Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Dienstdauer bei Lehrern. Entlastungsstunden, Neuregelung von – nicht mitbestimmungspflichtig
Normenkette
HmbPersVG § 86
Verfahrensgang
Hamburgisches OVG (Beschluss vom 18.01.1983; Aktenzeichen Bs PH 9/82) |
VG Hamburg (Beschluss vom 20.08.1982; Aktenzeichen 1 VG FL 33/81) |
Tenor
Der Beschluß des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 18. Januar 1983 und der Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 20. August 1982 werden aufgehoben. Der Antrag wird abgelehnt.
Tatbestand
I.
In Hamburg wird die Unterrichtsverpflichtung von Lehrern an Gesamtschulen, denen innerhalb der Schule neben ihren Unterrichtsaufgaben weitere Aufgaben übertragen worden sind, durch sog. Entlastungsstunden verringert. Im Juli 1981 teilte die Behörde für Schule und Berufsbildung dem Personalrat für das pädagogische Personal an Gesamtschulen, dem Antragsteller, mit, daß zum 1. August 1981 eine Neuregelung der Entlastungsstunden für alle Gesamtschulen beabsichtigt sei, nach der diese Stunden für Schulleiter und deren Stellvertreter in einer Gesamtzahl zusammengefaßt werden sollten, die für Schulen mit 25 bis 36 Klassen auf 35 und für Schulen mit 18 bis 24 Klassen auf 27 Stunden festgesetzt werden solle. Für Abteilungsleiter mit 18 Klassen (der Jahrgangsstufen 5 bis 7) solle es bei 16 Entlastungswochenstunden verbleiben; für Abteilungsleiter mit weniger Klassen solle sich die Anzahl der Entlastungswochenstunden jeweils entsprechend der geringeren Anzahl der Klassen bis auf die Mindestzahl von 12 Entlastungswochenstunden verringern. Der Antragsteller lehnte seine hierzu vorn Amt für Schule erbetene Zustimmung mit der Begründung ab, die beabsichtigte Neuregelung benachteilige die mit besonderen Aufgaben betrauten Lehrer an kleineren Gesamtschulen und Abteilungen.
In dem daraufhin eingeleiteten Schlichtungsverfahren zog der Vorsitzende der Schlichtungsstelle die Befugnis des Antragstellers zur Mitbestimmung an der Festlegung der Entlastungsstunden unter Hinweis auf § 86 Abs. 2 HmbPersVG in Zweifel. Der Antragsteller hat daraufhin das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet und beantragt,
festzustellen, daß die vorgesehene Regelung der Entlastungsstunden für Leitungsgruppen an Gesamtschulen seiner Mitbestimmung unterliegt.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag hinsichtlich der Festlegung der Entlastungsstunden für Schulleiter und deren Stellvertreter stattgegeben und ihn im übrigen abgelehnt. Auf die Beschwerden des Antragstellers und des Präses der Behörde für Schule und Berufsbildung, des Beteiligten, hat das Beschwerdegericht diese Entscheidung dahin abgeändert, daß die Festlegung der Entlastungsstunden für Leitungsgruppen an Gesamtschulen insoweit der Mitbestimmung unterliegt, als die Entlastungsstunden für Schulleiter, stellvertretende Schulleiter und Abteilungsleiter gegenüber der bisherigen Regelung verringert werden. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht im wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
Die Befugnis des Antragstellers, bei Regelungen, die die Dienstdauer beeinflussen, mitzubestimmen (§ 86 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG), erstrecke sich auf die Neuregelung der Entlastungsstunden, soweit diese zu einer Verringerung der Zahl der Entlastungsstunden für Schulleiter, stellvertretende Schulleiter und Abteilungsleiter führe, weil sich diese Verringerung der Zahl der Entlastungsstunden auf die Länge der Dienstdauer für diese Gruppen von Beschäftigten unmittelbar auswirke. Das Mitbestimmungsrecht des Antragstellers werde insoweit auch nicht durch § 86 Abs. 2 HmbPersVG ausgeschlossen. Denn die Neuregelung lasse sich nicht unter den in dieser Vorschrift verwendeten Begriff „Aufteilung der Arbeitszeit” unterordnen; sie bewirke nicht nur eine Umverteilung der Arbeitszeit für Unterrichts- und Verwaltungstätigkeit, sondern durch sie werde einseitig die Unterrichtsverpflichtung der betroffenen Lehrer heraufgesetzt, während deren Verwaltungsaufgaben unverändert blieben. Eine Regelung, die sich darauf beschränke, die Unterrichtsverpflichtung zu erhöhen, verteile die Arbeitszeit nicht, sondern teile sie zu. Dabei sei im Hinblick darauf, daß weder die neben dem Unterricht zu erfüllenden Aufgaben der Schul- und Abteilungsleiter abschließend festgelegt worden seien, noch der zur Erledigung dieser Aufgaben erforderliche Zeitaufwand feststehe, nicht auszuschließen, daß die mit der Verringerung der Entlastungsstunden verbundene Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung zu einer Überschreitung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit führe. Das schließe es aus, eine solche Regelung lediglich als Aufteilung der Arbeitszeit anzusehen.
Auch unter den in § 86 Abs. 2 HmbPersVG verwendeten Begriff „Stundenverteilung” lasse sich die Maßnahme nicht unterordnen. Er bezeichne ebenfalls lediglich die Verteilung, nicht auch die Zuteilung von Stunden.
Da der Wortlaut des § 86 Abs. 2 HmbPersVG eindeutig sei und kein Anhaltspunkt dafür bestehe, daß der Gesetzgeber das, was er habe regeln wollen, nicht richtig oder nicht vollständig zum Ausdruck gebracht habe, sei es für die Anwendung der Vorschrift ohne Belang, daß während der parlamentarischen Behandlung des Hamburgischen Personalvertretungsgesetzes von einigen Abgeordneten habe erreicht werden sollen, daß die Verringerung von Entlastungsstunden ohne die Mitbestimmung der Personalräte möglich werde. Diese Zielvorstellung habe in der Vorschrift keinen Ausdruck gefunden und sei deswegen nicht zu berücksichtigen.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten, mit der er die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegende Auslegung des § 86 HmbPersVG rügt. Er meint, das Beschwerdegericht habe die mit der Neuregelung der Entlastungsstunden angestrebte geänderte Verteilung der Arbeitszeit der betroffenen Lehrer zu Unrecht als eine Regelung angesehen, welche zugleich die Dienstdauer im Sinne des § 86 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG beeinflusse. Unter Arbeitszeit im Sinne des Absatzes 2 der Vorschrift sei die gesamte wöchentliche Regelarbeitszeit zu verstehen, die sich bei Lehrern aus den zeitlich gebundenen Unterrichtsstunden und den zeitlich nicht gebundenen sonstigen Arbeitszeiten zusammensetze.
Durch die Neuregelung der Entlastungsstunden werde lediglich die Verteilung dieser Zeiträume innerhalb der – unveränderten – Wochenarbeitszeit berührt. Zu einer Verlängerung der Dienstdauer führe die Maßnahme nur, wenn die dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegende Annahme zutreffe, daß die erhöhte Unterrichtsverpflichtung nicht durch eine Verringerung des Zeitaufwandes für Verwaltungsaufgaben der betreffenden Lehrer ausgeglichen werde. Diese Annahme sei jedoch unrichtig, wie sich schon daraus ergebe, daß das Beschwerdegericht an anderer Stelle selbst feststelle, der Zeitaufwand der Lehrer für Verwaltungsaufgaben habe sich jedenfalls bei geringeren Klassenzahlen verringert. Daß sich das Beschwerdegericht außerstande gesehen habe, das Ausmaß der Verringerung zu „quantifizieren”, beruhe darauf, daß es seiner Aufklärungspflicht insoweit nicht genügt habe, insbesondere die von dem Beteiligten hierzu angebotenen Beweise nicht erhoben habe. Die vom Beteiligten wiederholt angeregte Beweisaufnahme hätte ergeben, daß die Neuregelung der Entlastungsstunden lediglich die Folgerung aus dem vorausgegangenen Rückgang des Zeitaufwandes für Verwaltungsaufgaben gewesen sei.
Der Beteiligte beantragt sinngemäß,
den Beschluß des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts – Fachsenat für Personalvertretungssachen – vom 18. Januar 1983 und den Beschluß des Verwaltungsgerichts Hamburg – Fachkammer für Personalvertretungssachen – vom 20. August 1982 aufzuheben und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Entscheidungsgründe
II.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Gleichviel, ob die von dem Beteiligten im Jahre 1981 in Aussicht genommene Neuregelung der Entlastungsstunden erfolgt ist oder nicht, bedarf es schon im Hinblick auf die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer solchen Regelung der Klärung, ob sie der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegt.
Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Das Beschwerdegericht hat den Antragsteller zu Unrecht als befugt angesehen, bei der Neuregelung der Entlastungsstunden mitzubestimmen.
Der angefochtene Beschluß beruht auf der Rechtsauffassung, die beabsichtigte Neuregelung der Entlastungsstunden sei rechtlich weder als eine „Aufteilung der Arbeitszeit für pädagogisches Personal” noch als eine „Stundenverteilung für pädagogisches Personal” anzusehen, die nach § 86 Abs. 2 Hamburgisches Personalvertretungsgesetz (HmbPersVG) i.d.F. vom 16. Januar 1979 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt S. 17) von der Mitbestimmung ausgeschlossen seien: denn mit der Kürzung und Bündelung der Entlastungsstunden gehe keine Verringerung der Verwaltungsaufgaben einher, die von den Lehrern zu erfüllen seien, welche an Gesamtschulen den sogenannten Leitungsgruppen angehörten. Diese Verwaltungsaufgaben hätten sich auch in der Zeit vor der Neuregelung nicht meßbar vermindert. Die Neuregelung erschöpfe sich deswegen im Ergebnis in der Heraufsetzung der Zahl der Unterrichtsstunden der betroffenen Lehrer, ohne diese in anderer Hinsicht zu entlasten. Darin sei die „Zuteilung von Arbeitszeit” zu erblicken, worunter das Beschwerdegericht offenbar die Übertragung zusätzlicher, Arbeitszeit in Anspruch nehmender Aufgaben verstanden wissen will. Diese „Zuteilung” sieht es als eine durch § 86 Abs. 2 HmbPersVG nicht berührte Regelung der Dienstdauer im Sinne des Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift an.
Dieser Argumentation vermag der Senat schon in ihrem tatsächlichen Ausgangspunkt nicht zu folgen. Selbst wenn mit dem Beschwerdegericht davon ausgegangen wird, daß sich die Verwaltungsaufgaben, welche den den Leitungsgruppen an Gesamtschulen angehörenden Lehrern übertragen sind, weder vor der beabsichtigten Neuregelung der Entlastungsstunden meßbar verringert hatten, noch im Zusammenhang mit der Neuregelung vermindert werden sollten, ist die beabsichtigte Kürzung und Bündelung der Entlastungsstunden weder mit einer „Zuteilung von Arbeitszeit” in dem erörterten Sinne gleichzusetzen noch notwendig mit ihr verbunden. Zwar erhöht sich die Pflichtstundenzahl der von der Kürzung und Bündelung der Entlastungsstunden betroffenen Lehrer um die Zahl der fortfallenden Entlastungsstunden. Damit ist jedoch nicht ohne weiteres eine Steigerung ihrer zeitlichen Gesamtbelastung verbunden. Für den einzelnen betroffenen Lehrer bedeutet das vielmehr nur, daß er mehr von seiner allgemeinen Arbeitszeit, die sich in die Unterrichtsstunden und die unterrichtsfreie Zeit gliedert, auf den Unterricht und dessen Vor- und Nachbereitung verwenden muß und entsprechend weniger Zeit zur Erledigung von Verwaltungsaufgaben einsetzen kann. Für die Schule hat das bei unverändertem Umfang der Verwaltungsaufgaben zur Folge, daß diese Aufgaben wegen der geringeren für sie zur Verfügung stehenden Zeit später erledigt werden können als bisher, möglicherweise zum Teil auch unerledigt bleiben müssen.
In tatsächlicher Hinsicht stellt sich die beabsichtigte Neuregelung der Entlastungsstunden mithin als eine Maßnahme des Dienstherrn dar, durch die die Unterrichtstätigkeit der den Leitungsgruppen an Gesamtschulen angehörenden Lehrer zu Lasten der Erfüllung ihrer sonstigen schulischen Aufgaben verstärkt werden soll. Damit wird, wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat, nicht einem angenommenen Rückgang des Umfangs dieser Aufgaben Rechnung getragen, sondern diese Aufgaben sollen hintangestellt werden, um mit Hilfe der dadurch gewonnenen Unterrichtskapazitäten zusätzliche Möglichkeiten zur schulischen Versorgung solcher Jugendlicher zu gewinnen, die keinen Ausbildungsplatz bekommen haben (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, 8. WP, Sten. Prot. S. 5431). Eine Verlängerung der allgemeinen täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit der betroffenen Lehrer ist nach alledem mit der Neuregelung der Entlastungsstunden weder sachnotwendig verbunden noch beabsichtigt. Die Maßnahme zielt vielmehr darauf ab, die Tätigkeit dieser Lehrer aus dem erwähnten Grund „umzuschichten” (Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg, a.a.O., S. 4594).
Aus rechtlicher Sicht stellt sich die Neuregelung danach wie folgt dar:
Sie verschiebt für diejenigen Lehrer, die von der mit ihr beabsichtigten Kürzung und Bündelung der Entlastungsstunden betroffen werden, das zeitliche Verhältnis von Unterrichtsstunden sowie deren Vor- und Nachbereitung einerseits und der Erfüllung schulischer Verwaltungsaufgaben andererseits; sie bewirkt also eine Änderung in der Aufteilung der Arbeitszeit dieser Lehrer. Die mit ihr angestrebte Annäherung der Pflichtstundenzahl der betreffenden Lehrer an den zeitlichen Umfang der Unterrichtsverpflichtung von Lehrern, die den Leitungsgruppen an Gesamtschulen nicht angehören, muß sich zugleich auf die Stundenpläne und damit auf die Stundenverteilung für diese Lehrer auswirken. Beides begründet jedoch nach der eindeutigen Regelung des § 86 Abs. 2 HmbPersVG kein Mitbestimmungsrecht des Antragstellers. Der Auffassung des Beschwerdegerichts, der Antragsteller habe gleichwohl bei der Neuregelung mitzubestimmen, weil diese in ihren tatsächlichen und rechtlichen Wirkungen über die in § 86 Abs. 2 HmbPersVG von der Mitbestimmung ausgenommenen Tatbestände hinausgreife und deswegen als eine die Dienstdauer beeinflussende und somit nach Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift der Mitbestimmung unterliegende Regelung anzusehen sei, kann sich der Senat nicht anschließen.
Als „Dienstdauer” bezeichnet § 86 Abs. 1 Nr. 1 HmbPersVG, wie eine Gesamtschau der in dieser Vorschrift zusammengefaßten Tatbestände ergibt, nicht die durch Arbeitszeitvorschriften oder Tarifverträge festgelegte allgemeine Arbeitszeit, sondern zum einen den Zeitraum, in dem die Dienststelle dem Beschäftigten zur Dienstleistung geöffnet ist, d.h. die durch die Festsetzung von Beginn und Ende und die mögliche Anordnung von Mehrarbeit, Überstunden oder Kurzarbeit bestimmte Dienstzeit an den einzelnen Tagen, und zum anderen die konkrete zeitliche Dienstleistungsverpflichtung des einzelnen Beschäftigten innerhalb dieses Zeitraumes einschließlich der auf sie anzurechnenden Pausen und Zeiten der Dienstbereitschaft. Unter die so zu verstehende „Dienstdauer” fallen bei Lehrern unmittelbar nur die Unterrichtsstunden und sonstige zeitlich festgelegte Dienstleistungen innerhalb der Schule (z.B. die Teilnahme an Konferenzen). Hinsichtlich der zu erteilenden Unterrichtsstunden wird sie für den einzelnen Lehrer durch die Pflichtstundenzahl, die sich nach der Schulart und seinem Alter bestimmt, generell festgelegt und durch die Stundentafel konkretisiert. Dieser zeitliche Rahmen wird nicht dadurch verändert, daß Lehrer, die von der Kürzung und Bündelung der Entlastungsstunden durch die Neuregelung betroffen sind, wieder näher an das ihnen eigentlich obliegende Unterrichtssoll herangeführt werden, zugleich aber – unter bewußter Inkaufnahme von Leistungseinbußen in den ihnen neben der Unterrichtsverpflichtung übertragenen Funktionen Entlastungsstunden verlieren. Das verbietet es, dem Antragsteller entgegen der Ausschlußregelung des § 86 Abs. 2 HmbPersVG gestützt auf Abs. 1 Nr. 1 der Vorschrift ein Mitbestimmungsrecht bei der Neuregelung der Entlastungsstunden einzuräumen.
Unterschriften
Prof. Dr. Gützkow, Dr. Eckstein, Dr. Schinkel, Nettesheim, Dr. Seibert
Fundstellen
Haufe-Index 1501776 |
DVBl. 1985, 445 |