Verfahrensgang
VG Gera (Urteil vom 12.11.2009; Aktenzeichen 6 K 2320/08 Ge) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem aufgrund mündlicher Verhandlung vom 12. November 2009 ergangenen Urteil des Verwaltungsgerichts Gera wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 204 516,75 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor.
Rz. 2
1. Die Aufklärungsrüge greift nicht durch. Die Rüge unzulänglicher Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) erfüllt nur dann die Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO, wenn der Verfahrensmangel unzureichender Sachaufklärung ausreichend bezeichnet wird. Hierzu muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr; z.B. Beschluss vom 19. August 1997 – BVerwG 7 B 261.97 – Buchholz 310 § 133 ≪n.F.≫ VwGO Nr. 26 S. 14 f.). Hierzu lassen sich dem Vorbringen der Beschwerde keine hinreichenden Ausführungen entnehmen.
Rz. 3
Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der Verwaltungsvorgänge und der von der Klägerin dem Verwaltungsgericht zur Verfügung gestellten Unterlagen festgestellt, dass die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale des Schädigungstatbestandes des § 1 Abs. 2 VermG vorliegen, dass insbesondere keine kostendeckende Gewerbemiete gezahlt wurde, die ausreichte, um die anfallenden Reparaturen und Instandsetzungen zu finanzieren. Diesen Schluss hat das Verwaltungsgericht aufgrund der Tatsache gezogen, dass 1983 ein Kredit von 63 000 Mark/DDR aufgenommen werden musste. Dem zwischen der Kreissparkasse G… und dem FDGB Feriendienst sowie der Objektleitung T… abgeschlossenen Kreditvertrag sei zu entnehmen, dass infolge der bestehenden Unrentabilität des Grundstücks “– % zinslos gestundet” und die Tilgung auf “– % jährl. zuz. ersp. Zinsen” festgesetzt worden seien. Eine weitere Kreditaufnahme sei im Jahr 1987 durch die Kreissparkasse G… aufgrund der Unrentabilität des Objekts abgelehnt worden. Die Beschwerde legt nicht dar, welche zusätzlichen Beweismittel oder sonstigen Aufklärungsmaßnahmen sich dem Verwaltungsgericht im Hinblick auf diesen festgestellten Sachverhalt hätten aufdrängen müssen und inwiefern eine Beweisaufnahme zu einem für die Beschwerdeführerin günstigeren Ergebnis in dem Sinne hätte führen können, dass die erzielten Mieten kostendeckend gewesen seien.
Rz. 4
Soweit die Klägerin geltend macht, die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts sei unrichtig und entbehre jeglicher Grundlage, wendet sich die Beschwerde gegen die Sachverhaltswürdigung durch das Verwaltungsgericht. Sachverhalts- und Beweiswürdigung sind dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht zuzurechnen. Mit Angriffen dagegen kann deshalb grundsätzlich ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht begründet werden (stRspr; Beschluss vom 3. März 2008 – BVerwG 8 B 95.07 – ZOV 2008, 109 m.w.N.). Eine Ausnahme kommt im Bereich des Indizienbeweises bei einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung in Betracht (stRspr; z.B. Beschluss vom 22. Mai 2008 – BVerwG 9 B 34.07 – Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65). Ein Verstoß gegen Denkgesetze, der anzunehmen ist, wenn das Verwaltungsgericht einen Schluss gezogen hat, der aus Gründen der Logik schlechterdings nicht gezogen werden kann (stRspr; z.B. Beschluss vom 6. März 2008 – BVerwG 7 B 13.08 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 54 S. 17 m.w.N.), ist nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich. Hierfür genügt es nicht, dass die Klägerin allgemein vorträgt, die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts sei unrichtig und entbehre jeglicher Grundlage.
Rz. 5
2. Die Rüge der Klägerin, dass das Verwaltungsgericht eine Überschuldung des Grundstücks unvollständig aufgeklärt, insbesondere zu den notwendigen Instandsetzungsmaßnahmen keine konkreten Feststellungen getroffen habe, hat ebenfalls keinen Erfolg.
Rz. 6
Ein Grundstück oder Gebäude war überschuldet, wenn die ihm zuzuordnenden Verbindlichkeiten den um die eingetragenen Grundpfandrechte verminderten Zeitwert der Immobilie überschritten haben und wenn diese vorhandenen Schulden nicht innerhalb zumutbarer Zeit durch den zu erwartenden Mietertrag gedeckt werden konnten (Urteil vom 24. Juni 1993 – BVerwG 7 C 27.92 – BVerwGE 94, 16 ≪19 f.≫ = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 4). Infolge der Gleichstellung der “unmittelbar bevorstehenden” mit der “eingetretenen” Überschuldung sind fiktiv auch diejenigen Aufwendungen zu berücksichtigen, die im Zeitpunkt der Enteignung für Instandsetzungsmaßnahmen zur Sicherung der bestimmungsgemäßen Nutzbarkeit der Immobilie unaufschiebbar notwendig gewesen wären, aber aufgrund der ökonomischen Zwangslage unterlassen wurden (Urteil vom 16. März 1995 – BVerwG 7 C 39.93 – BVerwGE 98, 87 = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 39 S. 89).
Rz. 7
Zur Überschuldung des Grundstücks muss der Wert festgestellt werden, zu dem das Grundstück seinerzeit im Wege der Beleihung für eine Verschuldung hätte eingesetzt werden können. Hat der Grundstückseigentümer vor dem Verzicht versucht, einen Kredit zur Instandhaltung zu erhalten und auf diese Weise eine konkrete Beleihungsgrenze in Erfahrung gebracht, ist dieser zugrunde zu legen. War dies nicht der Fall, muss die Beleihungsgrenze nachträglich mit Hilfe der in der DDR geltenden Bewertungsvorschriften ermittelt werden. Danach war der Grundstückswert aus dem Mittel zwischen Sachwert und Ertragswert zu berechnen, wobei der Sachwert die Obergrenze bildete (Urteil vom 16. März 1995 a.a.O. Rn. 14).
Rz. 8
Das Verwaltungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Es hat vielmehr den im Gutachten vom 20. März 1986 des Oberingenieurs S… auf der Grundlage der Preisverfügung Nr. 3/82 vom 9. Dezember 1982 und der TGL 13742 ermittelten Verkehrswert in Höhe von 38 100 Mark/DDR zugrunde gelegt und diesem die im Grundbuch eingetragene Aufbauhypothek, die zum 1. März 1988 noch in Höhe von 55 706,44 Mark/DDR valutierte, gegenübergestellte und im Ergebnis eine Überschuldung bejaht. Ob die anhand dieser Vorgehensweise gebildete richterliche Überzeugung (verfahrens-)fehlerhaft erfolgt ist, kann dahingestellt bleiben; denn die Prüfung der Überschuldung wird erleichtert, wenn der notwendige Reparaturaufwand schon bei überschlägiger Betrachtung deutlich vom Betrag des Einheitswertes abzüglich bestehender oder unmittelbar bevorstehender Verbindlichkeiten abweicht (Urteil vom 11. Februar 1999 – BVerwG 7 C 4.98 – BVerwGE 108, 281 ≪234≫ = Buchholz 428 § 1 Abs. 2 VermG Nr. 1).
Rz. 9
Dies ist nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts der Fall. Es stützt sich hierbei auf den Schriftverkehr zwischen dem VEB K… und dem FDGB bzw. dem Bezirksvorstand des FDGB und dem FDGB Feriendienst T… Demgegenüber legt die Beschwerde in keiner Weise dar, welche geeigneten und erforderlichen Aufklärungsmaßnahmen für die Ermittlung der vorgesehenen baulichen Instandsetzungen in Betracht gekommen und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich erzielt worden wären. Dem Beschwerdevorbringen ist auch nicht zu entnehmen, dass seitens der Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die weitere Sachverhaltsaufklärung hingewirkt worden ist oder dass sich dem Gericht weitere Ermittlungen von sich aus hätten aufdrängen müssen.
Rz. 10
Das Verwaltungsgericht hat es auch nicht verfahrensfehlerhaft unterlassen, aufzuklären, ob die im Schreiben des VEB K… vom 30. Dezember 1985 erwähnten Eigenmittel in Höhe von 30 000 Mark/DDR zum Zeitpunkt der Enteignung verbraucht und tatsächlich für die Instandsetzung der Balkone verwendet worden waren. Diese Frage war für das Verwaltungsgericht nicht entscheidungserheblich. Denn es hat bei dem Kostenaufwand für die noch durchzuführenden Instandsetzungsmaßnahmen in Höhe von 78 372 Mark/DDR den Betrag (30 000 Mark/DDR) von der Investitionssumme in Abzug gebracht (UA S. 14).
Rz. 11
Auch ein Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegt nicht vor. In dem Einwand, das Verwaltungsgericht habe zu den Investitionsmaßnahmen keine konkreten Feststellungen getroffen, könnte auch eine Rüge gesehen werden, dass das Verwaltungsgericht auf der Grundlage eines unvollständigen Sachverhalts, also nicht nach der “aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung” (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), entschieden habe. Zur Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels wäre aber erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin die nicht berücksichtigten, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens geschöpften Tatsachen oder Tatsachenkomplexe benennt, deren Entscheidungserheblichkeit sich aufdrängt (vgl. Beschluss vom 9. November 2006 – BVerwG 1 B 134.06 – Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 48 S. 8). Hieran fehlt es.
Rz. 12
Ebenso wenig greift die Rüge durch, das Verwaltungsgericht habe einen Kostenvoranschlag zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht, der nicht Gegenstand der Akten sei. Das Verwaltungsgericht hat in den Entscheidungsgründen lediglich ausgeführt, dass in dem Schreiben des FDGB Feriendienst T… vom 4. November 1985 auf einen Kostenvoranschlag für vorgesehene Baumaßnahmen der Jahre 1985 bis 1987 in Höhe von 78 372 Mark/DDR verwiesen worden sei, der sich allerdings nicht in der Akte befinde. Es hat also nicht den Inhalt des Kostenvoranschlags, sondern lediglich den Umstand berücksichtigt, dass in der Korrespondenz zwischen dem FDGB Feriendienst T… und dem VEB K… ein Kostenvoranschlag erwähnt und nach dem Inhalt des o.a. Schreibens vom 4. November 1985 an den VEB K… weitergeleitet worden sei. Eine solche eingeschränkte Verwertung stellt keinen Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) dar. Ein allenfalls in Betracht zu ziehender Fehler der Beweiswürdigung wäre dem sachlichen Recht zuzuordnen und würde keinen Verfahrensfehler begründen.
Rz. 13
Von einer weiteren Begründung der Beschwerde sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist (§ 133 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
Rz. 14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
Unterschriften
Gödel, Dr. Deiseroth, Dr. Hauser
Fundstellen