft der Rückübertragung nach § 34 Abs. 1 Satz 1 VermG oder mit der Auskehr des Erlöses ohne jede Sicherung von Vorrangverbindlichkeiten auf den Berechtigten übergeht (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. April 2015 - 8 C 14.14 - BVerwGE 152, 26 Rn. 51). Er kann auch durch eine nachträgliche Ergänzung des Rückübertragungs- oder Erlösauskehrbescheides um eine Entscheidung über die Festsetzung des Ausgleichsbetrages hergestellt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 21. August 2003 - 7 C 25.02 - Buchholz 428 § 3c VermG Nr. 1 S. 6 f., vom 28. Januar 2015 - 8 C 5.13 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 78 Rn. 17 und vom 15. April 2015 - 8 C 14.14 - BVerwGE 152, 26 Rn. 51). Danach kann die Festsetzung des Ausgleichsbetrages auch in einem ergänzenden Bescheid erfolgen, der die Höhe eines dem Grunde nach bereits bestandskräftig zuerkannten Anspruchs auf Auskehr des Veräußerungserlöses festsetzt.
Rz. 7
c) Auch die weitere von der Klägerin für grundsätzlich bedeutsam erachtete Rechtsfrage,
ob eine bilanzierte Verbindlichkeit gegenüber dem Alleingesellschafter eines Treuhandunternehmens eine Verbindlichkeit ist, für die ein Ausgleichsbetrag nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG zu zahlen ist,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision, weil sie ebenfalls ohne Weiteres auf Grundlage des Gesetzeswortlauts und der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu beantworten ist. § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG macht die Rückgabe eines Vermögensgegenstandes oder die Auskehr des Erlöses aus dessen Veräußerung von der Zahlung eines Betrages in Höhe der dem Vermögensgegenstand direkt zurechenbaren Verbindlichkeiten des Verfügungsberechtigten, zu dessen Vermögen der Vermögensgegenstand ab 1. Juli 1990 gehört oder gehört hat, sowie eines Teiles der übrigen Verbindlichkeiten dieses Verfügungsberechtigten abhängig. Die Ausgleichspflicht sichert die Erfüllung von Forderungen der Gläubiger eines Verfügungsberechtigten, bevor der Vermögensgegenstand zurückgegeben oder der Verkaufserlös ausgekehrt und damit die Haftungsmasse des Schuldners geschmälert wird. Lediglich der Umfang der Haftung des Restitutionsberechtigten wird durch § 6 Abs. 6a Satz 2 Halbs. 5 VermG insoweit auf die Ansprüche der privaten Unternehmensgläubiger begrenzt, als die zum gesetzlichen Stichtag am 29. März 1991 unmittelbar oder mittelbar einer juristischen Person des öffentlichen Rechts zustehenden Verbindlichkeiten außer Betracht bleiben (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27. April 2006 - 7 C 12.05 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 67 Rn. 14 ff.; Beschluss vom 20. August 2010 - 8 B 1.10 - Buchholz 428 § 6 VermG Nr. 74 Rn. 3). Weder der Gesetzeswortlaut noch der Zweck der Regelung, die Haftungsmasse des Schuldners zu erhalten, bieten danach Ansatzpunkte dafür, Verbindlichkeiten gegenüber einem Alleingesellschafter von der Ausgleichsverpflichtung auszunehmen.
Rz. 8
Soweit die Klägerin ausweislich ihrer Beschwerdebegründung mit dieser Frage auch geklärt wissen will, ob auch Forderungen der Treuhandanstalt bzw. der Beigeladenen als deren Rechtsnachfolgerin vor einer Erlösauskehr auszugleichen sind, folgt aus dem klaren Wortlaut des § 6 Abs. 6a Satz 2 Halbs. 5 VermG und bedarf deshalb keiner Klärung im angestrebten Revisionsverfahren, dass für den Ausgleich nur bereits am 29. März 1991 bestehende Verbindlichkeiten gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts außer Betracht bleiben.
Rz. 9
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.
Rz. 10
a) Die Rüge einer Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift nach den Darlegungen der Beschwerdebegründung nicht durch. Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Vermeintliche Fehler in der Sachverhalts- oder Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen. Die Freiheit der richterlichen Überzeugungsbildung ist erst dann überschritten, wenn das Gericht seiner Sachverhalts- und Beweiswürdigung nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt, sondern nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen oder sonst von objektiver Willkür geprägt sind.
Rz. 11
Solches legt die Klägerin nicht dar. Sie rügt, das Verwaltungsgericht sei mit seiner Erwägung, aufgrund des bestandskräftigen Bescheides vom 28. September 2012 stehe fest, dass die Klägerin einen Anspruch auf Entschädigung und Erlösauskehr Zug um Zug gegen Zahlung eines etwaigen Ausgleichsbetrages nach § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG habe (UA S. 10 oben), in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend und in Widerspruch zum Tatbestand seines Urteils davon ausgegangen, bereits der Bescheid vom 28. September 2012 setze eine Ausgleichspflicht fest. Damit ist weder eine aktenwidrige Tatsachenfeststellung noch eine willkürliche Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts dargetan. Wie sich aus dem Zusammenhang der entsprechenden Urteilspassage ergibt, stellt die Aussage zur Ausgleichspflicht keine Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts zur Tenorierung des Bescheides dar, sondern eine rechtliche Bewertung. Im nächsten Satz entnimmt das Verwaltungsgericht dem Bescheid ("danach") lediglich den Ausschluss eines Rückübertragungsanspruchs und die Feststellung eines Erlösauskehranspruchs dem Grunde nach, während es die bei Erlösauskehr Zug um Zug zu erfüllende Ausgleichsverpflichtung nachfolgend unmittelbar aus dem Gesetz ableitet.
Rz. 12
b) Auch der von der Klägerin gerügte Aufklärungsmangel (§ 86 Abs. 1 VwGO) hinsichtlich des Bestandes an auszugleichenden Verbindlichkeiten im Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks ist nicht prozessordnungsgemäß dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO).
Rz. 13
Die Rüge einer Verletzung der Aufklärungspflicht erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich und geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese unter Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung der Vorinstanz zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Außerdem muss dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der vermissten Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder auf Grund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 13. Juli 2007 - 9 B 1.07 - juris Rn. 2 m.w.N.).
Rz. 14
Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. Die bereits erstinstanzlich anwaltlich vertretene Klägerin legt nicht dar, dass sie vor dem Verwaltungsgericht durch einen Beweisantrag auf die von ihr für geboten gehaltene Ermittlung des Bestandes an dem Grundstück zurechenbaren Verbindlichkeiten im Veräußerungszeitpunkt hingewirkt hat. Ausweislich des Sitzungsprotokolls des Verwaltungsgerichts war dies auch nicht der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass sich dem Gericht auch ohne Beweisantrag die Notwendigkeit einer Beweiserhebung zu etwaigen Änderungen der Höhe der Verbindlichkeiten gegenüber der von ihm für hinreichend aussagekräftig gehaltenen Jahresabschlussbilanz zum 31. Dezember 1994 hätte aufdrängen müssen, sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Rz. 15
c) Der von der Klägerin geltend gemachte Verstoß des Verwaltungsgerichts gegen ihr Recht auf rechtliches Gehör ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.
Rz. 16
Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht jedoch dazu, sich mit jedem Vorbringen in seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Nur wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen ergibt, dass das Gericht aus seiner Sicht erhebliche, zum Kern des Beteiligtenvorbringens gehörende Gesichtspunkte nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, sind Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO verletzt (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 18. Januar 2017 - 8 B 16.16 - Buchholz 451.622 EAEG Nr. 3 Rn. 4 m.w.N.). Dafür sind hier keine Anhaltspunkte vorgetragen.
Rz. 17
Zu Unrecht macht die Klägerin geltend, das Verwaltungsgericht habe ihr Vorbringen zur teleologisch gebotenen Ausnahme eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen von auszugleichenden Verbindlichkeiten im Sinne von § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG übergangen. Das Verwaltungsgericht hat den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin im Tatbestand seines Urteils inhaltlich dargestellt. Es ist ihm in seinen Entscheidungsgründen jedoch nicht gefolgt, sondern hat auf die von ihm für zutreffend erachtete Berechnung der auszugleichenden Verbindlichkeiten im angefochtenen Bescheid Bezug genommen und sich diese zu eigen gemacht. Der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommene Bescheid stellt eingehend den Zweck des § 6 Abs. 6a Satz 2 VermG heraus, den Gläubigern die Haftungsgrundlage für sämtliche dem Vermögenswert zurechenbaren Verbindlichkeiten - lediglich mit Ausnahme der bereits zum Stichtag des 29. März 1991 gegenüber der öffentlichen Hand bestehenden - zu erhalten. Zu einer über eine Bezugnahme auf die Erwägungen des Bescheides hinausgehenden Erörterung des klägerischen Einwandes war das Verwaltungsgericht nicht verpflichtet.
Rz. 18
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15171802 |