Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 14.12.2009; Aktenzeichen 16 A 1822/07) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.
Gründe
Rz. 1
Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde der Beklagten bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang höchstrichterlich ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist. Gemessen an dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO lässt sich der Beschwerdebegründung keine solche Frage mit Grundsatzbedeutung entnehmen.
Rz. 3
a) Für grundsätzlich klärungsbedürftig hält die Beklagte zunächst folgende Frage:
“Steht es der Geltendmachung eines etwaigen Anspruches eines Kreisverbandes einer politischen Partei im Wege gesetzlicher Prozessstandschaft durch den Gebietsverband der jeweils höchsten Stufe entgegen, wenn der Kreisverband selbst beteiligungsfähig im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO ist?”
Rz. 5
Dieser Frage kommt keine Grundsatzbedeutung zu, weil sie sich auf der Grundlage des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Interpretation und anhand der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres im verneinenden Sinne beantworten lässt, so dass es ihr an der erforderlichen Klärungsbedürftigkeit fehlt (vgl. allgemein: Beschlüsse vom 21. Dezember 1994 – BVerwG 4 B 266.94 – Buchholz 406.401 § 8a BNatSchG Nr. 2 S. 4 und vom 29. Mai 1996 – BVerwG 9 B 155.96 – Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 66 S. 4).
Rz. 6
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 28. März 1969 – BVerwG 7 C 49.67 – Buchholz 11 Art. 21 GG Nr. 1 S. 2 ≪insoweit in BVerwGE 31, 368 ff. nicht abgedruckt≫ und vom 18. Juli 1969 – BVerwG 7 C 56.68 – BVerwGE 32, 333 ≪334≫ = Buchholz 150 § 5 PartG Nr. 1 S. 1 f.) ist anerkannt, dass § 3 PartG den politischen Parteien und – vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung in der Satzung der Gesamtpartei – ihren Gebietsverbänden der jeweils höchsten Stufe für sämtliche gerichtlichen Verfahren die Parteifähigkeit einräumen und dadurch insbesondere die unbefriedigende zivilprozessuale Stellung der Parteien beseitigen wollte. Nicht hingegen sollte die in den Bestimmungen besonderer Verfahrensordnungen – wie in § 61 Nr. 2 VwGO – schon gesicherte Beteiligungsfähigkeit niederer Gebietsverbände ausgeschlossen werden. Es liegt klar zu Tage und bedarf nicht erst revisionsgerichtlicher Klärung, dass es diesem auf eine Erweiterung und nicht auf eine Schmälerung vorhandener prozessualer Rechte gerichteten Gesetzeszweck entspricht, die in § 3 Satz 2 PartG geregelte Prozessstandschaft der Parteigebietsverbände der höchsten Stufe für die niederen Gebietsverbände mit dem Oberverwaltungsgericht als eine prozessuale Möglichkeit aufzufassen, die zu der eigenen Beteiligtenfähigkeit der niederen Gebietsverbände hinzutritt.
Rz. 7
b) Die Beklagte führt weiter aus, der klagende Landesverband Nordrhein-Westfalen der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) könne die von ihm unterhaltene Kontoverbindung dem kontenlosen Kreisverband Oberhausen der Partei zur Verfügung stellen. Sie wirft hierzu als grundsätzlich klärungsbedürftig die Frage auf:
“Ist der grundsätzlich aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG folgende Anspruch politischer Parteien auf Zurverfügungstellung von Einrichtungen oder auf Gewährung von Leistungen durch einen Träger öffentlicher Gewalt ausnahmsweise dann nicht eröffnet, wenn die betreffende Partei oder ihre Untergliederung die betreffende Leistung oder Einrichtung bereits anderweitig bezieht?”
Rz. 9
Diese Frage führt bereits deshalb nicht auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil sie sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt hat. Eine Rechtsfrage, die sich für die Vorinstanz nicht gestellt oder auf die diese nicht entscheidend abgehoben hat, kann regelmäßig – und so auch hier – nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl. Beschlüsse vom 5. Oktober 2009 – BVerwG 6 B 17.09 – juris Rn. 7 und vom 1. Juni 2010 – BVerwG 6 B 77.09 – juris Rn. 10). Das Berufungsgericht hat die Inanspruchnahme des Girokontos des klagenden Landesverbandes der NPD durch den Kreisverband nicht als die “bereits anderweitig (bezogene) betreffende Leistung” qualifiziert. Es hat im Gegenteil ausgeführt (UA S. 11), eine Beeinträchtigung des Kreisverbandes in seiner Chancengleichheit lasse sich nicht durch den Verweis auf die Möglichkeit zur Mitbenutzung des Girokontos einer anderen Parteigliederung verneinen, weil dies mit gewichtigen Nachteilen für den Kreisverband verbunden sei. Zum einen stieße die Herstellung der erforderlichen finanziellen Transparenz dann an ihre Grenzen, wenn auf das von mehreren Parteiuntergliederungen gemeinsam genutzte Konto Spenden überwiesen würden, die sich keiner der beteiligten Untergliederungen zuordnen ließen. Zum anderen bestünde selbst bei sorgfältiger Buchführung eine größere Gefahr von Fehlbuchungen als bei getrennter Kontoführung.
Rz. 10
Diesen Erwägungen stellt die Beklagte in ihrer Beschwerdebegründung zwar ihre Ansicht entgegen (GA Bl. 575), die Mitbenutzung des Girokontos des Landesverbandes stelle sich für den Kreisverband als gleichwertige Alternative dar. Sie begründet diese Einschätzung jedoch nicht in einer dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO genügenden Weise. Denn durch den Verweis auf Passagen ihrer vorinstanzlichen Schriftsätze vom 3. Mai 2005 (GA Bl. 203 bis 205), 8. November 2006 (GA Bl. 294 ff.) und 4. Juli 2007 (GA Bl. 397) geht sie nur auf die erste der hier tragenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts, die Gefährdung des für die Parteienfinanzierung geltenden Transparenzgebotes, ein. Den zweiten von dem Berufungsgericht angeführten Grund, die allgemein gegebene Gefahr von Fehlbuchungen, lässt sie vollständig außer acht.
Rz. 11
Abgesehen hiervon ist die Frage der Beklagten wiederum mangels Klärungsbedürftigkeit nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Denn gerade für die hier in Rede stehende Konstellation des Verweises einer Parteiuntergliederung auf die Benutzung eines anderweitig eingerichteten Kontos hat sie der Bundesgerichtshof bereits verneint (Urteil vom 11. März 2003 – XI ZR 403/01 – BGHZ 154, 146 ≪152≫ für ein Treuhandkonto; vgl. auch Urteil vom 2. Dezember 2003 – XI ZR 397/02 – NJW 2004, 1031 ≪1032≫). Zudem ist offensichtlich und bedarf nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass ein Träger öffentlicher Gewalt dem gegen ihn gerichteten Gleichbehandlungsanspruch aus § 5 PartG nicht entgegenhalten kann, die betreffende Partei könne sich Ersatz für die einer anderen Partei gewährte, ihr hingegen vorenthaltene öffentliche Leistung bei einem – privaten – Dritten beschaffen. Dies widerspräche der nach Sinn und Zeck des § 5 PartG gebotenen weiten Auslegung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift (vgl. dazu: Urteil vom 13. Dezember 1974 – BVerwG 7 C 42.72 – BVerwGE 47, 280 ≪287≫ = Buchholz 160 Wahlrecht Nr. 13 S. 28 f.).
Rz. 12
c) Die Beklagte verweist schließlich auf den Umstand, dass der Kreisverband Oberhausen des klagenden Landesverbandes der NPD ein Girokonto bei der Postbank Essen unterhalten habe, bis dieses von der Bank im Sommer des Jahres 2000 gekündigt worden sei, und will grundsätzlich geklärt wissen:
“Setzt in dem Fall, dass die betreffende Partei in der Vergangenheit die begehrte Leistung anderweit bezogen hatte, dieses Nutzungsverhältnis aber beendet wurde, der Anspruch aus § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG auch voraus, dass die betreffende Partei oder ihre Untergliederung erfolglos alle zumutbaren rechtlichen Schritte gegen diese Kündigung ergriffen hat?”
Rz. 14
Diese Frage verhilft der Beschwerde ebenfalls nicht zum Erfolg, denn auch sie hat sich dem Oberverwaltungsgericht nicht gestellt. Dieses ist vielmehr in Würdigung der konkreten Umstände des entschiedenen Einzelfalles davon ausgegangen, dass dem Kreisverband Oberhausen der NPD keine zumutbaren rechtlichen Schritte zur Verfügung standen bzw. stehen, um eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses zu erreichen, das die Postbank Essen – entsprechend dem Vorgehen anderer deutscher Banken gegenüber rechtsextremen Organisationen – beendet hatte. Das Oberverwaltungsgericht hat mit für den Senat bindender Wirkung (§ 137 Abs. 2 VwGO) festgestellt, dass es keine Anhaltspunkte für eine Bereitschaft der Postbank Essen zu einer freiwilligen Fortführung des Vertragsverhältnisses gibt, es hierfür vielmehr der Verpflichtung durch ein zivilgerichtliches Urteil bedürfte. Das Berufungsgericht hat hieran die rechtliche Einschätzung geknüpft, es sei nicht ausgeschlossen, dass das zuständige Zivilgericht einen eventuellen Anspruch des Kreisverbandes auf Fortsetzung der Vertragsbeziehungen als verwirkt ansehen werde. Diese Würdigung der tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ist einer rechtsgrundsätzlichen Entscheidung in einem Revisionsverfahren nicht zugänglich. Im Übrigen liegt es auf der Hand und bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass der gegen die Beklagte gerichtete Anspruch auf Gleichbehandlung nicht deshalb ausgeschlossen wäre, weil der Kreisverband Oberhausen der Klägerin in einem früheren Zeitpunkt einen Dritten auf die Gewährung einer entsprechenden Leistung hätte in Anspruch nehmen können, dies aber nicht getan hat.
Rz. 15
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
Unterschriften
Neumann, Bier, Möller
Fundstellen