Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 13.11.2023; Aktenzeichen 12 KS 57/23) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13. November 2023 wird verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.
Gründe
I
Rz. 1
Der Kläger wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb von sieben Windenergieanlagen (WEA). Die WEA sollen im Geltungsbereich eines ein Sondergebiet für WEA festsetzenden Bebauungsplans errichtet werden. Der Kläger ist Eigentümer eines 645 m von der nächstgelegenen WEA entfernten, mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks im Außenbereich.
Rz. 2
Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Dezember 2023 zugestellt. Die am 15. Januar 2024 (einem Montag) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers wurde am 15. Februar 2024 begründet. Nach einem Hinweis durch den Vorsitzenden, dass die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am 14. Februar 2024 abgelaufen sei, hat der Kläger einen Antrag auf Wiedereinsetzung in diese Frist gestellt.
II
Rz. 3
Die Beschwerde ist unzulässig.
Rz. 4
Gemäß § 133 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist hat der Kläger versäumt. Das angegriffene Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 14. Dezember 2023 zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde endete damit gemäß §§ 141, 125 Abs. 1, § 57 Abs. 1 und 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 14. Februar 2024, einem Mittwoch. Die am 15. Februar 2024 eingereichte Begründung war damit verfristet.
Rz. 5
Dem Kläger ist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Das setzte gemäß § 60 Abs. 1 VwGO voraus, dass er ohne Verschulden verhindert war, die gesetzliche Frist einzuhalten. Die Fristversäumung beruht aber auf einem Verschulden seiner Prozessbevollmächtigten, das dem Kläger gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hätte die Fristberechnung nicht einer Rechtsanwalts- und Notarsgehilfin überlassen dürfen. Dies ist zwar grundsätzlich bei gut ausgebildetem und sorgfältig überwachtem Büropersonal möglich, allerdings nur bei Fristen, die in der Praxis des Prozessbevollmächtigten üblich sind. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören hierzu nicht die in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zu beachtenden Rechtsmittelbegründungsfristen. Denn vor dem Bundesverwaltungsgericht treten regelmäßig Rechtsanwälte auf, für die die Führung eines Revisionsverfahrens keine Routineangelegenheit darstellt, da sie eine solche Vertretung nur gelegentlich übernehmen. Es kann daher regelmäßig nicht davon ausgegangen werden, dass die von der Zivilprozessordnung und von der Finanzgerichtsordnung teilweise abweichenden Regelungen des Revisionsverfahrensrechts nach der Verwaltungsgerichtsordnung jedem Rechtsanwalt und seinem Büropersonal hinreichend vertraut sind (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 1995 - 9 C 390.94 - NJW 1995, 2122). Soweit der Prozessbevollmächtigten des Klägers die Überwachung der Fristen aus körperlichen Gründen nicht persönlich möglich war, hätte sie insoweit den weiteren in ihrer Kanzlei tätigen Rechtsanwalt mit ihrer Überwachung betrauen müssen, eine Arbeitsteilung, die nach ihrer Darstellung durchaus der Üblichkeit entspricht.
Rz. 6
Unabhängig davon hätte die allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde auch sonst keinen Erfolg.
Rz. 7
Die Beschwerde genügt schon nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie formuliert keine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Rz. 8
Sollte die Beschwerde die Frage, ob § 249 Abs. 10 BauGB entsprechend im Planbereich angewendet werden kann, für rechtsgrundsätzlich erachten, so wird auch hierdurch die grundsätzliche Bedeutung nicht hinreichend begründet. Denn diese Frage war für das Oberverwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Seine Ausführungen zur entsprechenden Anwendung von § 249 Abs. 10 BauGB hat es nur hilfsweise und damit nicht die Entscheidung tragend angestellt.
Rz. 9
Eine grundsätzliche Bedeutung lässt sich im Übrigen nicht unter Hinweis auf eine Formulierung des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts im Zulassungsbeschluss vom 27. November 2020 - 4 B 22.20 - (juris) darlegen. Die Beschwerde meint offenbar, dass die dort getroffene Aussage, das Verfahren könne voraussichtlich Gelegenheit bieten, die Anforderungen an eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls bei der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für einen Windpark, insbesondere in Bezug auf den Artenschutz zu klären, mit einer Grundsatzfrage gleichzusetzen ist. Das ist nicht richtig und mit den Unterschieden im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren einerseits und im Revisionsverfahren andererseits zu erklären. Während zur Darlegung eines Zulassungsgrundes eine konkrete Rechtsfrage zu bezeichnen ist, wird in der einmal zugelassenen Revision die Rechtssache umfassend auf Bundesrechtsverstöße hin untersucht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Deshalb ist die in dem Zulassungsbeschluss beschriebene Aussicht auf das Revisionsverfahren weiter gefasst und nicht an die engen Voraussetzungen der Bezeichnung einer Grundsatzfrage gebunden.
Rz. 10
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO.
Rz. 11
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Fundstellen
ZAP 2024, 896 |
JuS 2024, 12 |
NJW-Spezial 2024, 639 |
RENOpraxis 2024, 235 |