Verfahrensgang

Bayerischer VGH (Aktenzeichen 14 B 95.2984)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 16. März 2001 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 16 000 DM festgesetzt.

 

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Die geltend gemachten Verfahrensfehler rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

Nach der Einschätzung der Vorinstanz halten sich die Geruchsbelästigungen, die das Vorhaben des Beigeladenen erwarten lässt, im Rahmen dessen, was dem Kläger nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 BauNVO zumutbar ist. Die Grenzen des Hinnehmbaren bestimmt das Berufungsgericht anhand der VDI-Richtlinie 3471 „Emissionsminderung Tierhaltung – Schweine”. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des Senats, der wiederholt bestätigt hat, dass diese Richtlinie zwar keine rechtliche Verbindlichkeit für sich beansprucht, für die Beurteilung der Zumutbarkeit aber eine brauchbare Orientierungshilfe bietet (vgl. Urteil vom 14. Januar 1993 – BVerwG 4 C 19.90 – Buchholz 406.11 § 34 BauGB Nr. 155; Beschluss vom 8. Juli 1998 – BVerwG 4 B 38.96 – Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 290). Der Kläger stellt diesen rechtlichen Ansatz nicht in Frage. Auch er geht davon aus, dass sich im Falle von Geruchsbeeinträchtigungen an der VDI-Richtlinie 3471 ablesen lässt, ob den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots genügt ist oder nicht. Vor diesem materiellrechtlichen Hintergrund greifen seine Verfahrensrügen nicht durch.

Ein Zulassungsgrund lässt sich nicht unter Hinweis auf § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO daraus herleiten, dass die Vorinstanz die 200 Mastschweine in der dem Beigeladenen genehmigten Stallanlage als 200 × 0,12 und nicht 200 × 0,15 Großvieheinheiten (GV) gewertet hat (vgl. hierzu VDI-Richtlinie 3471 unter „Grundbegriffe”). Die Rüge ist nicht begründet. Unter dem Mantel der Verfahrensrüge kann die inhaltliche Richtigkeit der Anwendung der VDI-Richtlinie 3471 ohnehin nicht angegriffen werden. Die VDI-Richtlinie ist keine Rechtsnorm, so dass ihre Anwendung nicht Gegenstand revisionsgerichtlicher Prüfung sein kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. August 1998 – BVerwG 4 B 81.98 – Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 280 = NVwZ 1999, 64). Auch wenn man hiervon absieht, hat das Vorbringen der Beschwerde keinen Erfolg. Die von der Beschwerde angesprochenen Großvieheinheiten spielen in der Argumentationsstruktur der angefochtenen Entscheidung allerdings mittelbar eine Rolle. Denn die Umrechnung des Tierbestandes in Großvieheinheiten dient der Ermittlung des nach dem Bild 21 der Richtlinie maßgeblichen Regelabstandes, den das Berufungsgericht unter Berücksichtigung der Nr. 3.2.3.2 der Richtlinie in Anknüpfung an die Berechnungen des Beklagten mit 95 m angibt. Dahinstehen kann, ob diese Annahme zutrifft. Das Berufungsgericht musste sich nicht eigens sachverständiger Hilfe versichern, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob die dem Beigeladenen genehmigte Stallanlage nur der Mittel- und Endmast (= 0,15 GV) oder der Vor-, Mittel- und Endmast (= 0,12 GV) dient; denn für seine Entscheidung spielte es letztlich keine Rolle, ob der Abstand, der anhand des Bildes 21 der VDI-Richtlinie zu ermitteln ist, 95 m oder mehr beträgt. Denn es ist unstreitig, dass die für Wohnzwecke genutzten Gebäude ca. 75 m und die ehemalige Maschinenhalle, die noch nicht zu Wohnzwecken umgebaut ist, lediglich 54 m vom Emissionsschwerpunkt der Stallungen des Beigeladenen entfernt liegen. Dem Berufungsgericht stellte sich als entscheidungserheblich die Frage, ob auch diese Abstände ausreichen, um der Gefahr unzumutbarer Geruchsbelästigungen vorzubeugen. Die Abstände nach Bild 21 waren für diese Beurteilung irrelevant. Denn sind sie unterschritten, so indiziert dies keineswegs die Feststellung, dass das Rücksichtnahmegebot nicht mehr gewahrt ist. Vielmehr lässt die Nr. 3.2.3.4 der VDI-Richtlinie 3471 in einem solchen Falle Raum für eine Sonderbeurteilung anhand der konkreten Standortverhältnisse. Das Berufungsgericht hat eine solche Beurteilung vorgenommen. Es hat die Emissionen, die von dem Vorhaben des Beigeladenen hervorgerufen werden, nicht zuletzt deshalb als zumutbar qualifiziert, weil sie in dem fraglichen Ortsteil, der nach seinen Feststellungen sein Gepräge durch ein dichtes Nebeneinander von Wohnbebauung und landwirtschaftlichen Betrieben mit Schweinehaltung erhält, ortsüblich sind.

Das Berufungsgericht hat auch nicht dadurch gegen § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO verstoßen, dass es weder durch Einholung eines Sachverständigengutachtens noch durch eine Ortsbesichtigung Beweis darüber erhoben hat, ob sich die Stallungen des Beigeladenen in einer Tallage befinden. Ein solcher Beweis brauchte sich ihm trotz entsprechender Angebote des Klägers nicht aufzudrängen. Das Gericht verfügte über Lichtbilder, die den Schluss zuließen, dass von einer für den Abtransport der Geruchsfahne ungünstigen Tallage im Sinne der Nr. 2.1.1 der VDI-Richtlinie 3471 nicht auszugehen ist. Neben den vom Kläger vorgelegten Fotografien enthalten die Akten Aufnahmen des Umweltschutzingenieurs des Landratsamts, die dazu bestimmt sind zu dokumentieren, dass die topographischen Verhältnisse im Bereich der Stallungen nicht durch Besonderheiten gekennzeichnet sind, denen durch einen Abzug von Bewertungspunkten zwingend Rechnung getragen werden müsste. Auf ihnen ist vermerkt, wo die Hangkante verläuft und wo sich die Kaminaustrittsöffnungen der streitigen Stallungen befinden. Aus ihnen ist zu ersehen, dass die Stallgebäude zwar unterhalb, die für den Abzug der Abluft ausschlaggebenden Schornsteinmündungen aber oberhalb der Hangkante liegen. Der Kläger macht freilich darauf aufmerksam, dass er der Verwertung dieser Fotos in seinem Schriftsatz vom 20. Juli 2000 widersprochen hat. Das Berufungsgericht musste seine Ausführungen indes nicht zum Anlass dafür nehmen, in der von ihm bezeichneten Richtung weitere Ermittlungen anzustellen. Trotz der von ihm erhobenen Einwände stellt der Kläger die Beweiskraft des Bildmaterials letztlich nicht in Frage. Er räumt im Schriftsatz vom 20. Juli 2000 selbst ausdrücklich ein, „dass es sich sicherlich nicht um eine ausgeprägte Talkessellage handelt”. Er stellt auch nicht in Abrede, dass „die Abluftkamine geringfügig über die Hangkante hinausragen”. Vor dem Hintergrund dieses eigenen Vorbringens hatte das Berufungsgericht keinen Grund, den Aussagewert der Fotos in Zweifel zu ziehen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 14 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

 

Unterschriften

Gaentzsch, Berkemann, Halama

 

Fundstellen

Dokument-Index HI635144

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge