Verfahrensgang
Sächsisches OVG (Urteil vom 11.09.2019; Aktenzeichen 4 A 148/18) |
VG Chemnitz (Entscheidung vom 20.12.2017; Aktenzeichen 2 K 418/15) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 11. September 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 43 200 € festgesetzt.
Gründe
I
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen eine wasserrechtliche Beseitigungsanordnung, mit der ihm die Entfernung einer Aufschüttung auf seinem Grundstück aufgegeben wurde.
Rz. 2
Das Grundstück des Klägers liegt in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet. Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts befindet sich auf dem Grundstück auf einer Fläche von etwa 860 m² eine ca. 1 bis 1,5 m hohe Erdaufschüttung aus Erdstoff- und eventuell Bauschuttablagerungen.
Rz. 3
Widerspruch und Klage vor dem Verwaltungsgericht blieben ohne Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.
II
Rz. 4
Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.
Rz. 5
1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
Rz. 6
Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 21. April 2015 - 7 B 9.14 - [insoweit in Buchholz 451.222 § 3 BBodSchG Nr. 3 nicht abgedruckt] - juris Rn. 5 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht.
Rz. 7
Die vom Kläger zur Darlegung einer Divergenz zitierte Passage aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Oberverwaltungsgerichts:
"Der Grundsatz der hinreichenden Bestimmtheit einer Einzelfallregelung bedeutet, dass einerseits deren Adressat in der Lage sein muss, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zwar in dem Sinne, dass der behördliche Wille keiner unterschiedlichen subjektiven Bewertung zugänglich ist und dass andererseits der Verwaltungsakt Grundlage für Maßnahmen seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann (BVerwG, Urt. v. 2. Juli 2008 - 7 C 38/07 -, juris Rn. 11; Senatsurt. v. 8. Februar 2011 - 4 A 637/10 -, juris Rn. 24; BayVGH, Beschl. v. 1. August 2016 - 10 CS 16.893 -, juris Rn. 25 m.w.N.).",
enthält schon keinen abstrakten Rechtssatz des Berufungsgerichts, der als solcher einem Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts widersprechen könnte. Vielmehr greift das Oberverwaltungsgericht in der zitierten Passage die in Bezug genommene Rechtsprechung (insbesondere) des Bundesverwaltungsgerichts auf und macht sich diese zu Eigen. Einen eigenständigen Rechtssatz formuliert das Berufungsgericht hingegen nicht.
Rz. 8
Wenn der Kläger hieran anknüpfend rügt, das Oberverwaltungsgericht habe einen vom Bundesverwaltungsgericht formulierten Rechtssatz zur Bestimmtheit eines Verwaltungsaktes verkürzt - namentlich ohne einen Hinweis auf die zu beachtenden Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts (siehe hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 2. Juli 2008 - 7 C 38.07 - BVerwGE 131, 259) - wiedergegeben, bezeichnet dies keine Divergenz. Vielmehr macht der Kläger der Sache nach geltend, das Oberverwaltungsgericht habe einen maßgeblichen Gesichtspunkt der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei seiner Entscheidung außer Acht gelassen. Damit rügt er einen Mangel bei der Rechtsanwendung, auf den eine Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht gestützt werden kann (stRspr, siehe nur BVerwG, Beschlüsse vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 Rn. 4 und zuletzt vom 5. März 2020 - 4 BN 38.19 - juris Rn. 3 m.w.N.).
Rz. 9
2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Rz. 10
Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt, also näher ausgeführt werden, dass und inwiefern diese Voraussetzungen vorliegen (stRspr, BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 ≪91≫ und vom 24. Januar 2020 - 10 B 17.19 - juris Rn. 5 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
Rz. 11
2.1 Die der Sache nach im Wesentlichen identischen Fragestellungen,
"Ist der Begriff 'Ablagerung von Gegenständen' in § 78 Abs. 1 Nr. 5 WHG a. F. so zu verstehen, dass er Aufschüttungen (Urt. Rn. 29), eine Erdaufschüttung aus Erdstoff- und eventuell Bauschuttablagerungen (Urt. Rn. 4) umfasst?"
und
"Ist eine Aufschüttung, ist Erdstoff ein Gegenstand i. S. v. § 78 Abs. 1 Nr. 5 WHG a. F.?",
rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Das folgt allerdings nicht schon daraus, dass die aufgeworfenen Fragen sich auf die Auslegung einer außer Kraft getretenen Norm beziehen. Denn auch Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht können Gegenstand einer Revision sein, wenn sich die Fragen bei der - wie hier - im Wesentlichen gleichlautenden Nachfolge-Vorschrift (§ 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WHG n.F.) in gleicher Weise stellen können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. August 2012 - 7 B 28.12 - juris m.w.N.). Die als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfenen Fragen bedürfen indessen, soweit sie einer rechtsgrundsätzlichen Klärung überhaupt zugänglich sind, nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens.
Rz. 12
Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WHG in der bei Erlass des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 6. März 2015 geltenden, zwischenzeitlich außer Kraft getretenen Fassung vom 31. Juli 2009 (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WHG a.F.) ist in festgesetzten Überschwemmungsgebieten die nicht nur kurzfristige Ablagerung von Gegenständen, die den Wasserabfluss behindern können oder die fortgeschwemmt werden können, untersagt. Ob Gegenstände geeignet sind, den Wasserabfluss zu behindern oder fortgeschwemmt zu werden, ist jedoch eine Frage, die nach den tatsächlichen Umständen des jeweiligen Einzelfalles zu beurteilen und einer rechtsgrundsätzlichen Klärung nicht zugänglich ist.
Rz. 13
Zugleich lässt sich ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens klären, dass es sich bei "Aufschüttungen, eine Erdaufschüttung aus Erdstoff- und eventuell Bauschuttablagerungen" bzw. "Erdstoff" um Gegenstände im Sinne des § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 WHG a.F., § 78a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 WHG m.F. handelt. Der Begriff des Gegenstandes bezeichnet im vorliegenden sachlichen Zusammenhang - dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend - einen Körper, eine Sache bzw. ein Ding (vgl. auch § 90 BGB, der eine Sache als körperlichen Gegenstand definiert). Unter diesen Begriff des Gegenstandes fallen, unabhängig von deren stofflicher Zusammensetzung im Einzelnen, auch "Aufschüttungen, eine Erdaufschüttung aus Erdstoff- und eventuell Bauschuttablagerungen" bzw. "Erdstoff". Aus der Literatur ergeben sich keine gegenteiligen Hinweise. Im Schrifttum werden lediglich typische Abflusshindernisse - wie sperrige Gegenstände - benannt, ohne den Begriff des Gegenstandes näher zu erörtern oder einzuschränken (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 12. Aufl. 2019, § 38 Rn. 46; Faßbender, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2019, § 38 WHG Rn. 42; Schwendner/Rossi, in: Sieder/Zeitler/Dahme/Knopp, WHG/AbwAG, Stand August 2019, § 38 WHG Rn. 35; vgl. auch BT-Drs. 16/12275, S. 63).
Rz. 14
2.2 Die weiteren vom Kläger als klärungsbedürftig angesehenen Fragen:
"Bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag, was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll?"
und
"Bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag den Geltungsbereich und räumlichen Umfang einer mit der Baugenehmigung erteilten wasserrechtlichen Genehmigung hier nach § 100a Abs. 2 SächsWG?",
beziehen sich auf nicht revisibles Landesrecht (vgl. § 137 Abs. 1 VwGO).
Rz. 15
Der Kläger legt mit Blick auf Bauantrag bzw. Baugenehmigung in seiner Beschwerde selbst dar, dass sich die Frage stelle, ob der Bauantrag nach § 68 Abs. 1 SächsBO und den entsprechenden Normen anderer Landesbauordnungen lediglich eine formelle Verfahrensvoraussetzung sei oder das Bauvorhaben (zugleich) materiell bestimme. Bei der auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung gerichteten weiteren Fragestellung ergibt sich der Bezug zu nicht revisiblem Landesrecht schon aus der Formulierung der Frage selbst.
Rz. 16
3. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Rz. 17
Der Kläger stützt seine Aufklärungsrüge (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) darauf, dass das Oberverwaltungsgericht ohne hinreichende Sachaufklärung - namentlich ohne Einnahme eines gerichtlichen Augenscheines - zur Feststellung gekommen sei, dass die Erdablagerungen auf seinem Grundstück offensichtlich fortgeschwemmt werden könnten.
Rz. 18
Eine Aufklärungsrüge erfordert die substantiierte Darlegung, welche Tatsachen auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunktes des Tatsachengerichtes aufklärungsbedürftig waren, welche für erforderlich oder geeignet gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht kamen, welche tatsächlichen Feststellungen dabei voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer dem Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls eine sonstige Beweisanregung hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, siehe etwa BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - Buchholz 451.224 § 36 KrWG Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.). Diesen Anforderungen wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht.
Rz. 19
Er legt nicht dar, dass er bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr rügt, durch einen unbedingten Beweisantrag oder jedenfalls durch eine sonstige Beweisanregung hingewirkt hätte. Sein Hinweis, dass er wegen der zur Klärung der Frage des Entschließungsermessens der Beklagten erfolgten Berufungszulassung nicht damit habe rechnen können bzw. müssen, dass das Oberverwaltungsgericht im Berufungsverfahren zu nicht erörterten Tatsachen bestimmte Annahmen treffe, überzeugt nicht. Für den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten konnte kein Zweifel darüber bestehen, dass sich eine zugelassene Berufung auf sämtliche vom Streitgegenstand umfasste Sach- und Rechtsfragen erstreckt. Darüber hinaus vermochte der Kläger auch nicht darzulegen, dass es im Rahmen der Einvernahme eines Augenscheins durch das Oberverwaltungsgericht voraussichtlich zu tatsächlichen Feststellungen gekommen wäre, die von denjenigen abweichen, die die Vorinstanz auf der Grundlage der aus den Verfahrensakten gewonnenen Erkenntnisse zu der Situation auf dem Grundstück getroffen hat.
Rz. 20
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13949357 |