Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzulässiger Antrag eines Vereins auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gegen ein gegenüber einem anderen Verein ergangenen Vereinsverbot
Leitsatz (amtlich)
Eine dem verbotenen Verein nicht eingegliederte selbständige Organisation ist zur Anfechtung einer gegenüber dem Verein ergangenen Verfügung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG nicht befugt. Eine Anfechtungsbefugnis ergibt sich auch nicht aus dem Verbot, Kennzeichen zu verwenden, die jenen des verbotenen Vereins im Wesentlichen gleichen (§ 9 Abs. 3 VereinsG).
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1; VereinsG § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, S. 1, Abs. 4 S. 2, § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 3; VwGO § 42 Abs. 2, §§ 43, 50 Abs. 1 Nr. 2, § 74 Abs. 1 S. 2, § 80 Abs. 5 S. 1; VwVfG § 13 Abs. 1 Nr. 2, § 41 Abs. 3 S. 1
Gründe
I
Rz. 1
Der im Jahr 1981 gegründete Antragsteller ist ein sogenannter "Charter" des Hells Angels Motorcycle Club. Er ist vereinsrechtlich nicht verboten. Bis zum 15. März 2017 verwendeten er und seine Mitglieder in der Öffentlichkeit das aus einem "Center-Patch", einem "Top-Rocker" und dem die Ortsbezeichnung wiedergebenden " Bottom-Rocker" bestehende Kennzeichen des Vereins.
Rz. 2
Am 7. November 2017 hat der Antragsteller Klage mit dem Ziel erhoben, die gegenüber dem Hell’s Angels Motor-Club e.V. Hamburg ergangene Verfügung des Bundesministers des Innern vom 21. Oktober 1983 aufzuheben. Mit dieser Verfügung war festgestellt worden, dass Zweck und Tätigkeit des Verfügungsadressaten den Strafgesetzen zuwiderliefen und der Verein verboten sei, war die Auflösung des Vereins angeordnet worden, war des Weiteren ausgeführt worden, dass diesem jede Tätigkeit und die Bildung von Ersatzorganisationen untersagt sei und ihm zudem untersagt sei, seine Kennzeichen zu verbreiten oder öffentlich oder in einer Versammlung zu verwenden, und war sein Vermögen beschlagnahmt und eingezogen worden. Die hiergegen erhobene Klage hatte das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Oktober 1988 (- 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299) abgewiesen. Eine in der Folge erhobene Verfassungsbeschwerde hatte das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 31. Juli 1989 (- 1 BvR 1558/88 - juris) nicht zur Entscheidung angenommen. Zur Begründung seiner Klage führt der Antragsteller aus, die Verbotsverfügung vom 21. Oktober 1983 beeinträchtige infolge der Änderung des § 9 Abs. 3 VereinsG nunmehr unmittelbar seine und die Rechte seiner Mitglieder, indem auch ihm nunmehr im Ergebnis die Verwendung seines seit Jahrzehnten unbeanstandet geführten Kennzeichens dadurch verboten werde, dass hier eine Verwendung in im Wesentlicher gleicher Form ausreiche, ohne dass es noch auf eine wie auch immer geartete Identifikation mit dem Zweck des verbotenen Vereins ankomme, und eine abweichende Orts- oder Regionalbezeichnung als Unterscheidungsmerkmal nicht mehr ausreichen solle. Durch die Erstreckung der Rechtsfolgen des § 9 Abs. 3 VereinsG auf sämtliche selbständigen und nicht verbotenen Vereine sei die Verhältnismäßigkeit der Ordnungsverfügung entfallen.
Rz. 3
Zugleich hat der Antragsteller um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Mit seinem Hauptantrag begehrt er die Feststellung, dass die Verbotsverfügung vom 21. Oktober 1983 zumindest ihm gegenüber nicht bestandskräftig und daher deren faktischem Vollzug in Gestalt einer Verfolgung von Verstößen gegen § 9 Abs. 3 VereinsG entgegenzutreten sei. Insoweit sei er antragsbefugt, da die Verbotsverfügung infolge der Änderung dieser Norm nunmehr Tatbestandswirkung auch für ihn und seine Mitglieder entfalte. Er verfüge auch über das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da die erhobene Klage nicht offensichtlich unzulässig sei. Aus den vorstehenden Erwägungen sei er klagebefugt. Die Klagefrist habe ihm gegenüber zu keinem Zeitpunkt zu laufen begonnen, da ihm die Verbotsverfügung nicht bekanntgegeben worden sei. Eine Bekanntgabe sei insbesondere nicht durch die Bekanntmachung des verfügenden Teils im Bundesanzeiger erfolgt. Der Hauptantrag sei auch begründet, da die Verbotsverfügung aus demselben Grund ihm gegenüber nicht in Bestandskraft erwachsen sei. Am 11. Dezember 2017 hat er hilfsweise beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 21. Oktober 1983 für ihn wiederherzustellen. Die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung sei ihm gegenüber bereits formell rechtswidrig angeordnet worden. Dessen ungeachtet überwiege sein Aussetzungsinteresse das öffentliche Vollzugsinteresse.
Rz. 4
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, der Hauptantrag sei unzulässig. Zur Begründung führt sie unter anderem aus, der Antragsteller sei bereits nicht antragsbefugt, da ein Eingriff in seine Rechte nicht durch das Vereinsverbot, sondern allein durch das in § 9 Abs. 3 VereinsG statuierte Kennzeichenverbot bewirkt werde. Zudem fehle ihm das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis, da er seine Rechtsposition durch die mit dem Hauptantrag begehrte Feststellung nicht verbessern könne.
II
Rz. 5
1. Der Senat wertet die Anträge des Antragstellers ihrem sachlichen Gehalt nach (§ 88 VwGO) als Begehren, nach § 80 VwGO die aufschiebende Wirkung seiner Klage vom 7. November 2017 gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 1983 festzustellen oder wiederherzustellen. Nur insoweit ist das Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig. Nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO entscheidet es im ersten und letzten Rechtszug (nur) über Klagen gegen die vom Bundesminister des Innern nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5. August 1964 (BGBl. I S. 593), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 419), - VereinsG - ausgesprochenen Vereinsverbote und nach § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG erlassenen Verfügungen (Verbot der Bildung von Ersatzorganisationen). Die mit "Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz" überschriebene Antragsschrift vom 7. November 2017 knüpft an die vom Antragsteller gegen das Verbot der Vereinigung "Hell‘s Angels Motor-Club e.V." Hamburg gerichtete Anfechtungsklage gegen die Verbotsverfügung vom 21. Oktober 1983 an und macht der Sache nach geltend, dass dieses Verbot mangels Bestandskraft ihm gegenüber nicht bestands- oder rechtskräftig oder jedenfalls die aufschiebende Wirkung der Klage gegen dieses Verbot wiederherzustellen sei. Von der Verbotsverfügung unabhängige, allein auf die Wirkungen des § 9 Abs. 3 VereinsG gerichtete Begehren werden weder ausdrücklich noch sinngemäß geltend gemacht; es ist daher nicht zu vertiefen, dass für solche Begehren der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht sachlich zuständig wäre.
Rz. 6
2. Sowohl der Hauptantrag als auch der Hilfsantrag sind indes unzulässig, da es dem Antragsteller hinsichtlich beider Begehren an der Antragsbefugnis mangelt (2.1) und auch kein zulässiger Rechtsbehelf eingelegt worden ist, an den Anordnungen nach § 80 VwGO anknüpfen könnten (2.2). Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG zwingt nicht zu einem abweichenden Ergebnis (2.3).
Rz. 7
2.1 Dem Antragsteller ist schon deswegen kein Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO (analog) in Bezug auf die Verbotsverfügung vom 21. Oktober 1983 zu gewähren, weil er durch diese Verfügung nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO in eigenen Rechten verletzt wird und es ihm daher auch für das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO an der erforderlichen Antragsbefugnis fehlt (§ 42 Abs. 2 VwGO [analog]).
Rz. 8
a) Der Antragsteller ist nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Adressat der angefochtenen Verfügung des Bundesministers des Innern vom 21. Oktober 1983. Dies ist allein der "Hell’s Angels Motor-Club e.V." Hamburg. Dieser allein ist derjenige Beteiligte, an den der Bundesminister des Innern den Verwaltungsakt richten wollte und gerichtet hat. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Feststellung, dass Zweck und Tätigkeit des Vereins den Strafgesetzen zuwider laufen (Ziff. 1 der Verfügung) und der Verein verboten ist (Ziff. 2 der Verfügung), als auch hinsichtlich des Verbotes, "seine" Kennzeichen zu verbreiten und öffentlich oder in einer Versammlung zu verwenden (Ziff. 3 der Verfügung). Eine Adressatenstellung des Antragstellers folgt nicht aus dem Umstand, dass die Feststellung des Verbotenseins einer Vereinigung für und gegen jedermann wirkt (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1978 - 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 ≪177≫) und sich dementsprechend auch das akzessorische gesetzliche Kennzeichenverbot aus § 9 Abs. 1 VereinsG an jedermann, mithin auch an Mitglieder nicht verbotener Vereine richtet (Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz (VereinsG), 2014, § 9 Rn. 3; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, August 2017, § 9 VereinsG Rn. 4; Groh, in: Groh, Vereinsgesetz, 2012, § 9 Rn. 1; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 9 VereinsG Rn. 13; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 9 Rn. 1). Derjenige, der durch den erlassenen Verwaltungsakt nur im Wege der Drittwirkung in seinen Rechten betroffen werden kann, ist jedenfalls nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG Adressat desselben (Ritgen, in: Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, § 13 Rn. 28; Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 13 Rn. 21).
Rz. 9
b) Als Drittbetroffener ist er im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO nur dann zur Antragstellung befugt, wenn er sein gegen die Verbotsverfügung selbst gerichtetes Begehren auf eine öffentlich-rechtliche Norm zu stützen vermag, die nach dem in ihr enthaltenen Entscheidungsprogramm auch ihn als Dritten schützt. Maßgeblich ist, ob sich aus individualisierenden Tatbestandsmerkmalen der Norm ein Personenkreis entnehmen lässt, der sich hinreichend von der Allgemeinheit unterscheidet. Die Verletzung eigener Rechte durch den angegriffenen Verwaltungsakt muss auf der Grundlage des Antragsvorbringens möglich, d.h. sie darf nicht offensichtlich und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen sein (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2011 - 6 C 2.10 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 3 Rn. 14). Im letzteren Sinne verhält es sich hier. Die von dem Antragsteller vorgetragenen Tatsachen rechtfertigen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt die Annahme, dass ihm aus dem von ihm allein in Bezug genommenen § 9 Abs. 3 VereinsG oder aus Art. 9 Abs. 1 GG in der gegebenen Konstellation ein subjektiv-öffentliches Recht erwächst.
Rz. 10
aa) Eine dem verbotenen Verein nicht eingegliederte selbständige Organisation ist zur Anfechtung einer gegenüber dem Verein ergangenen Verfügung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG schon deshalb nicht antragsbefugt, weil sie sich mit ihrem Rechtsbehelf gegen einen Verwaltungsakt wendet, der ihre Rechtsstellung nicht unmittelbar betrifft (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. Juli 1974 -1 A 10.72 - Buchholz 402.45 Vereinsrecht Nr. 1 S. 3 f.).
Rz. 11
Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt. Allein deren Rechtsstellung ist durch die Verbotsverfügung betroffen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, kann es sich insoweit nur um Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit handeln. Eine Gruppierung, die die Merkmale des Vereinsbegriffs im Sinne von Art. 9 Abs. 1 GG und § 2 Abs. 1 VereinsG nicht erfüllt, aber als Verein und deshalb rechtswidrig mit einer vereinsrechtlichen Verfügung belegt wird, wird durch sie in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt und kann diese Verfügung ebenfalls in zulässiger Weise anfechten (BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 Rn. 15). Von dem Vereinsverbot erfasste Teilorganisationen können die Verbotsverfügung nur mit der Begründung anfechten, keine Teilorganisation zu sein (BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2003 - 6 VR 13.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 38 S. 62 f. m.w.N.). Nur ausnahmsweise können auch einzelne Personen, zu deren Händen eine Verbotsverfügung ergangen ist, nach § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung dieser Verfügung befugt sein, wenn sie geltend machen, die Existenz eines Vereins sei von vornherein ausgeschlossen und die Verfügung betreffe sie daher in ihrer persönlichen Rechtsstellung (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. Juli 2010 - 6 B 20.10 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 54 m.w.N.). Nichtmitglieder der Vereinigung sind zur Anfechtung des Verbots nicht befugt (BVerwG, Beschluss vom 2. März 2001 - 6 VR 1.01 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 34 S. 34).
Rz. 12
Letzteres gilt auch für selbständige Organisationen, die dem verbotenen Verein nicht eingegliedert sind. Die Feststellung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG betrifft nicht deren Rechtsstellung, sondern allein die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung.
Rz. 13
bb) Das als Rechtsfolge einer mit einer Feststellung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG einhergehende Kennzeichenverbot bewirkt, soweit es auch die Rechtsstellung des Antragstellers zu berühren geeignet ist, keine Antragsbefugnis mit Blick auf eine etwaige Verletzung seiner in Art. 9 Abs. 1 GG verfassten Rechte (vgl. etwa BVerfG, Beschlüsse vom 15. Juni 1989 - 2 BvL 4/87 - BVerfGE 80, 244 ≪253≫ und vom 9. Oktober 1991 - 1 BvR 397/87 - BVerfGE 84, 372 ≪378 f.≫). Eine mögliche Beeinträchtigung eines aus Art. 9 Abs. 1 GG folgenden Rechts zur Verwendung eigener Vereinskennzeichen würde nicht unmittelbar durch die angegriffene Verbotsverfügung bewirkt, sondern gründete gesetzesunmittelbar auf § 9 Abs. 3 VereinsG und rechtfertigte jedenfalls nicht die Anfechtung einer Feststellung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG.
Rz. 14
(1) Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 VereinsG dürfen Kennzeichen des verbotenen Vereins für die Dauer der Vollziehbarkeit des Verbots nicht mehr öffentlich oder in einer Versammlung verwendet werden. Eine Verletzung eigener Rechte durch dieses Verbot macht der Antragsteller nicht geltend, soweit es die Verwendung eines mit dem Kennzeichen des verbotenen Vereins vollständig identischen Kennzeichens betrifft; es ist auch sonst nicht ersichtlich.
Rz. 15
(2) Die Möglichkeit der Verletzung eigener Rechte des Antragstellers durch die Verbotsverfügung selbst ergibt sich auch nicht aus der entsprechenden Anwendung des Verbots des § 9 Abs. 1 VereinsG auf die Verwendung von Kennzeichen "mit im Wesentlichen gleicher Form" (§ 9 Abs. 3 VereinsG), und zwar unabhängig von der Beantwortung der Frage, ob der Antragsteller solche "im Wesentlichen" gleiche Kennzeichen verwendet (hat) oder verwenden will. Dieses Verbot ist nicht Regelungsgegenstand, sondern gesetzesunmittelbare Rechtsfolge einer gegen einen anderen Verein gerichteten Verfügung nach § 3 Abs. 1 VereinsG, ohne dass hieraus eine Klage- bzw. Antragsbefugnis folgte.
Rz. 16
(a) § 9 Abs. 3 VereinsG wurde durch das Gesetz zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus vom 9. Januar 2002 (Terrorismusbekämpfungsgesetz) (BGBl. I S. 361) mit Wirkung zum 1. Januar 2002 eingefügt. Danach galt § 9 Abs. 1 VereinsG entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen, die Zielrichtung des verbotenen Vereins teilenden Vereinen verwendet werden. Die Vorschrift hat durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 419) mit Wirkung vom 16. März 2017 eine Änderung dergestalt erfahren, dass gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 VereinsG § 9 Abs. 1 VereinsG entsprechend für Kennzeichen eines verbotenen Vereins gilt, die in im Wesentlichen gleicher Form von anderen nicht verbotenen Teilorganisationen oder von selbständigen Vereinen verwendet werden, und nach § 9 Abs. 3 Satz 2 VereinsG ein Kennzeichen eines verbotenen Vereins insbesondere dann in im Wesentlichen gleicher Form verwendet wird, wenn bei ähnlichem äußerem Gesamterscheinungsbild das Kennzeichen des verbotenen Vereins oder Teile desselben mit einer anderen Orts- oder Regionalbezeichnung versehen wird; entfallen ist das "subjektive" Merkmal, dass die kennzeichenverwendende Vereinigung auch eine "die Zielrichtung des verbotenen Vereins teilende" sein muss. Ob es sich bei diesen Änderungen lediglich um Klarstellungen gehandelt hat (BT-Drs. 14/7386 S. 48 f.; BT-Drs. 14/7727 S. 5; kritisch BGH, Urteil vom 9. Juli 2015 - 3 StR 33/15 - BGHSt 61, 1 Rn. 27), bedarf hier keiner Klärung.
Rz. 17
Bereits dem Wortlaut sowohl des § 9 Abs. 1 Satz 1 als auch des § 9 Abs. 3 Satz 1 und 2 VereinsG ist zu entnehmen, dass das Kennzeichenverbot als gesetzliches Verbot ausgestaltet ist. Es wird durch die Verbotsverfügung selbst als Rechtsfolge des Verbots ausgelöst, ist aber keine "Umsetzung" der Verbotsverfügung und muss in dieser auch nicht konstitutiv ausgesprochen werden. Eine entsprechende Wiedergabe in einer Verbotsverfügung - wie sie in der Verfügung vom 21. Oktober 1983 in Bezug auf die Kennzeichen allein der verbotenen Vereinigung ausgesprochen worden ist - weist keinen regelnden Charakter auf. Dem entspricht es, dass Verstöße gegen das Kennzeichenverbot einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit darstellen und mittels der ordnungsbehördlichen oder polizeilichen Generalklausel unterbunden werden können (Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz (VereinsG), 2014, § 9 Rn. 23; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, August 2017, § 9 VereinsG Rn. 24; Groh, in: Groh, Vereinsgesetz, 2012, § 9 Rn. 1; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 9 VereinsG Rn. 43; Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 9 Rn. 7).
Rz. 18
Auch systematisch ist zu differenzieren zwischen einerseits der Feststellung der Verwirklichung eines Verbotsgrundes und der Anordnung der Auflösung des Vereins, jeweils nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, der Beschlagnahme und der Einziehung, jeweils nach § 3 Abs. 1 Satz 2 VereinsG, und andererseits der Feststellung des Verbotenseins des Vereins ebenfalls gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, dem Ausspruch des Verbots nach § 8 Abs. 1 VereinsG, Ersatzorganisationen zu bilden oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen, und dem Ausspruch des Kennzeichenverbots nach § 9 VereinsG. Während jenen konstitutive Bedeutung beizumessen ist, handelt es sich bei diesen um deklaratorische Hinweise auf gesetzesunmittelbare Verbote (Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz (VereinsG), 2014, § 3 Rn. 15; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 3 VereinsG Rn. 117 f. und 123).
Rz. 19
Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem Sinn und Zweck des § 9 Abs. 3 VereinsG. Das Kennzeichenverbot ist der effektiven Durchsetzung des Vereinsverbotes zu dienen bestimmt. Nach innen soll es bewirken, dass die Verwendung von Organisationsmitteln, die durch ihren Symbolwert den Zusammenhalt der Vereinsmitglieder stärken, unterbunden wird (vgl. von Feldmann, Vereinigungsfreiheit und Vereinigungsverbot, Diss. 1970, S. 110). Nach außen dient es dazu, Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen und damit einem in der Öffentlichkeit anderenfalls potentiell entstehenden Eindruck entgegenzuwirken, die betreffenden Vereine vermöchten ihre Tätigkeit ungeachtet des Verbotes fortzusetzen (vgl. Schnorr, Öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 9 Rn. 1). Ebenso wie die Strafbewehrung des Vereinsverbots ist das Kennzeichenverbot ein unverzichtbares Instrument zur Bewirkung der Auflösung des verbotenen Vereins. Seine Ausgestaltung als gesetzesunmittelbares Verbot fördert maßgeblich die Realisierung der ihm innewohnenden Zweckbestimmungen.
Rz. 20
Das vorstehende Normverständnis wird durch die historisch-genetische Auslegung bekräftigt. In der Begründung des Entwurfs eines Vereinsgesetzes wird zu dessen § 9 ausgeführt, das Verwenden sonstiger Kennzeichen eines verbotenen Vereins werde zum Teil auf eine Fortsetzung des Vereins hinweisen und könne unter diesem Gesichtspunkt "ohne weiteres" verhindert und gegebenenfalls unter anderem nach § 20 VereinsG-E bestraft werden. Die öffentliche Verwendung von Kennzeichen einer verbotenen Organisation sei auch unabhängig davon, ob diese tatsächlich fortgesetzt werde, eine "so starke Provokation der öffentlichen Ordnung", dass die Behörden in solchen Fällen "ohne weiteres" das Recht zum Eingreifen erhalten müssten. Aus dem gleichen Grund sei es auch erforderlich, das Kennzeichenverbot schon mit dem Erlass der Vereinsverbotsverfügung "eintreten" zu lassen (BT-Drs. IV/430 S. 18). Insbesondere aus der letztgenannten Formulierung wird deutlich, dass die Normierung eines gesetzesunmittelbaren Verbots angestrebt wurde. In der Begründung des Entwurfs des Terrorismusbekämpfungsgesetzes wird der Zweck des § 9 Abs. 3 VereinsG, die Verwendung von Kennzeichen verbotener Vereine effektiv aus der Öffentlichkeit zu verbannen, herausgestellt und zugleich ausgeführt, dass es sich bei § 9 Abs. 1 VereinsG um ein an jedermann gerichtetes "gesetzliches Verbot" handle (BT-Drs. 14/7386 ≪neu≫ S. 48). Durch die gesetzliche Abwägung zwischen einer effektiven Eliminierung des Kennzeichens eines verbotenen Vereins und dessen Beibehaltungsinteresse und die Wertung zugunsten einer Wahrung des öffentlichen Interesses werde es leichter, Symbole und Kennzeichen aus dem öffentlichen Erscheinungsbild zu eliminieren, die in den Augen der Öffentlichkeit für die Tendenzen stünden, wegen der der Verein verboten worden sei (BT-Drs. 14/7386 ≪neu≫ S. 49). Eben diesen Zweck unterstreicht auch die Begründung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes (BT-Drs. 18/9758 S. 7 f.).
Rz. 21
(b) Nach § 9 Abs. 3 VereinsG mögliche Wirkungen eines Verbots auf die Kennzeichenverwendung selbständiger, nicht verbotener Vereinigungen sind aber bereits im Ansatz nicht geeignet, von dem Verbot nicht betroffenen Drittvereinigungen eine Befugnis zur Anfechtung des Verbots selbst zu vermitteln. Diese Wirkung ist weder geeignet, die tatbestandlichen Voraussetzungen der Verbotsfeststellung, in Bezug auf die grundsätzlich kein Ermessen eingeräumt ist (BVerwG, Urteil vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 45), zu berühren noch auf deren Verhältnismäßigkeit einzuwirken. Unverhältnismäßig kann allenfalls das an das Verbot anknüpfende (erweiterte) gesetzliche Kennzeichenverwendungsverbot sein.
Rz. 22
(c) Bei dieser Sachlage ist auf die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage nicht einzugehen, ob es für die Anwendung des § 9 Abs. 3 VereinsG eines bestands- oder rechtskräftigen Vereinsverbots bedarf oder Vollziehbarkeit hinreicht.
Rz. 23
2.2 Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist - selbständig tragend - jedenfalls auch deswegen unzulässig, weil der Rechtsbehelf in der Hauptsache, die gegen die Verbotsverfügung des Bundesministers des Innern vom 21. Oktober 1983 erhobene Anfechtungsklage, offensichtlich unzulässig ist; denn der Antragsteller hat seine Klage gegen die Verbotsverfügung vom 21. Oktober 1983 nicht innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2, § 58 Abs. 2 VwGO erhoben. Ein evident unzulässiger Rechtsbehelf vermag den Suspensiveffekt des § 80 Abs. 1 VwGO nicht auszulösen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1992 - 7 C 24.92 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 175 S. 29 f.).
Rz. 24
a) Nach § 3 Abs. 4 Satz 2 VereinsG ist der verfügende Teil eines Vereinsverbots im Bundesanzeiger und danach im amtlichen Mitteilungsblatt des Landes bekanntzumachen, in dem der Verein seinen Sitz hat; gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG wird das Verbot mit der Zustellung, spätestens mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger wirksam und sofort vollziehbar. Diese Veröffentlichung, die nach § 7 Abs. 1 VereinsG nach der Unanfechtbarkeit des Verbots nochmals zu erfolgen hat, führt dazu, dass die in der Verfügung nach § 3 Abs. 1 VereinsG getroffene Feststellung des Verbotenseins des Vereins, die für und gegen jedermann wirkt (BT-Drs. 14/7386 (neu) S. 48; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1978 - 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 ≪177≫), öffentlich bekanntgemacht wird (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1978 - 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 ≪178 f.≫; Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch - BeckOK VwVfG, Stand 1. Oktober 2017, § 41 Rn. 91 und 94 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 136 und 139). Eine Veröffentlichung des verfügenden Teils der Verbotsanordnung vom 21. Oktober 1983 ist hier unter dem 21. Oktober 1983 im Bundesanzeiger Nr. 206/83 vom 3. November 1983 (S. 11765) bzw. unter dem 3. November 1988 im Bundesanzeiger Nr. 215/88 vom 18. November 1988 (S. 4881) ordnungsgemäß erfolgt.
Rz. 25
b) Jedenfalls § 3 Abs. 4 Satz 2 und 3 VereinsG enthält eine vereinsgesetzliche, § 41 VwVfG vorrangige Sonderregelung auch in Bezug auf eine öffentliche Bekanntgabe der Verbotsverfügung. Keine Stütze im Gesetz findet die Rechtsauffassung des Antragstellers, die Bekanntmachung im Bundesanzeiger für Personen oder Vereinigungen, an welche die Verfügung nicht adressiert sei, entfalte keine bekanntgaberechtlichen Wirkungen. § 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG zielt vielmehr ersichtlich auf die Wirksamkeit der Verfügung, die nach § 43 VwVfG an die Bekanntgabe geknüpft ist. Gerade die Veröffentlichung im Bundesanzeiger unterstreicht, dass die Bekanntgabe inter omnes wirkt.
Rz. 26
Dies folgt auch aus dem Zweck der Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Die in § 3 Abs. 4 Satz 2 VereinsG statuierte Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung dient der Sicherheit des Rechtsverkehrs und dem Interesse der Allgemeinheit insbesondere an der Kenntnis von der Beschlagnahme und der Einziehung des Vermögens des verbotenen Vereins. Sie vermittelt zudem eine verlässliche Grundlage für die strafgerichtliche Beurteilung etwaiger Verstöße gegen ein Vereinsverbot (BT-Drs. IV/430 S. 16 und 17; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1978 - 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 ≪179≫). Aus § 3 Abs. 4 Satz 3 VereinsG folgt, dass die nach Maßgabe des § 3 Abs. 4 Satz 2 VereinsG zu bewirkende öffentliche Bekanntmachung zudem Wirksamkeitsvoraussetzung in Bezug auf solche Betroffene ist, denen die Verfügung nach § 3 Abs. 1 VereinsG nicht im Wege der Zustellung bekanntgegeben wurde (Albrecht, in: Albrecht/Roggenkamp, Vereinsgesetz (VereinsG), 2014, § 3 Rn. 99; Wache, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, August 2017, § 3 VereinsG Rn. 32; Groh, in: Groh, Vereinsgesetz, 2012, § 3 Rn. 44; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 3 VereinsG Rn. 262). Der bekanntgegebene Verwaltungsakt ist für alle Betroffenen verbindlich (Bumke, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwaltungsrechts, Band II, 2008, § 35 Rn. 53); dies ist gerade nicht auf die in der Verbotsverfügung ausdrücklich genannten Adressaten beschränkt.
Rz. 27
c) Mit der Bekanntmachung im Bundesanzeiger ist das Vereinsverbot mithin auch solchen Personen oder Vereinigungen bekanntgegeben, die - ohne selbst Adressat zu sein - von der Verbotsverfügung (möglicherweise) anderweitig in ihren Rechten betroffen werden (können). Soweit die Antragsteller eine solche Betroffenheit geltend machen, müssen sie dann auch diese Bekanntmachung gegen sich gelten lassen. Mit der Bekanntmachung wird die Rechtsbehelfsfrist in Lauf gesetzt, mangels bekanntgemachter Rechtsbehelfsbelehrung hier die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO; auf Fälle einer Bekanntmachung im Bundesanzeiger ist auch nicht die Rechtsprechung zum Auseinanderfallen von Bekanntgabe und Beginn der Anfechtungsfrist bei Aufstellung bzw. Anbringung von Verkehrszeichen (BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 - 3 C 37.09 - BVerwGE 138, 21) übertragbar. Der Lauf der Frist beginnt mit der öffentlichen Bekanntmachung auch dann, wenn die Möglichkeit einer Betroffenheit in eigenen Rechten im Zeitpunkt der Bekanntgabe (noch) nicht bestand. Innerhalb der 1983 in Lauf gesetzten Jahresfrist hat der Antragsteller Klage nicht erhoben; Klage und Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz sind vielmehr erst etwa 34 Jahre nach der Bekanntmachung bei dem Bundesverwaltungsgericht eingegangen. Eine - hier auch nicht beantragte - Wiedereinsetzung scheidet jedenfalls nach § 60 Abs. 3 VwGO aus.
Rz. 28
d) Die Rechtsbehelfsfrist ist auch nicht nachträglich, etwa mit dem Inkrafttreten der Erweiterung des § 9 Abs. 3 VereinsG durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes vom 10. März 2017 (BGBl. I S. 419) mit Wirkung vom 16. März 2017, erneut in Lauf gesetzt worden. Umstände, die erst nach Eintritt der Unanfechtbarkeit die Betroffenheit eines Dritten erstmals begründen, beseitigen die einmal eingetretene Bestandskraft nicht (Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch - BeckOK VwVfG, Stand 1. Oktober 2017, § 41 Rn. 91 und 94 f.; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 139).
Rz. 29
e) Nicht nachzugehen ist der Frage, welche Folgerungen sich daraus ergeben, dass die Verbotsverfügung spätestens mit der Abweisung der seitens des unmittelbar betroffenen Vereins erhobenen Klage durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 1988 (- 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299) unanfechtbar und formell bestandskräftig geworden ist.
Rz. 30
2.3 Das Gebot eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) gebietet oder ermöglicht keine andere Beurteilung der Antragsbefugnis in Bezug auf die Verbotsverfügung oder die Frage der Bestandskraft auch für den Antragsteller.
Rz. 31
a) Die Reichweite der formellen Bestandskraft nach öffentlicher Bekanntmachung birgt allerdings Rechtsschutzprobleme in Fällen, in denen eine Person oder Vereinigung erst von einem Verwaltungsakt betroffen wird, nachdem dieser Verwaltungsakt ihr gegenüber formell bestandskräftig geworden ist (Tiedemann, in: Bader/Ronellenfitsch - BeckOK VwVfG, Stand 1. Oktober 2017, § 41 Rn. 95; Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 140 f.). Das Festhalten an der formellen Bestandskraft erschwert dem Antragsteller den Zugang zum Gericht indes nicht in einer im Lichte des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. November 1989 - 1 BvR 1011/88 - BVerfGE 81, 123 ≪129≫ m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2016 - 1 C 23.15 - Buchholz 402.242 § 10 AufenthG Nr. 6 Rn. 20). Soweit er - entgegen den Ausführungen zu 2.1 - erstmals durch die Erweiterung des § 9 Abs. 3 VereinsG im März 2017 in eigenen Rechten betroffen sein sollte, muss von Verfassungs wegen Abhilfe nicht durch einen neuerlichen Lauf der Rechtsbehelfsfrist geschaffen werden. Hierfür reichten dann Wiederaufgreifensansprüche, die zunächst gegenüber der Verbotsbehörde geltend zu machen wären, aus (vgl. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 41 Rn. 140; s.a. OVG Bautzen, Urteil vom 8. Mai 2003 - 1 B 85/02 - SächsVBl. 2003, 221).
Rz. 32
b) Eine Antragsbefugnis des Antragstellers folgt aus den zu 2.1 genannten Gründen auch nicht daraus, dass er auf Grund der Neufassung des § 9 Abs. 3 VereinsG nunmehr unmittelbar von den "Fernwirkungen" einer Verbotsverfügung betroffen wird, gegen die er nicht selbst mit Aussicht auf Erfolg um Rechtsschutz nachsuchen konnte.
Rz. 33
Der Erlass einer Verbotsverfügung ist Voraussetzung für ein Verwendungsverbot der Kennzeichen der verbotenen Vereinigung; mit Blick auf die Rechtskraft jedenfalls in Bezug auf die verbotene Vereinigung selbst kann auch hier offenbleiben, ob für die Wirkungen des § 9 Abs. 3 VereinsG ein bereits vollziehbares Verbot ausreicht. Die nach § 9 Abs. 3 VereinsG gesetzesunmittelbare Erstreckung der Wirkung des Verbots der Verwendung der Kennzeichen der verbotenen Vereinigung durch entsprechende Anwendung des § 9 Abs. 1 VereinsG knüpft an den Erlass des Verbots an, ohne damit selbst die (potentiell) von einer entsprechenden Anwendung betroffene selbständige Vereinigung in ihren Rechten zu verletzen. Soweit eine durch die Erstreckungswirkung betroffene Kennzeichenverwendung einer von dem Verbot selbst nicht erfassten Vereinigung nach § 9 Abs. 3 VereinsG durch eine Ordnungsverfügung durchgesetzt wird, kann hiergegen um Rechtsschutz nachgesucht werden.
Rz. 34
Angesichts der Strafdrohung in § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5, Satz 2 VereinsG kann der Antragsteller (bzw. dessen Mitglieder) allerdings nicht darauf verwiesen werden, die gegen die Verfassungsmäßigkeit und die Anwendung des § 9 Abs. 3 VereinsG geltend gemachten Bedenken (vgl. zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 9 Abs. 3 VereinsG einerseits etwa Groh, Stellungnahme zu dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vereinsgesetzes, A-Drs. 18(4)726 E, und andererseits etwa Albrecht, jurisPR-StrafR 7/2017 Anm. 4, und Albrecht, Legal Tribune Online vom 5. Oktober 2016, https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/rocker-kriminalitaet-kennzeichen-verbot-verschaerfung-vereinsrecht/) in einem Strafverfahren zur gerichtlichen Prüfung zu stellen. Dies hindert ihn aber nicht daran, etwa im Vorgriff auf eine Ordnungsverfügung, mit der das Kennzeichenverbot des § 9 Abs. 3 VereinsG ihm gegenüber durchgesetzt wird, oder auf ein Strafverfahren negative Feststellungsklage gegen die Anwendung des Kennzeichenverbots auf die von dem Antragsteller geführten Kennzeichen bei dem örtlich und instanziell zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben und diese mit einem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutz zu verbinden (BVerfG, Beschluss vom 7. März 2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - NVwZ 2017, 1111 Rn. 86), sofern nicht eine Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Gesetz in Betracht kommt.
Rz. 35
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 45 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG, Nr. 1.5 und 45.1.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Fundstellen
Haufe-Index 11572208 |
DÖV 2018, 453 |
JZ 2018, 273 |