Verfahrensgang
Thüringer OVG (Aktenzeichen 3 KO 398/99) |
Tenor
Der Beschluss des Thüringer Oberverwaltungsgerichts vom 6. Dezember 2000 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt der vorbehaltenen Kostenentscheidung in der Hauptsache.
Gründe
Die Beschwerde ist mit der Rüge eines Verfahrensmangels wegen der Verletzung des rechtlichen Gehörs der Kläger (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, Art. 103 GG) zulässig und begründet. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung wird die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beschwerde sieht einen Verfahrensverstoß zu Recht darin, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 20. Juni 2000 nicht in der gebotenen Weise zur Kenntnis genommen und erwogen und dementsprechend auch den Beweisantrag verfahrensfehlerhaft abgelehnt hat. Die Kläger haben auf die Anhörung nach § 130 a VwGO mit diesem Schriftsatz vorgetragen, sie gehörten zur Volksgruppe der Ashkali und müssten bei einer Rückkehr in den Kosovo mit Verfolgung durch die albanische Bevölkerungsmehrheit rechnen. Sie hätten sich im bisherigen Verfahren nicht auf diese Volkszugehörigkeit berufen, weil sie sich als von den Serben verfolgte Albaner gefühlt hätten und die Übergriffe auf die Minderheit der Ashkali durch die Albaner erst im Sommer/Herbst 1999 begonnen hätten. Zum Beweis für ihre Volkszugehörigkeit haben sie die Einholung eines Gutachtens der Gesellschaft für bedrohte Völker und des Zentralrates deutscher Roma und Sinti beantragt. Nach erneuter Anhörung nach § 130 a VwGO hat das Oberverwaltungsgericht der Berufung des Bundesbeauftragten stattgegeben und die Klage der Kläger auf Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG abgewiesen. Den Vortrag der Kläger zu ihrer Volkszugehörigkeit hat es als pauschal und unsubstantiiert bezeichnet und ausgeführt, tatsächliche Anhaltspunkte, weswegen die Kläger nach ihrer Herkunft zu der Teilgruppe der Ashkali innerhalb der heterogenen Roma-Bevölkerung im Kosovo gehören könnten, für die eine Gefährdung nicht von vornherein auszuschließen sei, lasse ihr Vortrag nicht erkennen. Im Verwaltungsverfahren und im bisherigen gerichtlichen Verfahren sei davon nicht die Rede gewesen. Die Kläger hätten deshalb allen Anlass gehabt, tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorzutragen, weswegen sie sich zur Volksgruppe der Ashkali zählen. Die nicht einmal ansatzweise vertiefte Behauptung, die beiden im Kosovo verbliebenen Kinder der Kläger zu 1 und 2 sowie die Eltern des Klägers zu 1 seien nach Mazedonien „vertrieben” worden, trage dazu nichts bei. Der Beweisantrag sei unter diesen Umständen abzulehnen, da die Kläger die beweisbedürftige Tatsache nicht im Sinne einer Schlüssigkeitsprüfung hätten verdeutlichen können (BA S. 21 f.).
Diese Ausführungen zeigen, dass das Berufungsgericht das Vorbringen der Kläger im Schriftsatz vom 20. Juni 2000 nur unzureichend zur Kenntnis genommen und erwogen hat. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht den ihm unterbreiteten Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in seine Erwägungen einbezogen hat, auch wenn es sich in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich mit jedem Gesichtspunkt auseinander gesetzt hat. Etwas anderes gilt aber, wenn es auf den wesentlichen Kern des Vorbringens der Kläger nicht eingeht. Das ist hier der Fall, weil das Berufungsgericht auf die in dem genannten Schriftsatz angeführten Gründe, warum die Kläger sich erst jetzt auf ihre Zugehörigkeit zur Minderheit der Ashkali berufen haben und warum es keine eindeutig zu belegenden Merkmale für die Angehörigen dieser auch als „Albaner zweiter Klasse” bezeichneten Volkszugehörigen gebe, nicht eingegangen ist. Diese Gesichtspunkte waren für die Beurteilung der Substantiierung des Tatsachenvorbringens aber wesentlich, da das Berufungsgericht selbst maßgeblich darauf abgestellt hat, dass die Kläger sich nicht schon früher auf diese Volkszugehörigkeit berufen und keine tatsächlichen Anhaltspunkte hierfür vorgetragen hätten. Von der tatrichterlichen Bewertung dieses Vorbringens der Kläger hängt es auch ab, ob das Berufungsgericht den Beweisantrag mit der Begründung als unsubstantiiert ablehnen durfte, dass von den Klägern die Behauptung konkreter Einzeltatsachen zu der geltend gemachten Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ashkali zu erwarten gewesen wäre. Unter den hier gegebenen Umständen hätte sich das Berufungsgericht deshalb trotz der teilweise ungeordneten und weitschweifigen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 20. Juni 2000 mit diesem Kern des Vorbringens der Kläger auseinander setzen müssen.
Auf die weiteren Rügen der Beschwerde, die im Übrigen unstrukturiert und nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechend erhoben worden sind, braucht nicht mehr eingegangen zu werden.
Unterschriften
Dr. Paetow, Beck, Dr. Eichberger
Fundstellen