Verfahrensgang
OVG Berlin (Urteil vom 21.03.2013; Aktenzeichen 80 D 15.10) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. März 2013 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision bleibt ohne Erfolg. Aus dem Beschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 VwGO, § 41 Disziplinargesetz des Landes Berlin – DiszG – und § 69 BDG vorliegt.
1. Der 1970 geborene und seit 2003 geschiedene Beklagte steht seit 1986 im Dienst des Klägers, zuletzt im Amt eines Polizeikommissars (Besoldungsgruppe A 9).
Im Januar 2003 verurteilte das Amtsgericht den Beklagten durch rechtskräftig gewordenes Urteil wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr sowie wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis. Mit rechtskräftig gewordenem Strafbefehl vom Oktober 2008 verhängte das Amtsgericht gegen den Beklagten darüber hinaus eine zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von 10 Monaten, weil er im Mai 2000 und August 2001 jeweils an einem zum Zwecke des Versicherungsbetrugs fingierten Kfz-Unfall mitgewirkt habe. Dadurch sei den Versicherungsgesellschaften ein Vermögensschaden von insgesamt ca. 5 900 EUR entstanden. Weiter führte der Beklagte im Jahr 2005 ohne dienstlichen Anlass zwei Datenabfragen in polizeilichen Informationssystemen zu seiner Person und zu einer weiteren Person durch. Außerdem räumte er ein, in der Silvesternacht 2005/2006 Kokain konsumiert zu haben. Schließlich wurden in der Wohnung des Beklagten im Januar 2006 vier Stangen (960) Zigaretten in Verpackungen ohne gültiges Steuerzeichen gefunden.
Auf die darauf gestützte Disziplinarklage hat das Verwaltungsgericht den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Dessen Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit im Wesentlichen folgender Begründung zurückgewiesen: Die fehlerhafte Unterzeichnung der Klageschrift sei durch Vorlage einer ordnungsgemäß unterzeichneten Klageschrift im Berufungsverfahren geheilt worden. Aufgrund der Anzahl und des Gewichts der Pflichtenverstöße sei der Beklagte als Beamter nicht mehr tragbar. Erschwerend wirke die Wiederholungstat beim eigennützigen Versicherungsbetrug ebenso wie das Versagen im Kernbereich seiner dienstlichen Pflichten. Der Beklagte sei vor der polizeilichen Beschuldigtenvernehmung über das Recht auf Aussageverweigerung zwar nur wegen des Betrugsverdachts belehrt worden, nicht aber wegen der weiteren Tatvorwürfe. Seine Angaben zum Vorhalt der unberechtigten Abfrage im polizeilichen Informationssystem seien gleichwohl verwertbar, weil feststehe, dass er als ausgebildeter Polizeibeamter sein Recht zu schweigen auch ohne Belehrung gekannt habe. Die Disziplinarklage stelle zudem hinreichend konkret nicht nur auf den Besitz, sondern auch auf den Erwerb der unversteuerten Zigaretten ab. Ob die insoweit vollzogenen Wohnungsdurchsuchungen am 12. Januar 2006 vor und nach seiner bis 20:20 Uhr dauernden Vernehmung auf der Polizeiwache den gesetzlichen Anforderungen entsprochen hätten, könne dahinstehen, weil der Beklagte in diese und die Beschlagnahme der Zigaretten eingewilligt habe und, davon unabhängig, ein möglicher Beweiserhebungsverstoß nicht schwer wiege. Es lägen weder ein anerkannter Milderungsgrund noch sonstige Milderungsgründe von beachtlichem Gewicht vor.
2. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch liegen die geltend gemachten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 41 DiszG, § 69 BDG) vor. Eine Divergenzrüge (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist aus dem Beschwerdevorbringen nicht ersichtlich.
a) Ob die Rüge des Beklagten, die Disziplinarklage sei nicht ordnungsgemäß erhoben, weil der formelle Mangel ihrer fehlerhaften Unterzeichnung im Berufungsverfahren nicht mehr heilbar gewesen sei, als Grundsatz- oder als Verfahrensrüge zu verstehen ist, kann dahin gestellt bleiben. Die Beschwerde kann mit beiden Rügen keinen Erfolg haben.
Die aufgeworfene Rechtsfrage zur Frage der Heilung einer mangelhaften Disziplinarklage ist durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Danach leidet eine Disziplinarklageschrift zwar an einem wesentlichen Mangel, wenn sie von einer unzuständigen Behörde oder einem Beamten erhoben wird, der nicht befugt ist, für die zuständige Behörde tätig zu werden (Urteil vom 28. Februar 2013 – BVerwG 2 C 3.12 – BVerwGE 146, 98 Rn. 58 m.w.N.). Ein solcher Mangel kann nach § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG – hier i.V.m. § 41 DiszG – indes dadurch geheilt werden, dass die zuständige Stelle (Behörde oder Dienstvorgesetzter) eine neue Disziplinarklageschrift in eigenem Namen einreicht. Dies ist auch noch im Berufungsverfahren möglich, setzt allerdings voraus, dass dem Vorgehen keine schutzwürdigen Interessen des Beamten entgegenstehen (Urteil vom 28. Februar 2013 a.a.O. Rn. 63 m.w.N. und Beschluss vom 23. September 2013 – BVerwG 2 B 51.13 – juris Rn. 7).
An diesen Maßstäben orientiert hat das Oberverwaltungsgericht in fehlerfreier Rechtsanwendung festgestellt, dass die von einem unzuständigen Beamten unterzeichnete Disziplinarklageschrift mit dem Einreichen einer neuen wortlautgleichen Klageschrift durch die zuständige Polizeivizepräsidentin geheilt worden ist. Damit steht fest, dass insoweit auch kein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO in Form eines Verstoßes gegen § 55 BDG, § 41 DiszG vorliegt.
b) Entgegen der Verfahrensrüge des Beklagten ist seine Aussage zum Vorwurf unberechtigter Abfragen in polizeilichen Informationssystemen trotz fehlender Belehrung verwertbar.
Nach § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO ist dem Beschuldigten bei seiner ersten Vernehmung durch Beamte des Polizeidienstes zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird. Danach ist es geboten, dem Beschuldigten den historischen Lebenssachverhalt mitzuteilen. Ihm ist klar zu machen, wegen welcher Art von Straftat er sich nach Auffassung des Vernehmenden strafbar gemacht hat (vgl. Erb, in Löwe-Rosenberg, StPO, Kommentar, 26. Aufl. 2007, § 163a Rn. 79 m.w.N.).
Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ist dem Beklagten von der ermittelnden Polizeibeamtin nach Belehrung über sein Recht auf Aussageverweigerung und Konsultation eines Verteidigers nur eröffnet worden, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs geführt werde. An einer Belehrung im Hinblick auf die Ermittlung wegen des Verdachts auf Verletzung des Dienstgeheimnisses hat es hingegen gefehlt.
Aus einem Verstoß gegen die Belehrungspflicht nach § 163a StPO folgt aber kein Verwertungsverbot für die Aussage, wenn der Betroffene der Verwertung nicht rechtzeitig widersprochen hat (Beschluss vom 6. August 2009 – BVerwG 2 B 45.09 – Buchholz 235 § 26 BDO Nr. 3 Rn. 18). Für das Strafverfahren hat der Bundesgerichtshof diese Grundsätze dahin konkretisiert, dass der Widerspruch bis zu dem in § 257 StPO genannten Zeitpunkt vorliegen muss. Die Nichtausübung des Widerspruchsrechts innerhalb der Frist führt zum endgültigen Rechtsverlust. Dies gilt auch für die Beweiserhebung und -verwertung in einer weiteren Tatsacheninstanz (BGH, Beschlüsse vom 27. Februar 1992 – 5 StR 190/91 – NJW 1992, 1463 ≪1464 f.≫, vom 3. Dezember 2003 – 5 StR 307/03 – NStZ 2004, 389, vom 9. November 2005 – 1 StR 447/05 – NJW 2006, 707 und vom 11. September 2007 – 1 StR 273/07 – NJW 2007, 3587 ≪3588≫).
Diese Rechtsgrundsätze sind auch im Disziplinarverfahren anwendbar. Danach ist ein Beweis, der unter Verstoß gegen die gesetzliche Belehrungspflicht zustande gekommen ist, verwertbar, wenn der Beamte der Verwertung nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung widerspricht, in der das Verwaltungsgericht den Beweis erhebt (Beschluss vom 6. August 2009 a.a.O. Rn. 20).
Daraus folgt für den vorliegenden Fall: Der Beklagte hat der Verwertung anlässlich des in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeführten Vorwurfs der unberechtigten Datenabfragen in einem polizeilichen Informationssystem laut den Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 14. September 2010 nicht widersprochen; dies hat er vielmehr erstmals – und damit verspätet – im Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht getan.
Angesichts des Vorstehenden kann dahin gestellt bleiben, ob die Erwägung des Oberverwaltungsgerichts trägt, die ohne zureichende Belehrung nach § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO erfolgte Aussage des Beklagten wegen unberechtigter Datenabfragen bei Verdacht auf Verletzung des Dienstgeheimnisses sei verwertbar, weil feststehe, dass er sein Schweigerecht vor dem Hintergrund seiner polizeilichen Ausbildung und langjähriger Berufserfahrung auch ohne konkret tatvorwurfbezogene Belehrung gekannt habe.
c) Des Weiteren greifen auch die Rügen des Beklagten in Bezug auf den Vorwurf des Erwerbs unversteuerter Zigaretten im Ergebnis nicht durch. Dabei kann wieder dahin gestellt bleiben, ob die Rügen als Grundsatz- und/oder als Verfahrensrügen zu verstehen sind.
aa) Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache wird nicht durch die Behauptung aufgeworfen, der Erwerb von 960 Zigaretten ohne gültiges Steuerzeichen, sei nicht hinreichend konkret und aus sich heraus verständlich in der Disziplinarklageschrift dargestellt. Die inhaltlichen Anforderungen an eine Disziplinarklageschrift sind durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Nach § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG i.V.m. § 41 DiszG muss die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann.
Diese Anforderungen an die Klageschrift tragen dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind. Aus der Klageschrift muss bei verständiger Lektüre deshalb eindeutig hervorgehen, welche konkreten Handlungen dem Beamten als Dienstvergehen zur Last gelegt werden (Urteil vom 25. Januar 2007 – BVerwG 2 A 3.05 – Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27 f., Beschluss vom 6. April 2011 – BVerwG 2 B 65.10 – ≪insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 17≫ juris Rn. 13 und zuletzt Beschluss vom 17. Juli 2013 – BVerwG 2 B 27.12 – juris Rn. 14 m.w.N.).
Diese Maßstäbe hat das Oberverwaltungsgericht an die vorliegende Disziplinarklageschrift angelegt. Da die Ermittlung ihres Inhalts revisionsrechtlich als Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO gilt, kann die Auslegung des Oberverwaltungsgerichts vom Senat nur darauf geprüft werden, ob das Gericht gegen einen Auslegungsgrundsatz, einen allgemeinen Erfahrungssatz oder gegen Denkgesetze verstoßen hat (stRspr; vgl. Urteil vom 30. Oktober 2013 – BVerwG 2 C 23.12 – BVerwGE 148, 217 Rn. 14). Dafür ist vorliegend nichts ersichtlich, weil sich die Disziplinarklageschrift über die Tatsache des Zigarettenbesitzes hinausgehend auf die Aussagen des Beklagten gegenüber der ermittelnden Polizeibeamtin zum Zigarettenerwerb stützt. Damit geht aus der Klageschrift hervor, welche konkrete Handlung dem Beklagten vorgehalten wird.
bb) In Bezug auf den Erwerb unversteuerter Zigaretten hat das Oberverwaltungsgericht auch ein sich aus der Rechtswidrigkeit der Durchsuchung ergebendes Verwertungsverbot verneint.
Revisionsrechtlich stellt sich indes die Frage, ob es anlässlich der Beschlagnahme der Zigaretten überhaupt zu einer Durchsuchung im Rechtssinn gekommen ist. Mit der Beschwerde rügt der Beklagte nur, die Zigaretten seien in seiner Wohnung nachträglich beschlagnahmt worden, nachdem die Wohnung zuvor durchsucht worden und er auf dem Polizeirevier vernommen worden sei. Im Anschluss an die Vernehmung sei der Beklagte von Polizeibeamten wieder in seine Wohnung gebracht worden. Dort sei ihm von den Beamten erklärt worden, sie hätten „vergessen”, die Zigaretten zu beschlagnahmen und wollten dies nun nachholen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine Durchsuchung eine amtliche Suche nach Beweismitteln im Zuge von Ermittlungen wegen des Verdachts auf ein Dienstvergehen oder eine Straftat (Urteil vom 16. März 2004 – BVerwG 2 WD 3.04 – BVerwGE 120, 193 ≪203≫ = Buchholz 235.01 § 93 WDO 2002 Nr. 1 S. 7 f.). Kennzeichen ist die ziel- und zweckgerichtete Suche staatlicher Organe nach etwas Verborgenem in einem bestimmten abgrenzbaren Bereich oder Objekt (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 – 1 BvR 1113/85 – BVerfGE 75, 318 ≪327≫ und Urteil vom 31. März 2011 – BVerwG 2 A 11.08 – Buchholz 235.1 § 27 BDG Nr. 1 Rn. 14). Bei von Polizeibeamten anlässlich der Durchsuchung nur „vergessenen” Zigaretten, die im Nachgang zu der Durchsuchung noch beschlagnahmt werden, handelt es sich um nichts Verborgenes, das es zu suchen gilt. Die Zigaretten sind bereits aufgefunden gewesen; es hat nur noch ihrer Beschlagnahme bedurft. Damit ist für die Beschlagnahme der Zigaretten entgegen der Auffassung des Beklagten mangels Durchsuchung von vornherein kein Durchsuchungsbeschluss erforderlich gewesen.
In Ermangelung einer Durchsuchung im Hinblick auf die „vergessenen Zigaretten” bedarf es keiner Entscheidung über die rechtliche Tragfähigkeit der Annahme des Oberverwaltungsgerichts, eine richterliche Durchsuchungsanordnung für die Mitnahme der Zigaretten sei entbehrlich gewesen, weil der Beklagte dieses Vorgehen gestattet habe. Die tragende Erwägung des Oberverwaltungsgerichts, der Beklagte habe die Durchsuchung seiner Wohnung am Nachmittag gestattet, hat der Beklagte nicht in Frage gestellt. Daher kann dahin gestellt bleiben, ob das Oberverwaltungsgericht – eine fehlerhafte Beweiserhebung unterstellend – zu Recht ein Beweisverwertungsverbot verneint hat.
d) Soweit der Beklagte weiter rügt, der von ihm eingeräumte außerdienstliche Kokainkonsum in der Silvesternacht 2005/2006, dürfe ihm mangels Dienstbezugs und wegen fehlender Strafbarkeit nicht disziplinarisch vorgehalten werden, hat er keine Frage aufgeworfen, mit der er die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO erreichen kann. Die Maßstäbe für die disziplinarische Relevanz außerdienstlichen Verhaltens sind durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt (Urteile vom 25. März 2010 – BVerwG 2 C 83.08 – BVerwGE 136, 173 = Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 11 jeweils Rn. 16 und vom 28. Juli 2011 – BVerwG 2 C 16.10 – BVerwGE 140, 185 = Buchholz 235.2 LDisziplinarG Nr. 18 jeweils Rn. 20 f.).
Im hier maßgeblichen Zeitraum galt § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. Danach stellt ein außerdienstliches Verhalten nur dann ein disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten dar, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt des Beamten oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. An die Stelle des § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F. ist nunmehr § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG getreten. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass diese Regelung die disziplinarrechtliche Relevanz außerdienstlichen Fehlverhaltens nicht eingeschränkt hat. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG kein dem Beklagten materiell günstigeres Recht geschaffen (vgl. zur Meistbegünstigung, Urteil vom 25. August 2009 – BVerwG 1 D 1.08 – Buchholz 232.0 § 77 BBG 2009 Nr. 1 = NVwZ 2010, 713).
Dazu hat der Senat im Urteil vom 25. März 2010 (a.a.O. Rn. 16) wörtlich ausgeführt:
„In Reaktion auf diese Rechtsprechung erwähnt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG den Ansehensverlust nicht mehr. Insoweit wird in der Gesetzesbegründung hervorgehoben, dass die vorkonstitutionelle Auffassung, Beamte seien ‚immer im Dienst’, in dieser Allgemeinheit nicht mehr gelte. Es gehe allein um das Vertrauen in eine objektive, rechtmäßige und effiziente Aufgabenerfüllung (vgl. BTDrucks 16/4027). Eine Rechtsänderung ergibt sich hieraus nicht. Die Wahrung des ‚Ansehens des Beamtentums’ dient allein der Erhaltung eines allgemeinen Vertrauens in eine rechtsstaatliche Verwaltung. Das Berufsbeamtentum soll eine stabile gesetzestreue Verwaltung sichern, die freiheitlich-demokratische Rechtsordnung verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darstellen.”
e) Des Weiteren hat der Beklagte den behaupteten Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO nicht dargelegt. Der Beklagte macht insoweit geltend, das Oberverwaltungsgericht habe seinen Vortrag nicht berücksichtigt, nachdem ihn seine Ehefrau verlassen habe, sei er unverschuldet in wirtschaftliche Not und eine schwere psychische Situation geraten. Ferner habe das Oberverwaltungsgericht nicht beachtet, dass er trotz weiterer Aufforderungen seines Kollegen nach 2001 der Versuchung, sich an weiteren Betrügereien zu beteiligen, widerstanden habe und den Kontakt zu dem Kollegen im Jahre 2006 völlig abgebrochen habe.
Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse bei seiner rechtlichen Würdigung außer Acht lassen. Insbesondere darf es keinen Umstand übergehen, dessen Entscheidungserheblichkeit sich ihm auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (stRspr; vgl. Beschluss vom 18. November 2008 – BVerwG 2 B 63.08 – Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27 = NVwZ 2009, 399 ≪401≫).
Diese Grundsätze hat das Oberverwaltungsgericht bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme gegenüber dem Beklagten beachtet. Es hat die in der Beschwerdebegründung genannten Umstände in den Gründen des Berufungsurteils abgehandelt. Schon deshalb hat es nicht auf der Grundlage eines lückenhaften Sachverhalts entschieden. Mit Einwendungen gegen die Gewichtung der be- und entlastenden Umstände nach § 13 Abs. 1 Satz 2 bis 4 BDG kann ein Verfahrensfehler nicht dargelegt werden.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 41 DiszG, § 69 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil die Gebühren gemäß § 41 DiszG nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Heitz, Dollinger
Fundstellen