Verfahrensgang
VG Weimar (Aktenzeichen 7 K 1421/96.We) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerinnen gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 9. Februar 2000 wird zurückgewiesen.
Die Klägerinnen tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 230 000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO liegen nicht vor.
1. Entgegen der Auffassung der Beschwerde hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn die Beschwerde eine Rechtsfrage aufwirft, deren zu erwartende revisionsgerichtliche Klärung der Einheit oder der Fortentwicklung des Rechts zu dienen vermag. Eine klärungsbedürftige Rechtsfrage dieser Art ist in der Beschwerde nicht aufgeführt worden. Die zunächst gestellte Frage der Beschwerde,
„ob die Veräußerung einer aus Flüchtlingsvermögen stammenden Immobilie durch den staatlichen Verwalter im Vorfeld einer Enteignung nach dem Aufbaugesetz der DDR bzw. dem nachfolgenden Baulandgesetz an den Staat einer Enteignung nach den Vorschriften des Aufbaugesetzes bzw. des Baulandgesetzes gleichzusetzen ist und damit entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 c des Vermögensgesetzes eine schädigende Maßnahme im Sinne von § 1 des Vermögensgesetzes nicht vorliegt”,
ist bereits geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass in Fällen, in denen eine Veräußerung des Grundstücks durch den staatlichen Verwalter geschieht, um einer drohenden Enteignung zuvorzukommen, diese Veräußerung nicht dem staatlichen Verwalter als eigene Unrechtshandlung zuzurechnen ist (Urteile vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 S. 349 ≪351 f.≫ und vom 18. November 1997 – BVerwG 7 C 65.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 130). Der staatliche Verwalter befindet sich dann nämlich in keiner anderen Lage als der Eigentümer, da er ebenso wie dieser nur zwischen der Veräußerung und dem Zuwarten auf den bevorstehenden Eigentumsentzug wählen kann. In einer solchen Situation hat sich dann nicht das an sich mit der Anordnung der staatlichen Verwaltung verbundene spezifische Risiko einer Weiterveräußerung verwirklicht, das mit der Anordnung einer staatlichen Verwaltung beginnt und sich als Unrecht darin fortsetzt, dass über den bisherigen Entzug der Verfügungs-, Nutzungs- und Verwaltungsbefugnisse des Eigentümers hinaus auch das Eigentum an dem Vermögenswert selbst entzogen wird (Urteil vom 26. Juni 1997 – BVerwG 7 C 57.96 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 114 ≪S. 351≫). Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass in Anbetracht dieses Regelungshintergrundes der in § 1 Abs. 1 Buchstabe c VermG verwendete Begriff der Veräußerung deshalb einschränkend auszulegen ist und ein eigenständiges Handeln des staatlichen Verwalters voraussetzt, das auf den Entzug des Eigentums an dem Vermögenswert gerichtet gewesen sein muss (Urteil vom 26. Juni 1997 – a.a.O.). Es ist damit erforderlich, dass der staatliche Verwalter sich gewissermaßen des Eigentums bemächtigt hat, um es an einen Dritten zu übertragen. Daran fehlt es etwa, wenn ein Grundstück mit Gewissheit nach den Bestimmungen des Verteidigungsgesetzes der DDR enteignet worden wäre, falls es nicht vom staatlichen Verwalter in das Eigentum des Volkes verkauft worden wäre (Urteil vom 26. Juni 1997 – a.a.O.); nichts anderes kann für die Abwendung einer drohenden Enteignung nach dem Aufbaugesetz gelten.
Auch die weitere von den Klägerinnen gestellte Frage,
„ob die Veräußerung einer Flüchtlingsimmobilie in der ehemaligen DDR durch den staatlichen Verwalter im Vorfeld eines Enteignungsverfahrens nach dem Aufbaugesetz bzw. dem Baulandgesetz ohne Zahlung eines Kaufpreises einer entschädigungslosen Enteignung entspricht und damit – zumindest in analoger Anwendung – dem Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchstabe a VermG unterfällt”,
ist bereits geklärt. Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Buchstabe a VermG immer eine entschädigungslose Enteignung in dem Sinne voraussetzt, dass ein „zwangsweiser hoheitlicher Eigenszugriff” erfolgt ist (Beschluss vom 11. August 1995 – BVerwG 7 B 62.95 – ≪Buchholz a.a.O. Nr. 51≫; Urteil vom 27. Oktober 1995 – BVerwG 7 C 40.94 – ≪Buchholz a.a.O. Nr. 56≫). Auf den Gesichtspunkt, dass eine Zahlung des Kaufpreises ausgeblieben sei und sich deshalb ein Vergleich mit einer entschädigungslosen Enteignung anbiete, kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerde schon deshalb nicht an, weil der Entschädigungstatbestand der entschädigungslosen Enteignung nach § 1 Abs. 1 Buchstabe a VermG, der einen diskriminierenden und gerade deshalb entschädigungslos bleibenden Zugriff auf das Eigentum voraussetzt, nicht schon deshalb eingreift, wenn die nach DDR-Rechtsvorschriften vorgesehene Entschädigung nicht festgesetzt, wegen staatlicher Verwaltung des Vermögens nicht ausgezahlt, mit anderen Forderungen verrechnet oder sonst der Verfügungsmacht des Enteigneten vorenthalten worden ist (vgl. Urteil vom 24. März 1994 – BVerwG 7 C 16.93 – BVerwGE 95, 284 ≪286≫; Urteil vom 5. März 1998 – BVerwG 7 C 8.97 – Buchholz a.a.O. Nr. 140). Für die von der Beschwerde aufgeworfene Frage einer analogen Anwendung bietet die detaillierte Ausformung der verschiedenen Schädigungstatbestände in § 1 Abs. 1 bis 8 VermG, insbesondere diejenigen in § 1 Abs. 1 VermG mit den verschiedenen Unterfällen, keinen Anhaltspunkt. Von einer planwidrigen Regelungslücke, die mittels einer Analogie geschlossen werden müsste, kann keine Rede sein.
2. Auch die von den Klägerinnen erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch. Soweit die Beschwerde meint, das Verwaltungsgericht habe die Aufklärung zur Frage unterlassen, ob überhaupt ein Enteignungsverfahren nach dem Aufbaugesetz bzw. nach dem Baulandgesetz eingeleitet worden ist und somit überhaupt ein „Vorfeld im Zuge der Enteignungsmaßnahme” vorgelegen habe, kann sie damit nicht durchdringen. Wird nämlich eine Beschwerde auf die Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung gestützt, so gehört zur ordnungsgemäßen Bezeichnung dieses Verfahrensmangels die Darlegung, welche Beweise angetreten worden sind oder welche Ermittlungen sich dem Tatsachengericht hätten aufdrängen müssen, welche Beweismittel in Betracht gekommen wären, welches mutmaßliche Ergebnis die Beweisaufnahme gehabt hätte und inwiefern dieses Ergebnis zu einer für die Beschwerdeführerinnen günstigeren Entscheidung hätte führen können. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Sie setzt sich insbesondere nicht mit dem vom Verwaltungsgericht gewürdigten Umstand auseinander, dass das streitbefangene Grundstück in das Register der Aufbaugebiete eingetragen worden ist und die Inanspruchnahme gemäß dem zuvor auch angegebenen Zweck (Bau einer Kindereinrichtung) erfolgte.
Es entspricht zudem der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass ein Tatsachengericht seine Aufklärungspflicht dann nicht verletzt, wenn eine durch einen Rechtsanwalt vertretene Partei die von ihr vermisste Beweiserhebung in der mündlichen Verhandlung – wie hier – nicht förmlich beantragt hat.
Soweit die Beschwerde einen Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO darin sieht, dass das Verwaltungsgericht keine Aufklärungsmaßnahmen dazu getroffen habe, „wie und woher … die beiden angeblichen beglaubigten Abschriften des Kaufvertrages vom 7.5.1986 … hergekommen seien”, kann sie auch damit nicht durchdringen. Auch hier gelten die zuvor angegebenen Anforderungen für eine ordnungsgemäße Bezeichnung des Verfahrensmangels und ggf. das Erfordernis der Stellung eines förmlichen Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung. Im Übrigen sind die genannten Blätter unzweifelhaft Bestandteil der Altakte, über deren Inhalt und Anlegung das Gericht keinen Anlass hatte, nähere Nachforschungen anzustellen.
Auch soweit die Beschwerde rügt, das Gericht hätte Aufklärungsmaßnahmen dahin gehend unterlassen, ob eine Fälschung der in den Akten befindlichen Abschrift des Kaufvertrages vom 7. Mai 1986 vorliege oder nicht, hat sie damit keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens die Echtheit der betreffenden Unterlagen überprüfen lassen und damit seiner Aufklärungspflicht entsprochen. Die Pflicht, ein weiteres Gutachten einzuholen, trifft das Verwaltungsgericht nicht. Eine zusätzliche Begutachtung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts (vgl. § 98 VwGO, § 404 Abs. 1, § 412 Abs. 1 ZPO). Ein Verfahrensverstoß ist nur dann gegeben, wenn das vorliegende Gutachten grobe Mängel aufweist, die es als ungeeignet, zumindest als nicht ausreichend tragfähig erscheinen lassen (vgl. Beschluss vom 10. Dezember 1984 – BVerwG 7 B 93.84 – Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 25). Die Beschwerde trägt selbst nicht vor, dass dies dem Verwaltungsgericht gegenüber vorgetragen worden ist. Hinzu kommt, dass dem Revisionsgericht ohnehin die Überprüfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich ist, die hier erkennbar nicht vorliegen. Hierauf zielende Verfahrensrügen sind dem Beschwerdevorbringen ebenfalls nicht zu entnehmen.
Auch soweit eine mangelnde Aufklärung der vorhandenen „Überklebungen der angeblich beglaubigten Abschriften des Kaufvertrages” gerügt wird, musste sich dem Verwaltungsgericht nicht die Einholung eines weiteren Gutachtens aufdrängen. Diese Überklebungen betraf nämlich von vornherein nur die dinglichen Belastungen des Grundstücks und haben keinen Einfluss auf den Eigentumsübergang selbst. Im Übrigen haben auch hier die anwaltlich vertretenen Klägerinnen die Stellung eines förmlichen Beweisantrages in der mündlichen Verhandlung unterlassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 13, 14 GKG.
Unterschriften
Dr. Pagenkopf, Sailer, Krauß
Fundstellen