Verfahrensgang
OVG des Saarlandes (Beschluss vom 27.08.1998; Aktenzeichen 8 R 40/96) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. August 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Beschwerdebegründung läßt die Voraussetzungen einer Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, wegen Abweichung oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO) nicht erkennen.
Als rechtsgrundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet die Beschwerde zunächst die Frage „Besteht eine Rechtsgrundlage … zur Umwandlung von Vorausleistungsbescheiden nach § 36 Abs. 2 BAföG in Normalförderung oder Vorausleistungsförderungsreduktion …, wenn die betroffenen Unterhaltspflichtigen ihren … Mitwirkungspflichten erst längere Zeit nach Erlaß des Vorausleistungsbescheides nachkommen?” und bringt hierzu vor, den Unterhaltsanspruch könne das Amt endgültig erst dann durchsetzen, wenn feststehe, welches Einkommen der Eltern anzurechnen sei; nachträglich vorgelegte Erklärungen der Unterhaltspflichtigen seien zu berücksichtigen. Die aufgeworfene Frage würde sich jedoch in dieser Form in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die angefochtene Entscheidung hat nicht grundsätzlich die Möglichkeit einer Umwandlung von Vorausleistungsbescheiden in „Normalförderung” verneint, sondern die bei der Beklagten hinsichtlich des Bestehens einer Unterhaltspflicht nachträglich entstandenen Zweifel u.a. deshalb als unerheblich angesehen, weil § 53 BAföG in der bis zum 1. Juli 1988 geltenden Fassung nur Änderungen „im Laufe des Bewilligungszeitraumes”, nicht aber danach eintretende Änderungen erfaßt habe (S. 15 f. der Entscheidung). Diese Auffassung wird von der Beschwerde zwar ebenfalls als unrichtig angegriffen (S. 4 der Beschwerdeschrift), doch kommt eine Zulassung der Beschwerde unter diesem Gesichtspunkt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich insoweit um ausgelaufenes Recht handelt; zur Klärung von Rechtsfragen, die ausgelaufenes Recht betreffen, kann eine Revisionszulassung nicht erreicht werden (stRspr). Auch die Auffassung der Beschwerde, die ab dem 1. Juli 1988 geltende Rechtslage (Neufassung des § 53 BAföG durch das Elfte Gesetz zur Änderung des Bundesausbildungsförderungsgesetzes – 11. BAföGÄndG – vom 21. Juni 1988, BGBl I S. 829), die keine Beschränkung auf bestimmte Bewilligungszeiträume enthalte, sei deshalb rechtlich maßgeblich, weil bei Anfechtungsklagen die Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung maßgeblich sei, rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Die ab dem 1. Juli 1988 geltende Neufassung des § 53 BAföG kann für die mit Bescheid vom 31. August 1984 erfolgte Änderung der Bewilligung von Ausbildungsförderung schon deshalb nicht maßgeblich sein, weil sich dem 11. BAföGÄndG eine solche Rückwirkung im Sinne einer nachträglichen Heilung von Rechtsverstößen in bereits vor Inkrafttreten der Neuregelung abgeschlossenen Verfahren nicht entnehmen läßt.
Weiter wirft die Beschwerde die Frage auf, ob die Verwaltungsbehörde im Rahmen des § 44 Abs. 4 SGB X berechtigt ist, „einen Aufhebungsantrag ohne Eröffnung eines neuen Verwaltungsverfahrens (dementsprechend auch ohne Sachentscheidung) im Hinblick auf die 4jährige Ausschlußfrist abschlägig zu bescheiden” (S. 4 der Beschwerdeschrift). Auch diese Frage würde sich in einem Revisionsverfahren in dieser Allgemeinheit nicht stellen. Das Berufungsgericht hat entscheidungserheblich darauf abgestellt, daß es vorliegend nicht darum gehe, daß Leistungen im Sinne des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X „erbracht” werden sollten, es vielmehr allein um die Aufhebung eines Änderungsbescheides gehe, durch welche der frühere Leistungsbescheid wieder auflebe und Wirkungen entfalte (S. 16 f. der Entscheidung). Während die Beschwerde insoweit eine grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit nicht darlegt, rechtfertigt die weitergehende Auffassung der Beschwerde, § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X stelle eine generell wirkende Ausschlußfrist dar und entbinde die Behörde nach Ablauf der Vierjahresfrist von jeglicher Pflicht zur sachlichen Überprüfung von Sozialleistungsbescheiden, die Zulassung der Revision nicht, weil sie ersichtlich unzutreffend ist. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X schließt die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum von über vier Jahren vor der Rücknahme aus, entbindet die Behörde aber nicht generell von der Überprüfung länger als vier Jahre zurückliegender Verwaltungsakte, soweit mit der Klage nicht eine (durch die Begrenzung des Leistungszeitraumes auf vier Jahre vor der Rücknahme ausgeschlossene) Leistung bzw. die Schaffung einer Leistungsgrundlage hierfür erstrebt wird. Auch die von der Vorinstanz angeführte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluß vom 1. Februar 1993 – BVerwG 11 B 91.92 – ≪Buchholz 436.36 § 17 BAföG Nr. 15≫) bezieht sich nach dem zutreffenden Verständnis der Vorinstanz auf Fälle, in denen „nicht nur die Aufhebung eines Verwaltungsakts, sondern auch dessen Ersetzung, die Voraussetzung für die begehrten Leistungen gewesen wäre” (S. 16 der Entscheidung), in Rede stand. Einen grundsätzlichen Klärungsbedarf für die nach Maßgabe der vorinstanzlichen Entscheidung allein entscheidungserhebliche Frage, ob § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X auch Fälle umfaßt, in welchen über die Wiederherstellung eines bereits früher ergangenen Vorausleistungsbescheides hinausgehende Leistungen nicht erstrebt werden, legt die Beschwerde nicht dar.
Mit der weiter aufgeworfenen Frage „Hätte der Bescheid vom 30.3.1994 …, abgesehen von der Ausschlußfrist, aufgehoben werden dürfen” (S. 5 der Beschwerdeschrift) vertritt die Beschwerde die Auffassung, das Amt für Ausbildungsförderung habe die Unterlagen im Zusammenhang mit der Frage der Vermögenssteuerpflicht des Vaters des Klägers nicht weiter nachzuprüfen brauchen; für 1980 und 1982 hätten Vermögenssteuerbescheide nicht vorgelegen und die Darlegungslast habe beim Kläger gelegen. Damit greift die Beschwerde in Anknüpfung an den bereits im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verfolgten Rechtsstandpunkt der Beklagten die angefochtene Entscheidung an, ohne daß eine grundsätzliche Bedeutung erkennbar würde.
Das gleiche gilt für die abschließend aufgeworfene Frage, ob der Verurteilung der Beklagten zur Aufhebung des Änderungsbescheids vom 31. August 1984 entgegenstehe, daß der Kläger „nicht in seinen Rechten gemäß den Anträgen verletzt sein konnte”, weil ein Unterhaltsanspruch des Klägers nicht bestanden habe bzw. eine Inanspruchnahme des Unterhaltspflichtigen völlig aussichtslos gewesen sei (S. 6 f.); auch damit greift die Beschwerde lediglich den Rechtsstandpunkt des Berufungsgerichts an, ohne eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung zu bezeichnen.
Worin die hilfsweise geltend gemachte Divergenz zu dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Februar 1993 – BVerwG 11 B 91.92 – (a.a.O.) bestehen soll, legt die Beschwerde nicht näher dar.
Die Verfahrensrüge, mit welcher die Beschwerde sinngemäß eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 VwGO) bzw. einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör geltend macht (das Berufungsgericht habe das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beklagten zur Unterhaltspflicht außer acht gelassen), kann ebenfalls nicht zur Zulassung der Revision führen. Auf der Grundlage der Rechtsauffassung der Vorinstanz kam es auf das Bestehen einer Unterhaltspflicht des Vaters des Klägers nicht an (S. 15 der Entscheidungsgründe). Hiergegen wird die Beklagte durch das Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht geschützt, während für den Umfang der Aufklärungspflicht allein die materiellrechtliche Auffassung der Tatsacheninstanz maßgeblich ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 – BVerwG 6 C 10.84 – ≪Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4≫).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Gerichtskostenfreiheit auf § 188 Satz 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Säcker, Dr. Bender, Dr. Franke
Fundstellen